Mehr flüchtende Menschen als je zuvor erreichen zur Zeit die Bundesrepublik. Insbesondere NRW hat in diesem Jahr eine große Anzahl von Geflüchteten aufgenommen. Seit Anfang September erreichen pro Woche durchgehend mehr als 10.000 asylsuchende Menschen Nordrhein-Westfalen. Laut einem Bericht des Innenministeriums hat das Land NRW im Zeitraum vom 01.01. bis 15.10.2015 insgesamt 201.684 Flüchtlinge in seinen Einrichtungen aufgenommen. Zwar sind bei weitem nicht alle dieser Menschen in NRW geblieben. Doch angesichts der vielen Krisen, Kriege und Konflikte auf der ganzen Welt ist nicht abzusehen, wie sich diese Zahlen in den nächsten Jahren entwickeln werden.
Es kommen Menschen zu uns, die sich gezwungen sahen ihre Heimat zu verlassen und nun Sicherheit und Schutz suchen. Viele von ihnen haben dafür eine lebensgefährliche Reise auf sich genommen, Freund*innen und Familien zurückgelassen und sich immensen Risiken ausgesetzt. Wir haben die humanitäre und menschenrechtliche Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass sie bei uns in Sicherheit sind und angemessen untergebracht und versorgt werden.
Die Große Koalition versucht mit aller Macht eine restriktive und auf Abschreckung ausgelegte Flüchtlingspolitik zu erzwingen. Vor dem Hintergrund der Notsituation der Länder und Kommunen hat die Landesregierung im Oktober 2015 dem Asylpaket und den darin enthaltenen Asylrechtsverschärfungen zugestimmt.
Wir halten die von der Bundesregierung mit Nachdruck betriebene Ausweitung der „sicheren Herkunftsstaaten“ für falsch. Staaten lassen sich nicht per Gesetz für „sicher“ erklären. Stattdessen erschwert die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat den Zugang zu Schutz. Unser Ziel bleibt, das Konstrukt der vermeintlich „sicheren Herkunftsstaaten“ abzuschaffen.
Wir Grüne stehen weiter für eine menschenrechtsorientierte und humane Flüchtlingspolitik und setzen uns auf allen Ebenen dafür ein, bei veränderten politischen Mehrheitsverhältnissen die von der Großen Koalition erzwungenen Verschärfungen zurückzunehmen. Soweit die im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz festgeschriebenen Soll- und Kann-Bestimmungen im Bereich Sachleistungen, Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen oder bei Abschiebungen Spielräume bieten, Härten für die Geflüchteten bei der Unterbringung zu vermeiden, werden wir in Nordrhein-Westfalen eine flüchtlingsfreundliche, humane und respektvolle Handhabe dieser Bestimmungen anwenden. Bei uns wird es keine Status-Verschlechterungen für die Asylsuchenden geben. Weder werden sie länger als notwendig in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben, noch werden in Landeseinrichtungen Sachleistungen anstelle von Bargeld an Geflüchtete verteilt.
Dennoch ist mit den neuen Vorhaben der Großen Koalition deutlich geworden, dass weitere Verschärfungen im Asylrecht drohen. Dem werden wir uns entschieden entgegenstellen. Ebenfalls lehnen wir Transitzonen an den Binnengrenzen ab, weil dadurch Flüchtlingslager im Niemandsland entstehen. Die Diskussion darum hat Politik und Behörden wochenlang gelähmt. Mit nur sehr eingeschränktem Rechtsschutz wird, ähnlich wie im Flughafenverfahren, in wenigen Tagen über das Schicksal von Menschen gerichtet, die auf der Flucht ihren Pass verloren haben oder traumatisiert sind und unter dem Druck der Beamt*innen nicht sprechen können. Die von der EU als rechtswidrig eingestuften Schnellverfahren bieten daher keinen ausreichenden Rechtsschutz. Wir verteidigen die verfassungsrechtlich gebotene Einzelfallprüfung aller Asylanträge, unabhängig davon, aus welchen Herkunftsländern die Antragsstellenden kommen.
