Die gesetzliche Krankenversicherung ist ein solidarisches System, an dem wir GRÜNE langfristig alle Versicherten beteiligen wollen. Die Grundidee, Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu staffeln und nicht nach Risikoklassen, halten wir für eines der wichtigsten Merkmale dieses Solidarsystems. Deswegen fordern wir Grüne auch seit längerem die solidarische Bürger*innenversicherung – von allen und für alle.
Die dazu nötigen Reformen und Gesetzesänderungen müssten im Kern auf Bundesebene geschehen. Eine politische Mehrheit für eine echte Bürger*innenversicherung für alle ist dort aber leider nicht in Sicht. Aber auch die Bundesländer haben Handlungsspielräume. Denn sie sind hauptsächlich die Dienstgeber für die Beamten, die zum übergroßen Teil über die Beihilfe und eine private Krankenversicherung abgesichert sind.
Wahlfreiheit gewähren
Beamt*innen haben derzeit de facto keine Wahl. Bei freiwilliger gesetzlicher Versicherung zahlen sie ihren Versicherungsbeitrag vollständig selbst – also sowohl den Arbeitnehmer*innen- als auch den Arbeitgeber*innenanteil von zusammen mindestens 14,6% des Bruttoeinkommens. Damit ist die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die meisten Beamt*innen teurer als die Kombination aus Beihilfe und privater Krankenversicherung (PKV). Dies führt dazu, dass ein Großteil der Beamt*innen in der privaten Krankenversicherung versichert ist, obgleich es auch durchaus einige freiwillig gesetzlich Versicherte gibt. Für die privaten Krankenversicherer ist das ein gutes Geschäft: Circa die Hälfte der PKV-Versicherten sind Beamt*innen. Somit garantiert der Staat mit der bisherigen Regelung ein Großteil des Geschäfts der PKV-Vollversicherung.
Anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Beiträge der PKV-Vollversicherung im Regelfall nicht nach Einkommen, sondern nach Risiko festgelegt. Und die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und gegebenenfalls Partner*in ist ebenfalls nur in der GKV garantiert. Rechnen tut sich die freiwillige Versicherung in der GKV also nur für einige wenige Beamt*innen derzeit: insbesondere jene Beamt*innen, die durch Vorerkrankungen einen hohen Aufschlag in der PKV zahlen müssten oder die mehrere Kinder haben, die sie in der PKV separat versichern müssten. Ausgerechnet diese beiden Gruppen werden dabei durch die momentane Regelung sogar schlechter gestellt als wenn sie Angestellte wären, da sie den gesamten GKV-Beitrag tragen müssen, aber es für sie keinen bezahlbaren Weg in die PKV gibt.
Wir GRÜNE wollen den nordrhein-westfälischen Beamt*innen deshalb zukünftig Wahlfreiheit geben: Wenn sie sich gesetzlich krankenversichern, sollen sie einen Zuschuss analog des Arbeitgeberbeitrags für Angestellte erhalten. Der Beihilfeträger, also das Land, soll künftig analog zum Modell in Hamburg eine pauschalierte Beihilfe in Höhe des Arbeitgeberanteils an alle neuen Beamt*innen und die ohnehin gesetzlich versicherten Beamt*innen zahlen.
Der Stadtstadt Hamburg macht es seit kurzem vor. Dort wird allen Neu-Beamt*innen sowie allen bereits freiwillig gesetzlichen versicherten Beamt*innen eine Pauschale als GKV-Arbeitgeberanteil gewährt. Damit ist für diese beiden Gruppen schon heute echte Wahlfreiheit garantiert. Für eine vollständige Umsetzung für sämtliche Landesbeamt*innen wäre eine Änderung im 5. Sozialgesetzbuch notwendig, die nur auf Bundesebene erfolgen kann.
Für finanzielle Nachhaltigkeit sorgen
Das Beihilfesystem war einmal ein günstiges Finanzierungsmodell, das eine Beteiligung an der Solidargemeinschaft zudem außer Acht ließ, aber mittlerweile stellen die steigenden Ausgaben eine Belastung für die öffentlichen Haushalte dar. Das hängt auch damit zusammen, dass viele geburtenstarken Jahrgänge nun in Pension gehen. In Bund und Ländern steigen die Beihilfeausgaben stark an. Das bedeutet auch eine Belastung für künftige Steuerzahler*innen.
Eine Wahlfreiheit wird sich langfristig für alle Versicherten auszahlen. