Auch wenn die schwarz-gelbe Bundesregierung es gerne anders darstellt, ist es zu einfach die Ursache der Krise einzig in einer maßlosen Ausgabenpolitik verschwenderischer Regierungen im Süden Europas zu sehen. Die mangelnde Regulierung und die Überschuldung des internationalen Bankensektors sind die Hauptursache der internationalen Finanzkrise. Island, Irland, Spanien sind nur drei Beispiele für Länder, deren Staatsfinanzen im Verlauf der Finanzkrise in massive Bedrängnis gekommen sind, obwohl sie noch wenige Jahre zuvor als Musterschüler Europas galten. Hätte der Staat nicht marode und insolvente Banken auffangen müssen, um das internationale Finanzsystem vor einem Kollaps zu retten, dann stünden viele kriselnde Länder heute sogar besser da als Deutschland. Länder wie Griechenland oder Italien hatten auf der anderen Seite bereits vor der internationalen Finanzkrise hohe Schuldenquoten. Doch auch hier zeigt sich der Einfluss der internationalen Finanzkrise: In Griechenland ist die Staatsverschuldung im Zeitraum von 2001 bis 2007 nur von 103,7% auf 105,4% % des BIP gestiegen, während der Finanzkrise dann allerdings auf 142,8% im Jahr 2010 hochgeschnellt.
Statt aber an den Ursachen der Banken- und Finanzkrise anzusetzen, um die Euro-Krise effektiv und nachhaltig zu lösen, setzt Schwarz-Gelb auf symbolische Pakte gegen zu hohe Staatsschulden. Gerade im Falle Griechenlands verfolgt die Bundesregierung die falsche Krisenbekämpfungsstrategie, denn der starke Anstieg der griechischen Verschuldung während der Finanzkrise ist eng verbunden mit der schlechten Entwicklung der griechischen Wirtschaft. Zur Bekämpfung der griechischen Schuldenkrise wären folglich Maßnahmen zur Bekämpfung der griechischen Rezession notwendig gewesen. Die Forderungen der Bundesregierung nur nach drastischen Ausgabenkürzungen haben jedoch genau das Gegenteil bewirkt und waren krisenverschärfend.
Um es mit Joschka Fischer zu sagen: Der Fiskalvertrag als alleinige Krisenbewältigungsstrategie wirkt wie der Versuch, ein Feuer mit Kerosin zu löschen und bringt die Euro-Zone und Europa so noch näher an den wirtschaftlichen Abgrund.
Wir begrüßen es, dass die Bundesregierung in Sachen Finanztransaktionssteuer offenbar endlich zur Einsicht gekommen ist. Die schnelle Umsetzung ist ein erster Schritt, die Finanzmärkte krisenfester zu machen und auch die Profiteure der Spekulation an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen. Weitere Maßnahmen müssen schnell folgen. Um zu einer verantwortungsvollen Entscheidung zu kommen, definieren wir im Folgenden zentrale Fragestellungen, die in den Verhandlungen um den Fiskalpakt und für unsere mögliche Zustimmung eine wichtige Rolle spielen:
- Der Fiskalvertrag muss ergänzt werden um eine ökologische, soziale und nachhaltige Wachstums- und Investitionsstrategie. Die einseitig auf Ausgabenkürzungen ausgelegte Austeritätspolitik hat in den Krisenländern inzwischen ein Stadium erreicht, in dem weitere Ausgabenkürzungen nur noch tiefer in die Rezession führen, statt tatsächlich einen Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen zu leisten. Anders als die SPD verstehen wir unter Wachstum aber nicht Investitionen in Straßen und Beton, sondern eine gezielt ökologische und soziale Ausrichtung. Ohne Wachstumsimpulse wird sich die wirtschaftliche Lage in den Krisenstaaten nur noch weiter verschlechtern.
- Viele Krisenstaaten befinden sich in einer Abwärtsspirale – an den Finanzmärkten werden immer höhere Risikoaufschläge verlangt, um den Ländern überhaupt noch Geld zu leihen. So steigt aber auch die Verschuldung dieser Länder immer schneller, was die Konsolidierungsbemühungen noch schwieriger macht. Eine effektive Bekämpfung der Euro-Krise setzt auch voraus, dass der Zinsdruck auf die Krisenländer gemindert wird. Bündnis 90/Die Grünen fordern bereits seit Monaten die Einführung eines Schuldentilgungsfonds für die Euro-Länder. Ein Fiskalpakt ohne gleichzeitige Senkung des Zinsdrucks vergrößert die bestehenden Probleme nur noch, ohne aber eine Lösung oder einen Ausweg für die in Not geratenen Staaten zu bieten.
- Besonders weitreichend ist die Entscheidung über den Fiskalpakt auch deshalb, weil der Vertrag bislang kein Kündigungsrecht für einzelne UnterzeichnerInnen vorsieht. Es ist vorgesehen, den Fiskalpakt innerhalb von fünf Jahren in Europäisches Recht zu überführen. Dabei fordern wir die Beteiligung des Europäischen Parlamentes, um eine größtmögliche demokratische Kontrolle sicherzustellen. Das Haushaltsrecht ist eine der zentralen Gestaltungselemente in einer Demokratie, sie hat Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit in allen politischen Bereichen und darf deshalb nur einem demokratisch legitimierten Parlament gestaltet werden.
- Noch immer ist unklar, welche Auswirkungen der Fiskalvertrag auf die Haushalte und die Konsolidierungsanstrengungen von Ländern und Gemeinden haben wird. Während die Schuldenbremse im Grundgesetz den Ländern bis 2020 Zeit gibt, ihre Haushalte zu konsolidieren und ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, erfordert der Fiskalpakt unmittelbar mit dem Zeitpunkt der Ratifizierung ein gesamtstaatliches strukturelles Defizit von maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nachhaltige Konsolidierungsbemühungen würden so behindert und den bereits jetzt klammen Ländern und Kommunen wird eine zusätzliche Last auferlegt. Aus der Ratifizierung des Fiskalpakts dürfen für Länder und Gemeinden keine zusätzlichen Lasten und kein zusätzlicher Konsolidierungsdruck entstehen. Vor einer Ratifizierung müssen die Durchführungsbestimmungen und die innerstaatliche Umsetzung abschließend geklärt sein. Der Bund muss Sanierungsbeiträge und Korrekturmechanismen, die über die bestehenden Konsolidierungspfade hinausgehen, finanziell kompensieren. Etwaige Strafzahlungen muss allein der Bund übernehmen.
Wir unterstützen die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und die grün-regierten Länder, diese Fragestellungen in den Verhandlungen stark zu machen. Wir unterstützen weiterhin die Forderung der Länder nach Deutschlandbonds zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Zinslast.
Leider konnten wir Grüne es in den Verhandlungen nicht durchsetzen, die Verabschiedung des Fiskalpakts von der Koppelung mit dem ESM zu trennen und mit der notwendigen Ruhe auf die Zeit nach der Sommerpause zu verschieben. Wir begrüßen die Entscheidung des Bundesvorstandes, eine außerordentliche Bundesdelegiertenkonferenz zur Europapolitik und der Entscheidung über den Fiskalpakt einzuberufen, sollte die Ratifizierung doch in den Herbst fallen. Der deshalb für den 24. Juni einberufene Länderrat von Bündnis 90/Die Grünen wird gebeten, sich bei der Entscheidung zum Fiskalpakt an diesen Kriterien zu orientieren.“
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