LDK-Beschluss

Grünes NRW – vielfältig, bunt, offen

Unsere Gesellschaft ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bunter geworden. Diese Vielfalt zeichnet sich besonders in Nordrhein-Westfalen aus. Von Aachen bis Minden leben Menschen aus mehr als 180 Ländern in unserem Bundesland; ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler an nordrhein-westfälischen Schulen hat einen Migrationshintergrund. In Nordrhein-Westfalen treffen die unterschiedlichsten Religionen und Wertevorstellungen, aber auch verschiedene sexuelle Identitäten, Formen des familiären Zusammenlebens und Lebensentwürfe aufeinander. Viele Menschen haben auch dank der Politik der Grünen mehr Freiheiten, ihre eigenen, individuellen Lebensentwürfe zu verfolgen. Frauen haben sich mehr gesellschaftliche Teilhabe erkämpft. Menschen mit Behinderung nehmen ihr Leben zunehmend selbst in die Hand. Die Vielfalt in unserem Land ist sein Reichtum. Wir Grüne halten diese Vielfalt für wertvoll und wollen sie mit all ihren alltäglichen Herausforderungen befördern und weiter gestalten.

Diese gelebte Vielfalt steht allerdings im Fokus einer neuen rechten Bewegung, die die Pluralität unserer Gesellschaft massiv in Frage stellt und angreift. Gleichzeitig sind Vorurteile und alltägliche Diskriminierung tief in allen Teilen der Gesellschaft verwurzelt. Auch heute ist es noch bittere Realität, dass Diskriminierung im Alltagsleben stattfindet, z.B. aufgrund von Geschlecht, sexueller Identität oder Religionszugehörigkeit Auch heute ist es noch bittere und traurige Realität wie Diskriminierung im Alltagsleben stattfindet, z.B. aufgrund von Geschlecht, sexueller Identität oder Religionszugehörigkeit. Es ist beschämend wie Flüchtlinge persönlich angegriffen und ihre Unterkünfte Ziel von Anschlägen werden. Besorgniserregend ist auch die seit Jahren steigende Anzahl von Anschlägen auf Moscheen und Angriffen auf Musliminnen und Muslime. Dass 70 Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur Jüdinnen und Juden weiterhin Opfer von Übergriffen werden, macht uns fassungslos. Dies ist nicht nur Realität in Nordrhein-Westfalen sondern leider eine europaweite Entwicklung. Diese Ressentiments, dieser Hass und diese Gewalt werden befeuert durch rechte bzw. extrem rechte Parteien und Bewegungen, die sich einen bürgerlichen Anstrich geben. Wir GRÜNE stellen uns dieser Entwicklung entschlossen entgegen, hier in unserem Land, deutschland- und europaweit. Wir wissen dabei die große Mehrheit der Bevölkerung an unserer Seite.

Wir Grüne stehen für ein vielfältiges, buntes und offenes Nordrhein-Westfalen – ohne Wenn und Aber. Wir stehen für gleiche Rechte für alle und für die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule. Wir stehen für ein neues „Wir“ in unserer pluralen Gesellschaft. Wir wollen, dass alle Menschen die Freiheit haben, ihre eigenen Lebensentwürfe zu verfolgen, und ihre Potentiale in unserer Gesellschaft voll ausschöpfen können. Niemand soll aufgrund seiner Herkunft oder Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder sexuellen Identität, Behinderung oder des Geschlechts diskriminiert werden oder gar Angst vor Bedrohung oder Übergriffen haben müssen. In Zeiten einer erstarkten Politik mit Ressentiments, der erhöhten Lautstärke nationalistischer, rassistischer, frauenfeindlicher und homophober Stimmen, stellen wir unsere Werte einer Gesellschaft der Vielfalt ins Zentrum der politischen Debatte: Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Antidiskriminierung und Minderheitenschutz sind die Basis einer demokratischen und pluralen Gesellschaft. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen für Vielfalt und Verschiedenheit zusammen steht – denn was wäre Karneval, wenn alle das gleiche Kostüm tragen?

