Landesregierung

100 Tage Schwarz-Gelb in NRW: Fehlstart in entscheidenden Zukunftsfeldern

Nach 100 Tagen schwarz-gelber Landesregierung in NRW ziehen die NRW-GRÜNEN Bilanz. Dazu erklären Mona Neubaur, Vorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN NRW, und Arndt Klocke, Vorsitzender der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

Mona Neubaur:

„100 Tage Schwarz-Gelb: Das war ein Fehlstart in entscheidenden Zukunftsfeldern. Wirtschaftspolitik 2017 muss den Leitlinien folgen, mit der Natur zu wachsen und nicht gegen sie. Wer das ignoriert, riskiert zukunftsfeste und neue Arbeitsplätze in Industrie und Mittelstand. Schwarz-Gelb bremst die Wachstumsbranche Windenergie ideologisch aus und gefährdet mit bürokratischen Auflagen zehntausende Arbeitsplätze. Gleichzeitig präsentiert sich Laschet ungeniert als Kohle-und Agrarlobbyist, will in Brüssel höhere Grenzwerte für giftige Abgase aus Kohlekraftwerken durchsetzen und in NRW eine Begrenzung von Nitrat im Trinkwasser verhindern. Umweltverbände laufen zu recht bereits Sturm gegen diese Politik.

Mit Kritik an Grünen Ideen zum Schutz von Natur und Gesundheit spart der Ministerpräsident derzeit nicht – selbst hat er es versäumt, beim Dieselgipfel etwas für den Schutz Gesundheit der Menschen rauszuholen. Stattdessen klammert er am Technikdinosaurier Diesel und glaubt weiterhin, mehr Straßen würden zu weniger Stau führen. Dabei hat sein Verkehrsminister das zentrale Wahlversprechen, es würde weniger Stau geben, längst einkassiert. Und dass Laschet Massentierhaltungsministerin Schulze-Föcking weiterhin die Verantwortung für den Tierschutz in NRW überlässt, ist schlichtweg unfassbar.“

Arndt Klocke:

„CDU und FDP haben sich im Wahlkampf mit schier uneinlösbaren Versprechen überboten. Ob Verkehrsstau oder Wohnungsnot, Schule oder Sicherheit – so zu tun, als könne man strukturelle Realitäten ausblenden, fällt den Koalitionären schon in den ersten 100 Tagen schwer auf die Füße. Hinzu kommt ein Koalitionsvertrag, bei dessen Erarbeitung kundige Finanzpolitiker beider Seiten augenscheinlich nicht erwünscht waren. Anders lässt sich nicht erklären, warum die milliardenschwere Wünsch-Dir-Was-Liste nicht seriös gegenfinanziert ist. Dieses Haushalts-Harakiri wird zur politischen Bürde der Landesregierung. Wir erwarten mit Spannung die anstehenden Haushaltsberatungen. Hier wird Schwarz-Gelb finanzpolitisch endlich Farbe bekennen müssen.

Mit den ersten 100 Tage Schwarz-Gelb kann weder das Land noch die Landesregierung zufrieden sein. CDU und FDP legen einen Stolperstart hin. Zum fehlenden politischen Instinkt bei der Kabinettsbesetzung kommt die fehlende politische Vision. Bis jetzt ist nicht klar, wo beide Parteien das Land in fünf Jahren sehen wollen. Deutlich wurde nur, dass die Koalitionäre davon getrieben sind, möglichst viele Errungenschaften der Vorgängerregierung, wie zum Beispiel beim Mieterschutz, der Kennzeichnungspflicht oder der Frauenförderung, zurückzudrehen.“

Hintergrund

NRW-Koalition: So viel Versprechen war nie. Schon im Wahlkampf machten Schwarz-Gelb Heilsversprechungen, in den Koalitionsverhandlungen ging es weiter. Die „NRW-Koaliton“ präsentierte sich als Modernisierungspartnerschaft, als etwas ganz neues. Grund genug für BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, Schwarz-Gelb genau unter die Lupe zu nehmen und sie beim Wort zu nehmen:

Fehlstart in Zukunftsfeldern: 100 Tage Schwarz-Gelb aus Grüner Perspektive:

+++ 20. September 2017: Erstes Zeugnis nach 80 Tagen: Umweltschutzverbände BUND und NABU geben schwarz-gelb ein „mangelhaft“ – mit Natur- und Umweltschutz gehe es„steil bergab“

+++ 05. September 2017: Das Kabinett beschließt einen Nachtragshaushalt für 2017. Schwarz-gelb will 1,5 Milliarden Euro mehr Schulden aufnehmen, als die rot-grüne Landesregierung es geplant hatte.

+++31. August 2017: 61 Unternehmen aus NRW wenden sich in einem Brandbrief an die Landesregierung: 18.500 Arbeitsplätze seien gefährdet, wenn sich die Landesregierung nicht eindeutig zur Windbranche bekenne.

+++ 18. August 2017: Ministerpräsident Armin Laschet ruft gemeinsam mit einigen anderen Ministerpräsidenten die Bundesregierung dazu auf, gegenEU-Auflagen für Kohlekraftwerke zu klagen. Diese betreffen Grenzwerte für gesundheitsgefährdende Stoffe wie Quecksilber, Schwefeloxid und Stickoxid.

+++ seit Juli 2017: Nach einem Stern-TV Beitrag über verheerende Zustände in einem Schweinestall, der bis vor kurzem der Tierschutzministerin Schulze-Föcking gehörten, steht die Ministerin in der Kritik von Tierschutzverbänden. Eine Anzeige wurde bisher abgewiesen. GRÜNE bezweifeln die Eignung Schulze-Föckings als Tierschutzministerin weiterhin.