Ein Schlüssel zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen liegt in der Beschleunigung der Asylverfahren: Die Menschen müssen schnell Klarheit darüber erhalten, ob sie sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen können oder ob sie unser Land wieder verlassen müssen. Schikanen und Einschränkungen der Menschenwürde für „nicht erwünschte“ Flüchtlinge sind mit unseren Werten nicht zu vereinbaren. Wir benennen Fluchtursachen und fordern deren politische Bekämpfung, wir bieten Geflüchteten Schutz und geben ihnen eine neue Perspektive. Weder das Grundrecht auf Asyl noch Menschlichkeit und Nächstenliebe und Solidarität kennen eine Obergrenze.
Eine weltweite Herausforderung
Es ist falsch zu behaupten, dass die aktuelle Situation nicht vorhersehbar war. Weltweite Krisen, etwa der Bürgerkrieg in Syrien, dauern seit Jahren an. Es war schon länger klar, dass Menschen aus diesen Regionen auch bei uns in Europa Schutz suchen werden. Notwendige Kapazitätserhöhungen, die nun im Eilverfahren erbracht werden müssen, hätten viel früher eingeleitet werden müssen. Laut UNHCR sind weltweit zurzeit 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Es war fahrlässig und naiv, darauf zu vertrauen, dass die Flüchtlinge unter widrigsten Bedingungen in den Nachbarstaaten ihrer Heimatländer bleiben, auch wenn sie keine Perspektive auf eine Rückkehr sehen. Denn gerade für die Nachbarländer hat die Krise enorme soziale, ökonomische und politische Auswirkungen. Trotzdem hat die internationale Gemeinschaft es nicht geschafft, die notwendigen Mittel bereit zustellen, um die betroffenen Regionen zu unterstützen.
Es ist Aufgabe der EU und der UNO, vor Ort gegen die Fluchtursachen vorzugehen und Hilfe zu leisten. Die Agrar-, Wirtschaftsförderungs- aber auch die Handelspolitik der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsstaaten haben einen konkreten, negativen Effekt auf die Länder des Südens. Hier brauchen wir dringend ein Umsteuern hin zu einer Politik des fairen Handels und der globalen Gerechtigkeit, die sich an den Schwächsten weltweit orientiert. Doch gerade vor dem Hintergrund, dass sich die Situation in vielen Krisenregionen der Welt nicht entspannt und wir zeitgleich – durch unser eigenes Verhalten – auf eine globale Klimakrise zusteuern und der Verarmung ganzer Länder Vorschub leisten , dürfen wir Migration und Flucht nicht als lästige Nebenwirkung abtun, die sich irgendwann von selbst erledigen wird. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir auch in den nächsten Jahren einer großen Zahl von Menschen Schutz und Unterkunft gewähren werden.
Sichere Wege nach Europa
Die letzten Monate haben gezeigt, dass die europäische Union durch die aktuelle Krise überfordert ist. Der unsolidarische Grundsatz, dass jeder Flüchtling in dem EU-Land Asyl beantragen muss, das er zuerst erreicht, hat sich als nicht praktikabel erwiesen und beispielsweise in Griechenland zu dramatischen Situationen geführt. Daher lehnen wir das Dublinverfahren ab.
Inzwischen ist dieses sogenannte Dublin-System kollabiert und faktisch außer Kraft gesetzt. Auf eine Alternative wie innereuopäische Verteilungsquoten konnten sich die Staaten bisher nicht in ausreichendem Umfang einigen, auf die akuten Probleme entlang der Balkanroute findet die EU augenscheinlich keine Antwort. Es ist beschämend, dass die Verantwortlichen in der EU hinnehmen, dass sich das Mittelmeer zu einem Massengrab entwickelt hat. Hier stehen vor allem die Mitgliedsstaaten in der Pflicht, nationale Egoismen zu Gunsten einer europäischen Lösung zurück zu stellen. Gerade die deutsche Bundesregierung hat in der Vergangenheit stets Schritte zu einer solidarischen Verteilung blockiert. Die europäische Vergangenheit hat gezeigt, dass nur das Prinzip offener Grenzen zur Friedenssicherung beiträgt. Damit dies gelingen kann, müssen europaweit die Akzeptanz und die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge wachsen. Die Verantwortung muss gerecht zwischen den Mitgliedsstaaten verteilt werden. Darum setzen wir uns dafür ein, dass die EU bisherige Programme der Seenotrettung für Flüchtende weiter ausbaut. Die unzähligen Todesfälle vor Europas Küsten sind für uns GRÜNE nicht mit dem Wert der Menschenwürde vereinbar. Statt Zäunen müssen wir sichere Wege und menschenwürdige Unterbringungen schaffen.
Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, lassen sich weder von Abschreckungsmaßnahmen noch von besser geschützten Grenzen aufhalten. Es ist allein die Frage, ob sie auf der Flucht großen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sind oder ihnen legale Einreisewege zur Verfügung stehen. Das schaffen dieser Wege ist auch das beste Programm gegen Schlepperbanden. Der Bau von Zäunen oder die Aufrüstung von Grenzen hingegen widerspricht der europäischen Idee und ist menschenrechtlich hochproblematisch. Völlig abwegig ist es zudem, auf sogenannte innerstaatliche Fluchtalternativen zu verweisen. Es gibt in Staaten wie Afghanistan faktisch keine dauerhaft sicheren Regionen. Solche Forderungen zeigen die völlig verquere Lageeinschätzung der Bundesregierung.
Das klare Bekenntnis der Bundesrepublik, in dieser Situation nicht die Grenzen zu schließen, sondern Schutz zu bieten, war richtig. Dennoch brauchen wir eine europaweite Strategie, die von Solidarität mit den Flüchtlingen und zwischen den Staaten geprägt ist. Wir brauchen ein neues Verteilungssystem, das sich neben der Größe und Wirtschaftskraft der Aufnahmestaaten auch an den Bedarfen und Interessen der Flüchtlinge ausrichtet. Zudem müssen wir sichere Wege nach Europa schaffen. So könnten im Rahmen der Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerkes Menschen direkt aus den Flüchtlingslagern in Krisenregionen nach Europa kommen, ohne über das Mittelmeer und den halben europäischen Kontinent reisen zu müssen. Für die Menschen, die sich bereits auf der Flucht und auf dem Weg durch Europa befinden, trägt die Europäische Union gemeinsam die Verantwortung.
Außerdem ist es nicht hinnehmbar, dass es auch heute noch Länder in Europa gibt, die Menschenrechte missachten. Wir fordern, dass sich die Bundesregierung außenpolitisch für den Abbau der Diskriminierung und den Ausbau von Minderheitenrechte in Osteuropa und in den Balkan-Staaten engagiert. Insbesondere Antiziganismus, Homo-, Bi- und Transphobie sowie die Ausgrenzung und Verfolgung von und die Gewalt gegen marginalisierte Gruppen stellen nach wie vor ein großes Problem dar. Gerade deswegen muss es auch weiterhin eine Einzelfallprüfung von Asylanträgen für Geflüchtete aus diesen Ländern geben.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Mit bundesweit über 600 gewalttätigen Angriffen auf Flüchtlinge, Unterkünfte und engagierte Bürgerinnen und Bürger in diesem Jahr sehen wir uns einer verheerenden Welle rechter Gewalt gegenüber. Wir GRÜNE fordern eine bessere Aufklärung rechter Gewalt sowie ein aktiveres Vorgehen der Behörden gegen Fremdenfeindlichkeit und Volksverhetzung. Genauso ernst nehmen wir GRÜNE den institutionellen Rassismus, der tagtäglich in Krankenhäusern, Behörden und Schulen stattfindet. Hier wollen wir ansetzen und Aufklärungsarbeit zu einem diskriminierungsfreien Ablauf in den Institutionen leisten. Auch in NRW stellt die PeGiDa Bewegung mit ihren lokalen Ablegern in den letzten Wochen ein gefährliches Sammelbecken von AfD über NPD bis zur Rechten in NRW dar. Besonders hervorgehoben hat sich hierbei die AfD, die rechte Hetze von den Straßen ungekürzt und direkt in den politischen Diskurs einbrachte.Teile der CDU/CSU machen durch ihren Stammtisch-Populismus diese Hetze salonfähig und gießen Öl ins Feuer. Doch dieser Hetze und dem Populismus steht eine nie dagewesene Willkommenskultur und Hilfsbereitschaft entgegen. Dafür möchten wir uns ausdrücklich bedanken.