Für eine echte Willkommenskultur und Perspektiven für Flüchtlinge

Weltweit sind momentan über 50 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Not und politischer Verfolgung, vor Kriegen und Terror, vor gesellschaftlicher Ausgrenzung und Diskriminierung, vor Hunger und Krankheiten und immer mehr auch vor den Auswirkungen der Klimakrise. Der Einsatz für die Rechte von Flüchtlingen ist seit jeher ein grünes Herzensthema. Für uns sind die unveräußerlichen Menschenrechte Kompass unseres Handelns. Wir wollen, dass Flüchtlinge in NRW gut und sicher leben können, dass sie sich willkommen fühlen können und eine Perspektive für ihr weiteres Leben entwickeln können. Sie haben unsere vollste Unterstützung und Solidarität. Wir wollen die vielen gemeinnützigen und ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit unterstützen, denn sie bauen Brücken in die nordrhein-westfälische Gesellschaft. Ohne ihr Engagement ist eine Anerkennungs- und Willkommenskultur nicht denkbar. Die Tradition des Kirchenasyls darf nicht infrage gestellt werden. In sorgfältig geprüften Einzelfällen sorgt es dafür, dass der Rechtsstaat seine humanitären Rechtsnormen wirklich ausschöpft. Dass ca. drei Viertel der Kirchenasylfälle positiv aufgelöst werden, zeigt, dass sich das Kirchenasyl bewährt hat und weiter notwendig bleibt. Die Kirchengemeinden, die nach reiflicher Überlegung Kirchenasyl bieten, verdienen unseren vorbehaltlosen Respekt und unsere Solidarität.

Der Bund ist aufgefordert, insbesondere die Kommunen endlich bei der Unterbringung und Versorgung angemessen finanziell zu unterstützen.

Wir begrüßen die Ergebnisse des nordrhein-westfälischen Flüchtlingsgipfels. Es ist wichtig und richtig, dass sich das Land in der derzeitigen Situation auch finanziell verstärkt für Flüchtlingskinder in Kitas und Schulen, für Frauengesundheit, die Unterstützung und Begleitung von ehrenamtlichen Engagement in der Flüchtlingsarbeit und für Maßnahmen zur Verbesserung der Integration in den Arbeitsmarkt sowie die Ausweitung von Deutschkurse engagiert. Wir wollen, dass alle Flüchtlinge unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status in eine gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen werden.

Wir richten uns entschieden gegen die Praxis, unschuldige Menschen einzusperren. Abschiebehaft stellt für uns deshalb eine zutiefst menschenunwürdige Praxis dar. Grüne Politik war sich dort immer einig und muss auch weiterhin für die Abschaffung dieses Gesetzes auf Bundesebene streiten.

Für eine offene Migrationsgesellschaft

In den letzten 25 Jahren hat sich unser Land sichtbar für migrationsgesellschaftliche Vielfalt geöffnet. Wir Grüne haben uns von Anfang an konsequent dafür eingesetzt, Deutschland als Einwanderungsland mit einer auf Teilhaberechten aufbauenden Anerkennungs- und Willkommenskultur zu gestalten. Die gegenwärtige Migrations- oder Integrationspolitik ist noch immer defizitorientiert anstatt die Potentiale von Einwanderinnen und Einwanderer für unsere Gesellschaft zu sehen. Einwanderung ist eine große Chance für unsere Gesellschaft. Einwander*innen sind ein Gewinn. Dabei ist die große Aufgabe, gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion aller zu einem neuen Wir zu gestalten. Wir sprechen hier bewusst von Inklusion statt Integration. Denn Inklusion bezieht alle Menschen unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderung oder sozialem Status ein. Die Frage muss lauten, wie wir unsere Gesellschaft gestalten, damit alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können, nicht wie wir Menschen integrieren können. Eine gelingende Inklusion beginnt mit dem diskriminierungsfreien Zugang zu Sprache, Bildung und Arbeit. Deshalb brauchen wir endlich ein Einwanderungsgesetz. Es gilt, Kriterien dafür zu entwickeln, die Einwanderung und das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft zu gestalten. Hierzu gehört auch eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts.

Wir Grüne sehen als Herausforderungen die Integration und Partizipation von Neuzugewanderten auf der einen Seite und begreifen Integration als gleichberechtigte Teilhabe in allen Bereichen der Gesellschaft für Menschen mit Migrationsgeschichte in zweiter, dritter oder gar vierter Generation auf der anderen Seite. Während Menschen mit Migrationsgeschichte zunehmend ‚höhere‘ Abschlüsse erzielen, belegen Studien, dass sie auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund ihres Namens schlechtere Chancen haben.

