LDK-Beschluss

Stahlstandort Nordrhein-Westfalen stärken

Stahlstandort Nordrhein-Westfalen stärken

Nordrhein-Westfalen ist der größte Standort der deutschen Stahlindustrie. Diese ist ein wichtiger Werkstofflieferant für die Wirtschaft in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Klimafreundliche, innovative und wettbewerbsfähige Stahlproduzenten sind unverzichtbar für die ökologische Modernisierung der Industrie. In der nordrhein-westfälischen Stahlindustrie sind rund 46.000 Menschen beschäftigt. Hinzu kommen tausende Beschäftigte bei Zulieferern und Dienstleistern.Allerdings ist die Situation auf dem Stahlmarkt angespannt. Die europäische Stahlindustrie leidet schon seit Jahren unter Überkapazitäten. Die Lage hat sich für die Branche aber insbesondere dadurch weiter verschärft, dass es in Russland und China massive Überkapazitäten gibt und beide Länder ihren subventionierten Stahl zu einem Preis auf den Weltmarkt drücken, der weit unter den Herstellungskosten liegt. Stahlerzeugnisse aus hocheffizienten deutschen und europäischen Anlagen werden so vom Markt verdrängt. In China bläht sich gleichzeitig eine bedrohliche Verschuldungsblase auf. Die Europäische Kommission berichtete immer wieder von unlauteren Handelspraktiken – von fairen Wettbewerbsbedingungen kann keine Rede sein.

Fusion Thyssen/Tata: 2.000 Arbeitsplätze in NRW, die Montanmitbestimmung und Steuereinnahmen werden wegfallen!

Der hohe Druck dem die Stahlindustrie seit Jahren ausgesetzt ist, hat nun auch in NRW zu Konsequenzen geführt: Nachdem es schon zu einer Fusionsspirale auf dem chinesischen Markt kam, zieht nun der europäische Markt nach. Die Geschäftsleitungen von ThyssenKrupp und Tata Steel haben ohne Abstimmung mit der Arbeitnehmerseite durch ein Memorandum of Understanding (MoI) einen Fusionsprozess eingeleitet, durch den nun auch Nordrhein-Westfalen direkt betroffen ist. Auch wenn die IG Metall kurz vor Weihnachten eine Vereinbarung erreichen konnte, mit der eine Beschäftigungssicherung und der Erhalt der meisten Standorte in NRW bis zum September 2026 gesichert werden soll, bleibt es beim „sozialverträglichen Abbau“ von 2.000 Arbeitsplätzen. Bis Anfang Februar läuft nun die Abstimmung aller Beschäftigten an allen Standorten über die Annahme dieser Vereinbarung.Nicht verhindert werden konnte auch, dass der Sitz des neuen Unternehmens Amsterdam anstatt des bisherigen Standortes Duisburg werden soll. . Die Verlagerung des Hauptsitzes nach Amsterdam hat negative Folgen für die Arbeits- und Ausbildungsplätze, die Montanmitbestimmung und perspektivisch für die Steuereinnahmen in NRW und in der Bundesrepublik.Trotz all dieser Folgen war vom Ministerpräsidenten und seinem Wirtschaftsminister wenig und schon gar nichts Konkretes zu hören. Bezeichnend war auch die scharfe Kritik der IG Metall, die zu recht darauf hinwies, dass es der Unterstützung der Landesregierung auf allen Ebenen, auch in der Stiftung, bedurft hätte um die Verlagerung des Hauptsitzes mit den negativen Folgen für die Montanmitbestimmung und die Steuereinnahmen abzuwenden.
Wir GRÜNE in NRW stehen in dieser Frage auch deshalb an der Seite von Gewerkschaften, Betriebsräten und Auszubildendenvertretungen bei ThyssenKrupp. Und wir fordern die Landesregierung auf, sich endlich deutlich an die Seite der Beschäftigten zu stellen!

Europa muss Innovationsstandort einer ökologischen Stahlproduktion sein!

