Der Wirkstoff Glyphosat, der in den 1970er Jahren von Monsanto in Produkten mit dem Namen Roundup auf den Markt gebracht wurde, ist mengenmäßig weltweit das bedeutendste Pflanzenvernichtungsmittel. In Deutschland findet er sich in über 100 zugelassenen Produkten. Jährlich werden in Deutschland 5.000 bis 6.000 Tonnen Glyphosat eingesetzt, davon knapp 100 Tonnen von nicht-beruflichen Anwender*innen, also z.B. in der Verwendung im eigenen Hausgarten, und der überwiegende Rest in der Landwirtschaft (1; Quellenangaben am Ende des Textes). Dem Umweltbundesamt zufolge wird auf rund 40% der Felder mindestens einmal jährlich Glyphosat gespritzt, beim Raps sind es sogar rund 90%. Als Totalherbizid tötet Glyphosat fast alle grünen Pflanzen, die damit in Berührung kommen. Die Ausnahme sind solche Pflanzen, die von Herstellern wie Monsanto so gentechnisch verändert wurden, dass sie gegenüber Glyphosat resistent sind. Zudem hat der intensive Gebrauch der letzten Jahrzehnte dazu geführt, dass auch immer mehr Beikräuter, also das eigentliche Ziel von Glyphosat, Resistenzen entwickelt haben.
Auswirkungen von Glyphosat auf Mensch, Tier und Umwelt
Diese breite und unspezifische Wirkung von Glyphosat führt auch dazu, dass es nicht nur auf Pflanzen wirkt. Neben der viel diskutierten Erhöhung des Krebsrisikos sind zahlreiche schädliche Wirkungen auf Bakterien, Tiere und Menschen belegt (2). Diese allein sollten ausreichen, um Glyphosat und andere Herbizide mit ähnlichen Wirkungen aus dem Verkehr zu ziehen.
Glyphosat und andere weitverbreitete Herbizide (wie 2,4-D und Dicamba) wirken auf eine Reihe von Bakterien, die im Boden aber auch in der natürlichen Bakterien-Flora in Menschen und Tieren zu finden sind. Hersteller Monsanto hat deshalb Glyphosat als Antibiotikum patentieren lassen (3). Bakterien sterben bei hohen Dosen ab, entwickeln aber schon bei geringen Dosen Resistenzen gegen Glyphosat. Aufgrund der Ähnlichkeit der Mechanismen der Resistenzentstehung können diese Bakterien dann nicht nur gegen Glyphosat resistent sein, sondern auch gegen bestimmte Antibiotika. Schon heute kosten bakterielle Antibiotika-Resistenzen tausende Menschenleben, weil Antibiotika nicht mehr wirksam sind. Zudem führt die, im Gegensatz zu Pflanzen, selektive Wirkung auf einen Teil der Bakterien-Arten dazu, dass das natürliche Gleichgewicht gestört wird und sich krankheitserregende Bakterien ausbreiten können (4). Diese Wirkung von Glyphosat und anderen Herbiziden auf Bakterien wird systematisch unterschätzt und bisher nicht bei der Risikobewertung mit einbezogen.
Doch neben dieser indirekten Wirkung, schädigt Glyphosat auch Mensch und Tier direkt. Zahlreiche Krankheiten von Menschen und Tieren wurden bisher mit Glyphosatnutzung in Verbindung gebracht, darunter Nierenschäden, Hautkrankheiten, neurologische Schäden und ein erhöhtes Krebsrisiko. Auf dieser Grundlage hat auch die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” bewertet. Ganz besonders ernst scheint die Lage in einigen Ländern Südamerikas, in denen hohe Dosen Glyphosat ohne ausreichenden Schutz und in direkter Nähe zu Dörfern in Schulen angewendet werden. Doch hier fehlen systematische Studien, um die Schäden genauer zu erfassen. Bedenklich ist, dass auch in Deutschland fast jeder zweite Mensch nachweisbare Mengen Glyphosats im Blut hat, vor allem durch belastetes Trinkwasser und Nahrungsmittel (2). Welche Auswirkungen diese chronische Vergiftung mit Glyphosat genau hat, ist noch unklar, doch bei den zahlreichen beschriebenen Effekten, muss das Vorsorgeprinzip greifen und Glyphosat raus aus der Umwelt.
Aber auch die Insekten- und Pflanzenwelt nimmt durch Glyphosat großen Schaden. Dort wo Glyphosat eingesetzt wird, wachsen keine Wildkräuter mehr, was bei großflächigem Einsatz dazu führt, dass unsere heimischen Insekten kaum noch Futter finden. Und so wirken sich neben den bekannten Insektiziden (z.B. aus der Gruppe der Neonikotinoide) auch Glyphosat und andere Herbizide negativ auf unsere Artenvielfalt aus. Auch Bodenorganismen wie Regenwürmer leiden unter Glyphosat und werden weniger aktiv (5). Untersuchungen zeigen klar, dass sich Glyphosat beim mehrjährigen Anwendungen im Boden anreichert oder in Gewässer und Grundwasser ausgespült wird (2). Da Glyphosat und das Abbauprodukt Mineralstoffe bindet, haben die Pflanzen Probleme Eisen, Mangan oder Zink aufzunehmen. Damit hat Glyphosat tiefgreifende Auswirkungen auf das für die nachhaltige Landwirtschaft so entscheidende Leben auf und im Acker. Aufgrund des nachgewiesenen Artenverlustes durch Glyphosat fordern zwei Bundesbehörden (Umweltbundesamt und Bundesamt für Naturschutz) den Ausstieg aus der Glyphosat-Nutzung.
Dass trotz dieser verheerenden Auswirkungen Glyphosat immer noch großflächig eingesetzt wird, hängt auch an der Art und Weise, wie diese Risiken von den Zulassungsbehörden eingeschätzt werden.
Streit um die Risikoeinschätzung offenbart grundlegende Probleme im Zulassungsverfahren
Nach wie vor bescheinigen die für die Zulassung in Europa verantwortlich Behörden, die Europäische Nahrungsmittelsicherheitsbehörde (EFSA) und das deutsche Bundesamt für Risikobewertung (BfR) Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung keine gesundheitlichen Risiken, die einer Verlängerung der Zulassung im Wege stünden.
Dagegen spricht die Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur IARC, die Glyphosat als “wahrscheinlich krebserregend” klassifiziert, und die große Zahl unabhängiger und öffentlicher Studien, die klar weitere signifikante Risiken von Glyphosat beschreiben und oben diskutiert sind.
Wieso die Behörden Glyphosat so unterschiedlich beurteilen, hängt auch mit dem europäischen Zulassungsverfahren zusammen. Dieses Verfahren, dem auch das deutsche BfR folgt, bezieht bei der Zulassung neben unabhängigen Studien auch firmeneigene, oft geheime, nicht-öffentliche Studien der Industrie ein, während die IARC nur öffentlich zugängliche und wissenschaftlich-geprüfte unabhängige Studien zur Risikobewertung zulässt. Diese intransparente Praxis ist ein Geschenk für die Unternehmen, deren Gewinne vor Sicherheit gehen, und muss endlich beendet werden.
Das massive Artensterben und das Gesundheitsrisiko für die Bürger*innen verlangen klares Handeln.
Während EU-Kommission, Bundesregierung und Landesregierung das Vorsorgeprinzip missachten und sich einer wirkungsvollen Strategie zur Herbizid-Reduktion verweigern, handeln inzwischen immer mehr Kommunen: Bereits 210 Städte und Gemeinden in Deutschland verzichten auf Glyphosat und andere Pestizide bei der Pflege ihrer Grün- und Freiflächen – so hat es der BUND gezählt (6). Aber auch regionale Initiativen, Lebensmittelhersteller, Handelsketten und Baumärkte haben die Initiative ergriffen und Glyphosat aus ihren Produkten verbannt.
Zum Schutz unserer Gesundheit und der unserer Kinder sowie zum Schutz unserer Böden, Gewässer und unserer Tier- und Pflanzenwelt fordern wir die Landesregierung, Kommunen und Verbände in NRW auf, sofort folgende Maßnahmen zu ergreifen:
1. Auf allen öffentlichen und allen privaten nicht-landwirtschaftlich genutzten Flächen in NRW (in Privatgärten, Stadtparks, auf Friedhofsflächen, in Gewerbegebieten, auf Vereinsflächen und Kirchengrundstücken u.ä.) darf kein Glyphosat mehr eingesetzt werden. Auch der Einsatz anderer Herbizide ist bis auf wenige Notfallanwendungen, bspw. zur Verhinderung akuter Beeinträchtigung von Ökosystemen oder der Ausbreitung von Giftpflanzen, zu untersagen. Das Land NRW muss sich hier auch für die entsprechenden Gesetze auf Bundes- und Europaebene einsetzen.