Die Trennung von Menschen aufgrund ethnischer, kultureller oder religiöser Merkmale steht im Widerspruch zu einem offenen und pluralistischen Gesellschaftskonzept. Alle gesellschaftlichen und politischen Kräfte müssen daran arbeiten, ein weiteres Auseinanderdriften unserer Gesellschaft entlang von ‚Herkunftsgrenzen‘ (oder gar ‚Glaubensgrenzen‘) zu verhindern.

Mit seinem Teilhabe- und Integrationsgesetz hat Nordrhein-Westfalen 2012 dafür wichtige Weichen gestellt. Wir wollen die Kommunalen Integrationszentren weiter vorantreiben und insbesondere die Kooperation mit den Migrantenorganisationen erweitern, die sich mit unterschiedlichsten nordrhein-westfälischen Themen wie Kunst und Kultur, Gesundheit oder Umwelt auseinandersetzen. Mit dem nordrhein-westfälischen Berufsanerkennungsgesetz sorgen wir dafür, dass ausländische Berufsabschlüsse besser und schneller anerkannt werden und schaffen eine umfängliche Beratungsstruktur. Wir begrüßen, dass mit dem Gesetz auch die Anerkennung von Vorerfahrungen vorgesehen ist, da in unterschiedlichen Herkunftsländern auch häufig eine unterschiedliche Praxis der beruflichen Bildung vorherrscht. Wir bekräftigen unsere Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger*innen. Ein Landeswahlrecht wollen wir prüfen.

Für religiöse Vielfalt und Respekt

In Nordrhein-Westfalen gehören rund drei Viertel aller Menschen einer Religionsgemeinschaft an oder partizipieren an einer religiösen Organisation, ein Viertel der nordrhein-westfälischen Bevölkerung ist konfessionslos.

Das Recht auf Religionsfreiheit und das Recht auf Freiheit von Religion gilt für alle Lebensbereiche (positive und negative Religionsfreiheit). Wir wollen den Respekt der verschiedenen Religionen untereinander und das Wissen übereinander fördern.

Als Grundrechtepartei wollen wir ein NRW, in dem Menschen unterschiedlicher religiöser Überzeugungen und solcher, die keiner Religion zugehörig sind, friedlich und gleichberechtigt zusammen leben können. Dies erfordert, dass der Staat eine neutrale Position einnimmt, ohne jedoch passiv zu bleiben. Er bleibt nicht neutral, wenn er für Religiösität oder einzelne Religionen eintritt. Er ist aber auch nicht neutral, wenn er Religion oder einzelne Religionen diskriminiert. Der Islam gehört zu Nordrhein-Westfalen wie andere Religionen auch. Die Einführung des Islamischen Religionsunterrichts, wurde gemeinsam mit den islamischen Verbänden entwickelt. Der islamische Religionsunterricht ist ein wichtiger Erfolg und ein deutliches Zeichen für die Anerkennung und Wertschätzung des Islams in Nordrhein-Westfalen wie auch schon der alevitische Religionsunterricht. Wir begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Aufhebung des Kopftuchverbots an Schulen, weil es ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Anerkennung der Pluralität unserer Gesellschaft ist, die keine Diskriminierung aufgrund von bestimmten (äußerlichen) Merkmalen zulässt. Denn es kommt hierbei nicht darauf an, was jemand auf dem Kopf, sondern welche Gedanken und Werte sie im Kopf hat.

Der sich verändernden gesellschaftlichen Wirklichkeit im religiösen Bereich wird aber auch damit Rechnung getragen, dass es seit dem Beschluss des Landtags im März 2015 leichter ist, Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln, wenn dies dem Wunsch einer Mehrheit der Eltern entspricht. Der Beschluss ist ein wichtiger Schritt in Richtung größerer Gemeinsamkeit von Schüler*Innen unterschiedlicher religiöser Prägung und solcher ohne Religionszugehörigkeit. Er unterstützt unser Anliegen, den Zusammenhalt in der Gesellschaft auf der Basis der Grund- und Freiheitsrechte von Anfang an zu leben. Es muss auch in der Grundschule das Angebot des Ethikunterrichts geben.

In einer pluralen Gesellschaft ist es wichtig, besonders Kindern und Jugendlichen die Achtung und Anerkennung aller Menschen und ihrer unterschiedlichen Wertvorstellungen zu vermitteln und mitzugeben. Hierfür steht unser Grundgesetz Pate, die die Basis für unser gemeinsames gesellschaftliches Zusammenleben darstellt. Denn wer Karikaturen und Polemik nicht aushalten kann, der ist auch für das Leben in einer modernen Gesellschaft nicht vorbereitet. Eine Pädagogik, die den Geist von Menschenrechten, Freiheit- und Selbstbestimmungsrechten, religiöse Toleranz und Respekt aller in den Mittelpunkt stellt, wollen wir in den Schulen weiter fördern.

Für echte Gleichberechtigung

Wir wollen sicherstellen, dass alle Geschlechter ihre Rolle in der Gesellschaft frei wählen können. In der Frauenpolitik konnten in den vergangenen Jahren viele Erfolge verzeichnet werden. Die tatsächliche Gleichstellung von Frauen ist aber weiterhin eine große Herausforderung. Wir wollen die Situation von Frauen in allen Lebensbereichen konkret verbessern und sehen Gleichstellung als Querschnittsaufgabe, die in allen politischen Bereichen besondere Relevanz hat.

Um allen Frauen mehr Freiheit und Unabhängigkeit zu ermöglichen, wollen wir bestehende Nachteile angehen. Denn die bestausgebildete Generation von Frauen steckt beruflich weiterhin in mehrfacher Hinsicht in der Falle: Frauen werden im Durchschnitt bei gleicher und gleichwertiger Arbeit schlechter bei gleicher und gleichwertiger Arbeit schlechter bezahlt, sie entscheiden sich häufig für sogenannte ”typische Frauenberufe”, die selten eine leistungsgerechte Vergütung haben und keine Aufstiegschancen bieten. Frauen nehmen immer noch eher als Männer für Sorgearbeit sowie Erziehungs- und Pflegeauszeiten oft Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit in Kauf. Deshalb setzen wir uns für ein konsequentes Entgeltgleichheitsgesetz auf Bundesebene ein und wollen in Nordrhein-Westfalen die Koordinierungsstelle zu „Equal Pay“ als Unterstützung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten fortführen. Verbesserung der Karrierechancen von Frauen, mehr Frauen in Führungspositionen und Abbau von Altersdiskriminierung bei der Jobsuche bleiben unsere Ziele. Wir wollen die Kompetenzzentren Frau und Beruf mit umfangreichem Aufgabenprofil fortführen sowie die geschlechterdifferenzierte Arbeitsmarktpolitik des Landes ausbauen, neue Ansätze der Frauenförderung entwickeln und umsetzen. Hilfe für Opfer von Gewalt muss selbstverständlich und kostenlos sein. Wir setzen uns deshalb weiterhin für die verlässliche und bedarfsgerechte Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen ein. Die Weiterentwicklung der Frauenhäuser, insbesondere auch in Bezug auf die Bedarfe von Gewaltopfern mit Behinderung, ist uns ein wichtiges Anliegen. Außerdem möchten wir das Angebot für Mädchen stärken, zum Beispiel durch die Förderung expliziter Mädchenhäuser.

Die binäre Vorstellung von Geschlecht muss aufgebrochen werden. Sie bereitet allen Menschen, insbesondere Inter- und Trans*-Personen Probleme. Hier gilt es, politische Lösungen zu finden.

Geflüchtete Frauen bedürfen unserer verstärkten Solidarität. Neben politischer Verfolgung, Krieg und Bürgerkrieg haben sie oft vielfältige Formen von Gewalt erfahren, die sich gegen ihren Körper und ihre Selbstbestimmung als Frauen richten. Wir unterstützen deshalb politische Organisationen und Initiativen, die sich in diesem Bereich engagieren und dringen auf eine Sensibilität auch bei der Unterbringung in den Kommunen.

Gleichstellungspolitik muss auch das Ziel haben, tradierte Rollen für Jungen und Männer aufzubrechen. Wir wollen sie unterstützen, aus gelebten Mustern auszubrechen, um damit auch Wahlmöglichkeiten zu erhalten, sei es im Berufsleben oder bei der Übernahme von Verantwortung in der Familie und dem Zusammenleben.