+++ 07..Juli 2017: Laut einer WWF-Studie ist der Koalitionsvertrag von CDU und FDP in NRW mit den gesamtdeutschen Klimazielen unvereinbar. “NRW torpediert Deutschlands Klimaziele” schlussfolgert der Umweltverband.

+++ 26. Juni 2017: Der schwarz-gelbe Koalitionsvertrag wird unterschrieben. Grüne kritisieren das Ende einer ambitionierten Klimapolitik, insbesondere die Ausweitung der Abstandsregelung für Windkraft, die diese Zukunftsbranche massiv einschränken wird. Ebenfalls in der Kritik: Studiengebühren für ausländische Studierende, Drosselung des Breitbandausbaus, fehlender Schutz vor Nitratbelastung im Grundwasser. Wie Wahlversprechen finanziert werden sollen, ist ebenfalls unklar.

Hier hat Schwarz-Gelb seine Versprechen bereits gebrochen:

Mehr statt weniger Stau: “Wir wollen, dass die Menschen in unserem Land nicht ständig im Stau stehen.“ sagte Armin Laschet auf dem CDU-Parteitag am 1. April 2017. Am 11. Juli, nur 101 Tage später, sagte sein neuer Vekehrsminister Hendrik Wüst dem WDR: „Ich kann nicht versprechen, dass es in dieser Wahlperiode besser wird“. Im Interview mit der kölnischen Rundschau setzt Wüst sogar noch einen drauf: „Wenn wir bauen, heißt das mehr Baustellen, und das heißt erst einmal auch mehr Staus.“ Mehr Stau statt weniger – das ist die schwarz-gelbe Realität.

Neue Schulden statt Konsolidierung: Im Wahlkampf versprach die CDU noch: NRW wird nicht mehr Geld ausgeben. Wo an der einen Stelle mehr Geld ausgegeben wird, muss an der anderen Stelle gespart werden. „Bei notwendigen Mehrausgaben in den Bereichen Bildung, innere Sicherheit und Zukunftsinvestitionen ist strikt darauf zu achten, dass ihre Finanzierung durch Einsparungen an anderer Stelle dauerhaft gesichert ist“. Bei der FDP sah man das noch ein Stück krasser und man sprach von großzügigen Streichungen: „In allen Ministerien sollen Ausgaben gestrichen werden, die nicht unbedingt notwendig sind“. Jetzt ist klar: Der Schwarz-Gelbe Koalitionsvertrag wird rund 3 Milliarden Euro kosten. Doch wo das Geld herkommen soll, sagen CDU und FDP nicht.

Keine Schuldenbremse in der Verfassung „Wir wollen eine Schuldenbremse in der Landesverfassung“ schreibt die CDU in ihrem Wahlprogramm. Auch die FDP will die Schuldenbremse: „Wie im Grundgesetz wollen wir auch in der Landesverfassung ein Schuldenverbot ab dem Jahr 2020 verankern“. Jahrelang hatten CDU und FDP Rot-Grün dafür kritisiert, die Schuldenbremse zwar einhalten zu wollen, aber ohne sie in die Verfassung aufzunehmen. Nach der Wahl hat Schwarz-Gelb Angst vor der eigenen Courage, im Koalitionsvertrag steht nur noch: „Wir werden die Schuldenbremse einhalten.“

Verlangsamter Ausbau von Glasfaser: Besonders der FDP war die Forderung wichtig, dass alle Gewerbegebiete sehr schnell mit Glasfaser ausgestattet werden. Rot-Grün hatte dafür einen Plan aufgestellt und wollte das Vorhaben bis Ende 2018 erreicht haben. Jetzt hätte man erwarten können, dass CDU und FDP nach den Wahlkampf-Versprechen in ihrem Koalitionsvertrag noch eins drauf legen. Das Gegenteil ist der Fall: CDU und FDP geben das rot-grüne Ziel, bis Ende 2018 alle Gewerbegebiete mit Glasfaser zu versorgen, sogar komplett auf – im Koalitionsvertrag ist nur noch von einem „schnellstmöglichen“ Anschluss die Rede, ohne konkrete Frist. Start-ups und etablierte Mittelständler gerade im ländlichen Raum müssen also warten. Schwarz-Gelb ist unfähig zum Update. Eigene Akzente des selbsternannten Digitalministers fehlen komplett.

Einführung von Studiengebühren: Beim Thema Studiengebühren änderte die CDU schon häufig ihre Meinung. In der schwarz-gelben Regierung von 2005 bis 2010 führte man Studiengebühren ein – und wurde abgewählt. Danach wollte die CDU wieder Studiengebühren, dann doch nicht. Im ersten Entwurf des Wahlprogramms 2017 standen dann wieder Studiengebühren – am Ende versprach die CDU aber: „Studiengebühren lehnen wir ab“. Die Realität sieht jedoch so aus: CDU und FDP werden Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer einführen. Die CDU hat ihr Wahlversprechen also eindeutig gebrochen. Und auch die FDP bekleckert sich hier nicht mit Ruhm. Im März 2017 stellte die FDP im Landtag noch fest, dass Studiengebühren für EU-Ausländer „Ausländer diskriminieren“ (Drucksache 16/14501). Und nun macht die FDP also mit – obwohl sie weiß, dass diese Gebühren diskriminierend sind.

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