Beschluss des Landesparteirates
Der starke Preisanstieg für Öl und Gas in den letzten Monaten hat noch einmal deutlich gezeigt, wie abhängig unser Lebensstandard von Energie ist.
Diese Preisentwicklung wirkt sich auf die privaten Haushalte in ihrer Mobilität und ihrer Wohnsituation negativ aus. Insbesondere für einkommensschwache Haushalte sind die steigenden Energiepreise ein ernstes soziales Problem.
Zudem werden dadurch die Haushalte der Kommunen stark belastet – sowohl durch die höheren Kosten für Wärmeenergie in kommunalen Gebäuden als auch durch die Übernahme der Unterkunftskosten nach SGB II. Auf die öffentliche Hand rollt eine Kostenlawine zu.
Spätestens seit der Ölkrise Mitte der 70er Jahre wissen wir, dass die Ölvorräte endlich sind. Trotzdem sind nach dem Nachlassen des Preisdrucks Anfang der 80er Jahre die Bemühungen, Alternativen zum Öl zu entwickeln, gänzlich vernachlässigt worden. Nur 35% der Wohngebäude erreichen den heute geforderten energetischen Mindeststandard – und der liegt weit von den baulichen Möglichkeiten entfernt.
In NRW ist die Lage besonders problematisch. Weit mehr als 80% der 8,3 Mio. Wohnungen in NRW – also mehr als 6,5 Mio. Wohnungen – sind vor 1985 errichtet worden und gelten als energetisch sanierungsbedürftig. Tatsächlich wurden in NRW in 2006 nur 62.000 Wohneinheiten energetisch saniert. Das ist nur eine Quote von weniger als 1 %. In 2007 dürfte die Quote mit der abnehmenden Baukonjunktur weiter gesunken sein.
Aktuelle Studien bestätigen, dass dies bei weitem nicht ausreicht. Hinzu kommt das Problem, dass trotz hoher technischer Anforderungen sanierte Gebäude und auch Neubauten schlechte Energiekennwerte haben. Eine Kontrolle der bautechnischen Ausführung findet nicht statt.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Es kann nicht bei dem „bisschen“ Herumdoktern bleiben, das die rot-schwarz-gelben selbsternannten Klimaschützer praktizieren.
Wir Grünen meinen deshalb, dass wir nur durch eine nationale Kraftanstrengung zur energetischen Gebäudesanierung diese Aufgabe stemmen können.
Deshalb fordert Bündnis 90 / Die Grünen ein Grünes Aktionsprogramm: „Klimaschonend und kostengünstig Wohnen 2020“
I. CO2-Gebäudesanierungsprogramm sichern und ausbauen
Das KfW-Programm nützt nicht nur dem Klimaschutz, es ist auch im Hinblick auf die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen erfolgreich. Nachdem es im laufenden Jahr gelungen ist, durch massiven öffentlichen Druck die starke Nachfrage durch eine Aufstockung der Mittel in Höhe von Euro 500 Mio. zu befriedigen, plant die Große Koalition für den Haushalt 2009 die Mittel fast zu halbieren. Den Fördermitteln von Euro 1,4 Mrd. in diesem Jahr stünden dann nur noch Euro 750 Mio. zur Verfügung.
Die GRÜNEN NRW treten für eine deutliche Anhebung der Mittel für die Gebäudesanierung im nächsten Jahr ein. Aus Klimaschutzgründen und vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Stagnation ist eine konjunkturelle Stimulation gerade in diesem Bereich sinnvoll.
Die Förderprogramme der KfW müssen zudem umstrukturiert und in der Beantragung vereinfacht werden. Neben zinsvergünstigten Krediten müssen auch echte Zuschüsse gewährt werden. Besonderes Augenmerk ist auf Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit geringem Einkommen bzw. Vermögen zu legen. Sie profitieren von Steuerentlastungen nur in geringem Umfang oder gar nicht.
Besonders Gewicht sollte auch auf die Bedürfnisse von älteren WohneigentümerInnen gelegt werden. Sie scheuen energetische Investitionen aufgrund der regelmäßig langen Rendite. Ihnen wird häufig keinerlei Kredit gewährt, obwohl gerade sie die EigentümerInnen der in besonderem Maße sanierungs-bedürftigen Immobilien sind. Bisher ist in den Zinssätzen für Kredite der KfW stets ein Betrag vorgesehen, mit dem das kreditgebende Institut sein Ausfallrisiko absichert. Dabei kann vor dem Hintergrund einer Wertsteigerung des Gebäudes durch die Sanierung auf eine zusätzliche Kreditausfallabsicherung der Bank verzichtet werden.
II. Steuerliche Impulse für die Gebäudesanierung
Die Europäische Kommission prüft zurzeit, ob energiesparende Produkte und Dienstleistungen durch einen reduzierten Mehrwertsteuersatz gefördert werden können. Darüber hinaus wollen wir Möglichkeiten zur befristeten Erstattung der Mehrwertsteuer auf energetische Sanierungsmaßnahmen prüfen. Eine derartige Steuerrückerstattung befristet auf fünf bis sieben Jahre könnte als schnell wirkendes, leicht verständliches und niedrig-schwelliges Impulsprogramm den Markt ankurbeln und die Attraktivität von Investitionen in Wärmedämmung und Gebäudesanierung deutlich erhöhen.