Das Engagement der vielen Haupt- und Ehrenamtlichen kann staatliche Aufgaben aber nicht dauerhaft ersetzen oder auch nur im jetzigen Maße ergänzen. Ohne die Hilfsbereitschaft und die Unterstützung für die geflüchtete Menschen, die sich an zahlreichen Orten und Bahnhöfen offenbart hat, wäre die aktuelle Situation nicht zu bewältigen. Dieses Engagement müssen wir mehr als „nur“ anerkennen – die Helferinnen und Helfer brauchen Unterstützung. Die Politik darf sich nicht auf dem Engagement der Ehrenamtlichen ausruhen.
Die Hilfsbereitschaft der Menschen in NRW für Flüchtlinge ist beispielhaft. Wir müssen beständig darum ringen, dass es so bleibt. Wir GRÜNE werden bei der Bundesregierung die langfristig erforderlichen finanziellen Mittel und die Optimierung im jetzt bestehenden System einfordern. Damit das Engagement dieser Menschen weiter bestehen bleibt, brauchen auch sie Betreuung und Koordination durch staatliche Stellen. An dem Ausbau dieser Strukturen arbeiten wir auch auf Landesebene.
Die Landesregierung hat mit ihrem runden Tischen zur Flüchtlingspolitik verbindliche Absprachen getroffen und arbeitet eine umfangreiche Agenda nach und nach ab. Im Vergleich zu 2012 hat NRW die Mittel für diesen Bereich mehr als verzehnfacht, massiv neue Stellen vor allem im Bereich des zuständigen Innenministeriums und im Bildungsbereich geschaffen und wird den Kommunen im Jahr 2016 1,95 Milliarden Euro im Rahmen des Flüchtlingsaufnahmegesetzes zur Verfügung stellen.
Wir befinden uns in einer Situation, die unsere Gesellschaft auf eine harte Probe stellt. Immer wieder behaupten Teile unserer Gesellschaft, dass wir die Aufnahme von Geflüchteten in dem aktuellen Ausmaß nicht bewältigen können, da dadurch zu hohe Kosten für Staat und Gesellschaft entstehen würden. Dem halten wir GRÜNE NRW entgegen: Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht, das nicht am wirtschaftlichen Nutzen von Menschen bemessen werden darf und mit allen Mitteln verteidigt werden muss! Wir sind der festen Überzeugung, dass wir das schaffen können und werden. Deutschland wird bunter werden. Von unserer Fähigkeit, Menschen aus anderen Ländern in unserer Mitte willkommen zu heißen und zu integrieren hängt ab, ob die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als Erfolgsgeschichte fortgeschrieben wird oder ob wir überaltern, uns abschotten und den Anschluss verlieren.
In den letzten Jahrzehnten haben wir auf vielen Ebenen für Integration gestritten, uns für die Anerkennung von Berufsabschlüssen oder die Vielfalt und staatliche Gleichbehandlung von Religionen z.B. im Schulunterricht eingesetzt. Diesen Weg müssen wir nun, da viele Menschen zu uns kommen, konsequent weitergehen.
Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir gleichzeitig dafür sorgen, dass keine gefühlte Konkurrenz entsteht zwischen Geflüchteten und denjenigen, die bereits jetzt auf die sozialen Sicherungssysteme angewiesen sind oder Angst vor sozialem Abstieg haben. Gerade jetzt ist eine ambitionierte Sozialpolitik notwendig, ist Teilhabe für jede und jeden und der Zugang zu Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit, Wohnraum, Kultur und Sport notwendig, damit konservative und rechte Parteien und Akteur*innen nicht weiter sozial benachteiligte Gruppen gegeneinander ausspielen können.
Wer nach Deutschland kommt, sucht nicht nur Sicherheit und relativen Wohlstand, sondern auch ein friedliches Zusammenleben, den Schutz von Bürgerrechten und die Möglichkeit zur freien Entfaltung. Im Grundgesetz sind diese Grundsätze festgeschrieben. Es lebt von Menschenwürde, Freiheit, Toleranz und dem Respekt vor den Grundrechten anderer. Es lebt von der Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Gleichstellung von Menschen jeder sexuellen Identität und Antidiskriminierung – aber z.B. auch von der Freiheit, eine Religion auszuüben, sie individuell oder zeitgemäß auszulegen, zu wechseln oder eben auch keiner Religion anzugehören. Diese Grundsätze gelten für alle, die hier leben und leben möchten. Das Grundgesetz und das darin formulierte Grundrecht auf Asyl ist auch Grundlage für die Aufnahme der schutzsuchenden Menschen.
NRW braucht eine Integrationsagenda
Das Land NRW arbeitet an einer einvernehmlichen Lösung mit den Kommunen, um die jetzt bereitgestellten Bundesmitteln und die Zuweisungen des Landes an die Kommunen so zu gestalten, dass diese finanziell deutlich entlastet werden. Von der Bundesregierung erwarten wir, dass sie zukünftig ihrer Verantwortung gerecht wird und die notwendigen Mittel bereitstellt, um eine angemessene Versorgung und Unterbringung vor Ort zu ermöglichen. Dieser zwingend erforderliche Schritt darf nicht als Argument missbraucht werden, um an anderer Stelle im Bundeshaushalt zu kürzen.
Für die Unterbringung der Flüchtlinge müssen vor Ort pragmatische Lösung möglich sein. Dazu gehört der Einsatz von hochwertigen Holzbauten ebenso wie ein funktionierendes kommunales Leerstandsmanagment. Die Verdrängung einkommensschwacher Menschen aus den Großstädten sowie die Gentrifizierung ganzer Stadtbereiche ist ein Trend, dem wir entgegenwirken müssen. Aus diesem Grund streben wir mittelfristig den Neubau von bezahlbarem Wohnbau an. Hier werden wir einen Weg finden, wie wir auch ohne Zersiedlungseffekte die notwendigen Wohnanlangen schaffen und funktionierende Sozialräume aufbauen. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Quartiersmanagement zu – einem Thema, das schon lange auf unserer Agenda steht und das wir nun um eine zusätzliche Perspektive erweitern müssen.
Die Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten sicherzustellen, steht derzeit an erster Stelle und kann vielerorts nur durch provisorische Lösungen gelingen. Dennoch muss das besondere Schutzbedürfnis von Kindern, Frauen und queeren Menschen anerkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Diese Personengruppen sowie unbegleitete Minderjährige, brauchen so schnell wie möglich Rückzugsmöglichkeiten, sichere Räume und geschulte Ansprechpartner*innen. Provisorien, die jetzt eingerichtet werden, dürfen keine Dauerlösung werden.
Über die Fragen der Unterbringung hinaus brauchen wir auf Landes- und auf Bundesebene eine Integrationsagenda, die es ermöglicht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren und den Menschen, die zu uns kommen einen Weg in die Gemeinschaft zu ebnen.