2. In der Landwirtschaft muss auf Grund der gesundheitlichen Risiken und des Vorsorgeprinzips der Einsatz von Glyphosat so schnell wie möglich auf null reduziert werden. Insgesamt ist dabei sicher zu stellen, dass die Reduktion von Glyphosat nicht dazu führt, dass nur ein anderes Herbizid eingesetzt wird. Hierfür müssen konkrete Reduktions- und Ausstiegspläne gemeinsam mit der Landwirtschaft erarbeitet werden. Das Umweltbundesamt hat dazu ein “5-Punkte-Programm für einen nachhaltigen Pflanzenschutz“ entwickelt, das dafür eine Grundlage bieten könnte (7). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Anwendungsreduktion gegebenenfalls Mehrkosten verursacht, die es entsprechend über Förder- und Ausgleichskonzepte zu kompensieren gilt. Denn die Restriktion von Glyphosat und anderer Herbizide darf auf keinen Fall das Höfesterben weiter ankurbeln. Gerade bäuerliche Betriebe müssen hier verstärkt unterstützt werden.
3. Insgesamt muss in der Landwirtschaft der Einsatz von Herbiziden erheblich reduziert werden und langfristig so weit wie möglich vermieden werden. Um dieses Ziel zu erreichen, wird dafür dringend mehr Forschung benötigt, in der alternative Verfahren auch mit dem Einsatz neuer Technologien (wie z.B. Robotik) und der Digitalisierung auf Effizienz und Auswirkungen auf den Klimawandel hin untersucht werden. Von den zuständigen Stellen des Landes und der Kommunen ist ein Forschungs- und Investitionsprogramm „herbizid-reduzierte und herbizid-freie Bewirtschaftungsmethoden“ aufzulegen. In der Ausbildung der Landwirt*innen sind herbizid-reduzierte und herbizid-freie Bewirtschaftungsmethoden verstärkt zu berücksichtigen. Auch Fortbildungsangebote müssen schnellstmöglich vermehrt eingeführt werden.
4. Aufgrund der wahrscheinlich erheblichen negativen Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch und Tier muss auf nationaler also auch europäischer Ebene die Einfuhr von glyphosat-gespritzten Nahrungsmitteln weitestgehend eingeschränkt werden. Ebenso muss der Einsatz glyphosat-gespritzter Futtermittel in der tierischen Fütterung reduziert werden. Ziel muss es sein, dass man in der tierischen Fütterung komplett auf glyphosat-behandelte Futtermittel verzichtet.
5. Außerdem muss sich die Landesregierung auf bundes- und europäischer Ebene für eine deutliche Verbesserung des Zulassungsverfahrens für Pestizide und der Überwachung ihrer Verwendung einsetzen, insbesondere:
- Einer Registrierung und Veröffentlichung aller zulassungsrelevanten Studien gemäß dem Konzept von “All Trials“ im Arzneimittelbereich (8)
- Einer Beauftragung von Zulassungsstudien ausschließlich durch Behörden, wobei die Kosten durch die Industrie zu tragen sind
- Eine Erweiterung der Testverfahren um ökologische Studien, die auch subletale und chronische Einflüsse im Nahrungsnetz betrachten
- Analog zum Arzneimittelbereich auch bei Pestiziden ein von der Industrie zu finanzierendes kontinuierliches Monitoring während der Zulassungsdauer (9)
- Die Einrichtung eines Meldesystems für alle landwirtschaftlichen Pestizid-Einsätze bei den zuständigen Umweltbehörden
Quellenangaben
1. Drucksache des Bundestages 18/6490
2. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969717330279
3. https://patents.google.com/patent/US7771736
4. https://www.mdr.de/investigativ/kaputte-existenz-durch-glyphosat-100.html
5. https://www.weltagrarbericht.de/aktuelles/nachrichten/news/de/29458.html
6. https://www.bund.net/umweltgifte/pestizide/pestizidfreie-kommune/
7. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/5-punkte-programm-fuer-einen-nachhaltigen-0
8. http://www.alltrials.net
9. http://science.sciencemag.org/content/357/6357/1232.long
Beschlossen auf der LDK vom 15./16.06.18
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