Für eine inklusive Gesellschaft

Wir stehen für eine Gesellschaft, in der alle Menschen dazugehören – mit ihren individuellen Stärken und Schwächen. Denn es ist normal, verschieden zu sein. Unser Ziel ist ein Nordrhein-Westfalen, in dem die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung Vorrang hat. Inklusion ist ein Menschenrecht. Deshalb gehen die Ansprüche an eine inklusive Gesellschaft weit über die Schule hinaus. In Nordrhein-Westfalen spielt die schulische Inklusion aber eine besondere Rolle, denn die Schulen und Kitas sind Gesellschaft im Kleinen und die Schulen des gemeinsamen Lernens bieten den besten Startpunkt für ein inklusives Miteinander. Wir wollen die schulische Inklusion weiter voranbringen: Während 2005 nur 11,6 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf den Gemeinsamen Unterricht besucht haben, sind es inzwischen mehr als ein Drittel. Dieser Fortschritt ist enorm. Unbestritten stellt die Inklusion das Schulsystem vor große Herausforderungen. Deshalb haben wir in der Landesregierung dafür gesorgt, dass in den nächsten Jahren über eine Milliarde Euro in den schulischen Inklusionsprozess investiert wird. Denn während die Landesregierung von einer Verdreifachung der Inklusionsquote ausgeht, versechsfacht sie bis 2017 die hierfür zur Verfügung stehenden Lehrerstellen. Zudem unterstützt die Landesregierung die Schulen mit einem umfangreichen Fortbildungsangebot. Inklusion ist eine große Chance für die Gesellschaft und eine Frage der Gerechtigkeit. Wir wollen den Menschen mit all seinen Facetten und nicht seine Behinderung sichtbar machen. Dieses Ziel verfolgen wir nicht nur im Interesse der Menschen mit Behinderung. Eine inklusive Gesellschaft, die alle Menschen mit ihren Stärken und Schwächen annimmt, ist eine reiche Gesellschaft. Rücksicht und Respekt sind die besten Mittel gegen soziale Kälte und Ausgrenzung.

Für die Unterstützung aller Familien

Familien sind bunt. Es gibt heute verschiedenste Formen, Familie zu leben. Für uns ist Familie da, wo Kinder sind und wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Uns kommt es nicht auf den Trauschein der Eltern oder die Anzahl der Kinder an. Die ideale Familie ist für uns jene, in der die Menschen miteinander glücklich sind. Patchwork-Familien, Alleinerziehende und Regenbogenfamilien sind neben den „klassischen Familien“ längst Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Und selbstverständlich hat es auch niemand zu bewerten, wenn Menschen sich entscheiden, ohne Kinder zu leben. Wir wollen alle Familien unterstützen und hierfür das derzeitige System der Kinder- und Familienförderung, in dem Familien mit hohem Einkommen aufgrund der Freibeträge überproportional profitieren, vom Kopf auf die Füße stellen und gerechter machen sowie hierfür auf Bundesebene eine Kindergrundsicherung einführen. Wir wollen, dass jedes Kind den gleichen Schutz, die gleiche Förderung und Unterstützung seitens des Staates erfährt. Insbesondere Alleinerziehende müssen besonders unterstützt werden. Wir brauchen zudem endlich eine rechtliche Gleichstellung und bessere Absicherung von Regenbogenfamilien. Das volle Adoptionsrecht für nicht-heterosexuelle Paare ist dabei nur ein erster Schritt. In Nordrhein-Westfalen wollen wir die Situation von Regenbogenfamilien konkret durch die Sensibilisierung und Fortbildung von Fachkräften und Entscheidungsträger*innen in den Bildungs- und Jugendeinrichtungen sowie den Verwaltungsstrukturen verbessern.

Für die Akzeptanz und Wertschätzung queerer Vielfalt

Alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sind unabhängig von ihrer sexuellen und geschlechtlichen Orientierung und Identität Teil unserer Gesellschaft. Wir wollen, dass queere Menschen ihr Leben selbstbestimmt und diskriminierungsfrei führen können sowie die Rechte und Teilhabechancen in Anspruch nehmen können, die allen zustehen. Der nordrhein-westfälische Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie ist hierbei ein großer Erfolg. Erstmals in der Geschichte des Landes NRW ist Queerpolitik durch den Aktionsplan zur Querschnittsaufgabe geworden. Mehr als einhundert Maßnahmen sind seit der Verabschiedung im Jahr 2012 angelaufen; besonders hervorzuheben sind hierbei die rechtliche Gleichstellung von Ehen und eingetragenen Partnerschaften im Landesrecht, die Förderung der Vernetzungs- und Koordinierungsstellen für das Projekt „SchLAU – Schwul-Lesbisch-Bi-Trans*-Aufklärung NRW“, die Seniorinnen- und Seniorenarbeit sowie die Anti-Gewalt-Prävention. Wir wollen den Aktionsplan fortführen sowie die Projekte und Verbände weiterhin finanziell unterstützen. Zudem gilt es, den Aktionsplan weiter in die Fläche zu tragen und dabei insbesondere den ländlichen Raum verstärkt in den Fokus zu nehmen. Wir setzen uns für eine Novellierung des Transsexuellengesetzes ein. Die Bevormundung von Trans*-Personen muss beendet werden. Trans*-Personen sind Teil der Realität und keineswegs „ein Fehler der Natur“. Dies gehört endlich politisch anerkannt.