Nordrhein-Westfalen hat eine lange Geschichte als Einwanderungsland. Wir können aus den guten wie schlechten Erfahrungen der Vergangenheit lernen und wissen, das Integration nur gemeinsam gelingt. Aus diesem Grund haben wir in den vergangene Jahren kommunale Integrationszentren geschaffen und die Selbstorganisation der Migrant*innen gestärkt. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen.
Fluchtgründe und die Flucht selbst hat viele Flüchtlinge traumatisierte. Menschen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen brauchen Stabilisierungs- und Therapieangebote um Bildungs- und Integrationsangebote erfolgreich nutzen können. Das Land hat schon mit dem Haushalt 2015 Mittel bereit gestellt um erste Angebote bezogen auf traumatisierte Frauen über die Gewaltschutzstrukturen aufzubauen. Dies ist in vielen Kommunen gelungen. Jetzt werden Senibilisierungs- und Qualifizierungssysteme, Peer to Peer Projekte, spezielle Angebote für Kinder entwickelt.
Aus grüner Sicht ist vor allem der Zugang zu Sprache und Bildung der Weg in die Gesellschaft. Viele der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, sind jung und haben ihr Berufsleben noch vor sich. Das Land NRW hat reagiert und die Mittel für über 3.500 zusätzliche Lehrerstellen bereitgestellt, um Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, zur Schule zu gehen und zu lernen. Auch den schulpsychologischen Dienst haben wir gestärkt um den besonderen Anforderungen der aktuellen Situation gerecht zu werden. Der Haushaltsentwurf 2016 sieht weitere 2093 neue Lehrerstellen und 20 Stellen für Schulpsycholog*innen vor.
Individuelle Förderung ist und bleibt der Schlüssel zu Chancengerechtigkeit für jeden in NRW. So fördern wir zugewanderte Schüler*innen ebenso wie alle anderen. Eine bewusste Demokratiebildung stärkt unsere Kinder und unsere Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit Rassismus und sonstiger gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Wir wissen, dass viele Geflüchtete nicht über eine abgeschlossen Bildungsbiographie verfügen, auch wenn sie bereits älter als 18 Jahre sind. Diesen Menschen wollen wir den Weg in Weiterbildungsmöglichkeiten öffnen, damit auch sie ihre Schul-, Berufs oder Universitätsbildung abschließen können.
Einige Universitäten öffnen inzwischen ihre Tore und akzeptieren auch Asylsuchende als Gasthörer*innen. Über diese Möglichkeit hinaus wollen wir die Voraussetzungen schaffen, begonnen Studiengänge direkt an deutschen Hochschulen fortzuführen, auch dann, wenn nach einer langen Flucht keine vollständige Dokumentation des Bildungsweges mehr vorliegt.
Das gleiche gilt für die Anerkennung von Berufsqualifikationen – unser duales Ausbildungssystem bietet die Vorraussetzungen, um die Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Menschen einzuordnen und zu einem Abschluss zu führen, selbst dann wenn keine Zeugnisse vorliegen oder eine Ausbildung nach anderen Standards erfolgt ist, als sie bei uns Anwendung finden.
Eine gelungene Integration beginnt jedoch lange vor der Schulzeit und Berufsausbildung. Deshalb ist es wichtig, neben Schule und Ausbildung auch den Bereich der frühkindlichen Bildung in den Blick zu nehmen und möglichst vielen Flüchtlingskindern den Weg in die Kitas zu öffnen, um dort die Kinder bei gleichbleibender Qualität zu betreuen und zusätzliche Sprachfördermaßnahmen zu ermöglichen. Wer gemeinsam aufwächst, kann später ohne Berührungsängste miteinander die Gesellschaft gestalten.
Dies alles wird nicht ohne weitere finanzielle Mittel gelingen, aber diese Gelder sind gut investiert. Wir setzen uns deshalb ein, verstärkt auch Fördermittel der Europäischen Union in Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge zu investieren. Deshalb werden wir uns im Land wie auch vor Ort für solche Projekte stark machen, denn von einer erfolgreichen Integration profitieren am Ende alle.
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