Wir Grünen in NRW werden uns für den Erhalt einer nachhaltigen, innovativen und wettbewerbsfähigen Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen einsetzen, um unter Berücksichtigung der Klimaschutzverpflichtungen aus dem Abkommen von Paris eine umweltfreundliche und klimaneutrale europäische Stahlproduktion zu ermöglichen und fairen internationalen Wettbewerb zu sichern. In der Vergangenheit hat die Stahlindustrie bereits wichtige Fortschritte in Bezug auf Ressourceneffizienz und CO2-Reduktion gemacht. Zukünftig muss an diesem Reduktionspfad festgehalten werden.

Für uns ist klar: Ohne eine ambitionierte Klimaschutzpolitik gibt es keine dauerhafte Lösung für die Probleme der nordrhein-westfälischen und der europäischen Stahlindustrie. Der Emissionshandel ist nicht der Verursacher der aktuellen Herausforderungen der Stahlindustrie. Im Gegenteil: Eine engagierte Klimaschutzpolitik, Energiewende und die ökologische Modernisierung brauchen intelligente Stahlprodukte für Windkraftanlagen, Gebäudesanierung, nachhaltige Mobilität und Verkehrsinfrastruktur.

Auch die Stahlbranche muss ihren Beitrag zum Klimaschutz und zur Umsetzung des Klimaschutzabkommens von Paris leisten. Auch wenn bei den klassischen Verfahren der Stahlerzeugung noch erhebliche Effizienzpotenziale zu heben sind, werden diese nicht ausreichen, um im Jahr 2050 eine weitgehend CO2-neutrale Stahlproduktion zu realisieren. Hier ist die Branche gefragt im Rahmen einer ökologischen Modernisierung auf neue Verfahren und Technologien zu setzen und den Standort Deutschland somit langfristig zu sichern. Den Weg in die emissionsfreie Zukunft weisen Verfahren, die z.B. auf den Ersatz von klimaschädlichem Koks und Kohle durch Biogas oder regenerativ erzeugten Wasserstoff setzen oder die Nutzung von erneuerbar erzeugtem Strom zur Elektrolyse von Eisenerzen in Metall. Kurz- und mittelfristig sind Projekte, wie das in Duisburg angestoßene Carbon2Chem wichtig, bei dem u.a. Strom aus erneuerbaren Energien als Energiequelle genutzt wird. In 15 Jahren kann so am Standort Duisburg CO2-neutral Stahl produziert werden. Die Stahlindustrie wurde auf diesem Weg seitens der Politik und der öffentlichen Hand unterstützt und wir Grüne wollen ihr die Zeit verschaffen, die ökologische Modernisierung auch umsetzen zu können. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Stahlbranche von 2005 bis 2012 von der Ausgestaltung des Emissionshandels profitiert und insgesamt Emissionszertifikate im Wert von 5,3 Mrd. Euro kostenlos erhalten hat. Mindestens bis 2020 besteht durch die Überausstattung mit Zertifikaten zudem kein Zukaufbedarf an Emissionszertifikaten. Hinzu kommen jährlich zweistellige Millionenhilfen in Form einer Strompreiskompensation aus den Ersteigerungserlösen des Emissionshandels bei gleichzeitig sinkenden Industriestrompreisen aufgrund des Ausbaus der erneuerbaren Energie.

Wir fordern die Landesregierung NRW auf, sich für eine nationale und europäische Stahl-Strategie einzusetzen. Diese Strategie muss das Ziel haben, Europas Stahlindustrie zum Technologieführer in Sachen Emissionsminderung, Energie- und Materialeinsparung, Recycling und Sektor übergreifende Kooperationen, zum Beispiel mit der Chemieindustrie, zu machen. Investitionen in Forschung und Entwicklung sollten sowohl aus den nationalen Budgets als auch vom Europäischen Investitionsfonds (EFSI) gefördert und an die genannten Ziele gekoppelt werden.

Hohe Umwelt- und Sozialstandards zum Kern der europäischen Handelspolitik machen!