Für ein konsequentes Engagement gegen die extreme Rechte und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Wir Grüne treten diskriminierenden Parteien und Organisationen, egal in welchem Gewand sie auftreten, entschieden entgegen. Rechten, nationalistischen, rassistischen und faschistischen Organisationen darf nicht unwidersprochen Raum in unserer Gesellschaft gegeben werden. In dieser Auseinandersetzung kann es nicht um einen vorgeblichen „Dialog“ mit den Personen an der Spitze solcher Organisationen gehen. Es muss um die politische Auseinandersetzung für eine offene Gesellschaft der Vielfalt gehen. Wir organisieren deswegen aktiv breite Bündnisse gegen rechts und für eine Gesellschaft ohne Diskriminierung mit.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – rassistische, sexistische, antisemitische, antimuslimische, antiziganistische, homophobe und andere diskriminierende Einstellungen – sind in der Gesellschaft weit verbreitet und zwar unabhängig von Geschlecht, Bildung und Einkommen. Grundlage aller Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, die ganz eindeutig den Menschenrechten zuwider läuft. Rechtsextreme Gruppierungen und Einzelpersonen sehen in menschenfeindlichen Einstellungen eine Legitimation für ihre rechtsextreme Ideologie und auch für gewalttätiges Handeln. Derzeit verzeichnen wir auch in Nordrhein-Westfalen einen Anstieg rechter Gewalt. Allein die offiziellen Zahlen der Kriminalstatistik belegen, dass etwa jeden zweiten Tag in Nordrhein-Westfalen ein Mensch Opfer rechter oder rassistischer Gewalt wird.

Opfer von Gewalt und gesellschaftlicher Diskriminierung werden u.a. Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens, Zugewanderte, schwarze Deutsche, Sinti und Roma, Lesben, Schwule und Trans*, Obdachlose und Menschen mit Behinderung. In den Fokus von Neonazis geraten oft aber auch alternative Jugendliche und Aktive gegen Rechts.

Die antisemitischen Straftaten sind seit Jahren auf einem hohen Niveau. Dass antisemitische Einstellungen weit verbreitet sind, haben zuletzt die Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg im Sommer 2014 deutlich gemacht, als antisemitische Parolen auf den Straßen Nordrhein-Westfalens gerufen wurden. Bei den Anschlägen zum Jahresbeginn 2015 in Paris und Kopenhagen wurden explizit Menschen jüdischen Glaubens zu Zielen der Attentäter. Das ist eine erschreckende Entwicklung in Deutschland und europaweit. Der europäische Antisemitismus kehr mit alten und neuen Akteur*innen zurück und erfordert eine andere Bearbeitung als alleine die klassischen Erinnerungspolitik. Wir begrüßen die Aktionstage 2014 der Amadeu-Antonio-Stiftung und nehmen diese als Vorbild für die zukünftige Präventionsarbeit.

Die aktuelle Debatte über den gewaltbereiten Salafismus wird jedoch von Rechtspopulist*innen ausgenutzt, um gegen Muslim*innen zu hetzen und sie unter Generalverdacht zu stellen. Antimuslimischer Rassismus spielt schon seit langem eine zentrale Rolle in den Parteien und Organisationen der extremen Rechten. Mit menschenverachtenden Parolen gegen Muslim*innen versuchen rechte Gruppierungen an den Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft anzudocken und auf Stimmenfang zu gehen. Eine weitere marginalisierte Gruppe, gegen die sich Gewalt und Hetze derzeit besonders richtet, sind Flüchtlinge. So sind die Übergriffe auf Flüchtlingsunterbringungen und Demonstrationen gegen Asylsuchende in den letzten Monaten massiv gestiegen. Dass die Angriffe auf Muslim*innen und Flüchtlinge im letzten Quartal 2014 besonders zugenommen haben und damit in zeitlicher Nähe zu den Demonstrationen von HoGeSa und Pegida stehen, ist aus unserer Sicht kein Zufall. Auch die Rechtspopulist*innen der AfD haben ihren Anteil an der aktuellen Stimmungslage gegen Minderheiten in unserer Gesellschaft. Menschenverachtenden Einstellungen, ob als offene Gewalt oder subtile Formen der Alltagsdiskriminierung, werden wir Grüne immer entgegentreten!

Seit 2008 gibt es fünf mobile Beratungsteams in den Regierungsbezirken. Diese beraten Institutionen, Behörden, Vereine, Schulen etc. im Umgang mit rechts motivierten Vorfällen. Zudem unterstützen sie Bündnisse gegen Rechts. Seit 2011 fördert das Land NRW auf grüne Initiative hin zwei unabhängige Opferberatungsstellen für Betroffene von rechter/rassistischer Gewalt. Wir werden sicherstellen, dass diese Strukturen trotz knapper Kassen weiterhin aus Landesmitteln gefördert werden. Wir begrüßen, dass die Landesregierung NRW derzeit ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus erarbeitet und die Zivilgesellschaft in diesen Erarbeitungsprozess breit und partizipativ eingebunden ist.

Von Bedeutung ist an dieser Stelle auch eine Ausweitung der Bildungspartnerschaften zwischen Gedenkstätten, Erinnerungsorten und Schulen. Viele Projekte zur Erinnerungskultur und der noch mögliche Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit Zeitzeuginnen und – zeugen zeigen, wie wichtig die Beschäftigung der jungen Generation mit der deutschen Vergangenheit ist, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Dazu gehört auch die Aufarbeitung der deutschen Beteiligung an den Völkermorden an den Hereros und den Armeniern im Osmanischen Reich.

Demokratie leben und lernen – die Voraussetzung für ein vielfältiges, buntes und offenes NRW

Längeres gemeinsames Lernen, Inklusion, Integration und Ganztagsbildung prägen die Entwicklung formeller und nicht-formeller Bildungseinrichtung. Doch all dies wäre nichts ohne das Leitbild einer demokratischen Gesellschaft. Demokratie ist die Staats- und Regierungsform eines vielfältigen, bunten und offenen Landes. Menschen werden jedoch nicht als Demokrat*innen geboren und es ist auch nicht gesichert, dass sie, wenn sie es sind, welche bleiben. Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und andere menschenfeindliche Positionen müssen immer wieder aufs Neue bekämpft werden. Demokratisches Denken und Handeln muss von Kindesbeinen erlernt und immer wieder neu erfahren und neu gestaltet werden. Formelle und nicht-formelle Bildungseinrichtungen müssen gleichermaßen dazu beitragen, dass Demokratie und Partizipation, Menschenrechte, Toleranz und Respekt unsere gesellschaftliche und politische Kultur bestimmen. Für die Schule bedeutet dies beispielsweise: Demokratie ist genauso wichtig wie Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen. Dies gilt gleichermaßen für Berufsausbildung und Studium, aber auch für nicht-formelle Bildungsangebote wie die außerschulische Jugendbildung und die Erwachsenen- und Weiterbildung. Zentrale Grundlagen einer demokratischen Bildung sind eine umfassende historisch-politische Bildung, die Förderung von Partizipation, die Achtung der Menschenrechte und die Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem werden sich gleichermaßen daran messen lassen müssen, welche Spielräume wir bereits Kindern und Jugendlichen eröffnen, Demokratie in einer vielfältigen, bunten und offenen Gesellschaft zu leben und zu lernen. Programme wie „Demokratisch handeln“, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, „Schule der Vielfalt – Schule ohne Homophobie“ bieten bereits in der Schule diese Gelegenheiten. Die KMK-Empfehlung zur Erinnerungskultur als Gegenstand historisch-politischer Bildung wiederum verlangt ein historisches Bewusstsein, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander verbindet. Eine starke Landeszentrale für politische Bildung verknüpft Angebote formeller, informeller und nicht-formeller Bildung. „Erinnern für die Zukunft“ ist gerade in diesem Rahmen ein Auftrag für die Weiterentwicklung unseres Landes zu einem Land, in dem Offenheit, Buntheit und Vielfalt den Alltag der Menschen prägen und menschenfeindliche Positionen keinen Platz mehr haben.

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