Vorrang sollten dabei Dämmungen und Dichtigkeiten der Gebäudehülle sowie der Einbau neuer, energetisch effizienter Fenster, Heizungssysteme und kontrollierte Be- und Entlüftungssysteme haben. Die Förderung könnte zum Beispiel rückwirkend über die Erstattung der 19% Mehrwertsteuer durch die Finanzämter und der Nachweis über den Eintrag in den Energiepass erfolgen. Zu prüfen bleibt, wie ein solches Impulsprogramm rasch und unbürokratisch eingeführt und welche arbeitsmarktpolitischen Effekte es generieren kann, welche fiskalischen Minder-einnahmen entstehen, wie diese gegenfinanziert werden können und wie Mitnahme-effekte zu vermeiden sind.
III. Kommunale Energieberater und Beraterinnen
Wissen ist Macht, spart Geld und rettet unser Klima. Aber das Wissen um Klimaschutz muss direkt vor Ort an den Mann und an die Frau gebracht werden. Dazu brauchen wir dringend kommunale EnergieberaterInnen, die die Besonder-heiten ihrer Stadt kennen, fachlich kompetent sind und in die Haushalte gehen. Die Beratung muss auf unterschiedlichen Qualifikationsebenen stattfinden, sie muss Tipps zum energiesparenden Wohnen geben aber auch weitergehende Fragen der Finanzierung mit anbieten. Eine erfolgreiche Energieberatung muss die BewohnerInnen erreichen, vor allem die, die mit ihren geringen Einkommen am stärksten von Energiearmut bedroht sind. Vorbild können hier bereits erfolgreiche Qualifizierungsprojekte „Energieberater“ mit Langzeitarbeitslosen sein.
In vielen Kommunen gibt es bereits Ansätze zur lokalen Energieberatung. Diese müssen zu kommunalen Energiekompetenzzentren ausgebaut werden, welche sich für jedes Gebäude in einer Kommune zuständig fühlen. Kooperationen mit dem Handwerk, den Kammern, den Verbraucherberatungen, aber auch den Initiativen wie Lokale Agenda, müssen eingegangen werden. Diese Energiekompetenzzentren als Beratungs- und Unterstützungsnetzwerke müssen vom Bund und den Ländern jeweils zu 40% unterstützt werden, womit bei den Kommunen ein Eigenanteil von 20% verbliebe.
Wichtig ist, dass die Energieberatung unabhängig und verlässlich ist. Die Kommunen können und müssen dies sicherstellen. Eine Beratung allein seitens eines Energieversorgers erfüllt diese Bedingungen nicht.
IV. Forschung und berufliche Qualifizierung
Die Ausbildung von ArchitektInnen und IngenieurInnen, aber auch einiger Handwerksberufe muss stärker auf die Kenntnisse des energieeffizienten Bauens setzen und diese schon bei der Vermittlung der Grundkenntnisse vorsehen. Die Fortbildungsangebote für diejenigen, die bereits im Beruf stehen, sind bislang quantitativ und qualitativ oft unzureichend. Hier gilt es in Zusammenarbeit mit den Architekten- und Handwerkskammern abgestufte und an den praktischen Anwendungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Berufe angepasste Fortbildungs-angebote zu schaffen.
Die Initiativen sind in den kommunalen Energiekompetenzzentren zu bündeln. Hier sollen Schulungsmöglichkeiten an bestehenden Objekten für HandwerkerInnen, Lehrlinge, SchülerInnen und BürgerInnen angeboten werden, an denen sich konkret unter Anleitung mit dem Thema Energie und Haustechnik auseinandergesetzt werden kann.
Bund und Länder sind gefordert, die Fördermittel für die Forschung im Bereich des energiesparenden Bauens zu erhöhen. Zu wichtigen Forschungszielen gehören u.a. dezentrale Speicher thermischer Energie, Verbundsysteme von kleinen Kraftwerken und Fernwärmenetzen, technische Messverfahren zur Überprüfung der Bau-substanz, nutzerfreundliche raumklimatische Steuerungssysteme und thermische Solarkraftwerke auf Dachflächen.
Weitere Forderungen auf Bundesebene
Darüber hinaus sind weitere Schritte auf Bundesebene erforderlich, um die Förder- und Steuerkulissen des Wohnungsbaus auch langfristig energetisch auszurichten:
- Festsetzung der Standards der Energiesparverordnung und des ErneuerbarenWärmeGesetzes sowohl bei Neubauten auf Passiv- bzw EnergiePlusHäuser und bei Altbauten zumindest auf Niedrigenergiehaus-Standard. Für Altbauten sind großzügige Übergangsregelungen einzuräumen, um Hausbesitzern klare Perspektiven zu geben.
- Das Wohneigentumsgesetz muss angepasst werden, um auch Eigentümergemeinschaften gemeinsam die Möglichkeit zu geben, Förderprogramme für energetische Sanierungen in Anspruch zu nehmen.
- Die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten müssen dringend verbessert und auch für energetische Sanierungen eingeführt werden. Denkbar wäre ein Steuermodell bei energetischen Modernisierungen – analog zum Abschreibungsmodell im Denkmalschutz -, eine Enerergie-AFA.
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