Notwendig ist auch eine effektive Anwendung handelspolitischer Schutzinstrumente. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW kann nicht ihre Augen davor verschließen, mit welchen Bandagen auf den internationalen Märkten gekämpft wird. Neben ihren zahlreichen positiven Auswirkungen, kann sich die Globalisierung auch in einem Wettbewerb nach unten bei Arbeitsbedingungen und Umweltschutz äußern. Europäische Unternehmen, die Wert auf die Einhaltung von Standards legen, können so das Nachsehen haben – genauso wie Arbeitnehmer und Umwelt. Sie müssen daher wirksam geschützt werden.

Statt weiterhin blind an einer neoliberalen Handelspolitik festzuhalten, sollte sich die nordrhein-westfälische Landesregierung aus CDU und FDP für Handelsverträge stark machen, die klar auf starke Umwelt- und Sozialstandards, auch in Produktionsprozessen setzen.

Nach der Anerkennung des Marktwirtschaftsstatus für China Ende 2016, gingen der Europäischen Union wichtige Dumpingmaßnahmen gegen chinesische Produzenten verloren. Es ist wichtig, dass sich die Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf eine neue Verordnung einigen konnten, die schnelle Antidumpingmaßnahmen ermöglicht, und konform mit dem WTO-Recht ist.

Es ist zudem ein Erfolg Grüner Politik im Europaparlament,  dass künftig in der europäischen Handelspolitik, die Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und die Standards der multilateralen Umweltabkommen zu Kriterien werden an denen Marktverzerrung gemessen werden kann. Nur wenn soziale und ökologische Mindeststandards von allen Unternehmen erfüllt werden, die ihre Produkte auf dem europäischen Markt verkaufen, kann fairer Wettbewerb stattfinden, der nicht zulasten von Mensch und Umwelt geht.

Eine Weiterentwicklung des internationalen Wettbewerbsrechts ist nötig!

Zudem fordern wir Grünen in NRW eine Debatte um eine Fortentwicklung des internationalen Wettbewerbsrechts. Zu oft mussten wir in der Vergangenheit beobachten, dass große europäische Konzerne ihre Fusionsentscheidungen damit begründen, dass sie auf Fusionswellen auf anderen nicht-europäischen Märkten reagieren müssen um wettbewerbsfähig zu bleiben. Damit steigt die globale Marktkonzentration in vielen Branchen relevant. Zu beobachten war dies in jüngster Zeit nicht nur im Stahl-Sektor, sondern zum Beispiel auch auf den Märkten für Saatgut und Pestizide.

Solche weltweiten Fusionsspiralen können erhebliche negative Folgen haben: Für die Verbraucher*innen, die mit reduzierter Auswahl, schlechtere Qualität oder steigenden Preisen konfrontiert sind, für Arbeitnehmer*innen, denen Jobverlust oder eine Schwächung von Mitbestimmungsrechten drohen, aber auch für eine ambitionierte Umwelt- und Sozialgesetzgebung, die mit dem Argument der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unter Druck gerät.

Das europäische und auch nationale Wettbewerbsrecht hat sich in der Vergangenheit als effektives Instrument bewährt, um Marktmacht auf den europäischen oder nationalen Märkten zu begrenzen. Es besteht allerdings ein Reform- und Weiterentwicklungsbedarf um den Herausforderungen einer zunehmenden globalen Marktkonzentration und entsprechend agierenden Konzernen angemessen entgegen treten zu können. Statt also Entwicklungen, wie der auf dem internationalen Stahlmarkt, konzeptlos zuzuschauen, fordern wir die schwarz-gelbe Landesregierung auf, tätig zu werden, und gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Kommission eine Weiterentwicklung des globalen Wettbewerbsrechtes einzufordern. Wettbewerbsbehörden müssen die Kompetenz haben, auch auf Fusionswellen außerhalb des europäischen Marktes angemessen zu reagieren. Hier ist es von Bedeutung sowohl die Möglichkeiten der Anwendung bestehenden europäischen Rechts auf internationale Zusammenschlüsse zu prüfen, als auch neue internationale Institutionen mit weitreichenden Kompetenzen, oder die Verankerung globaler Wettbewerbsfragen im Rahmen von Handelsverträgen, näher zu beleuchten.

Beschlossen auf der LDK vom 20.01.18

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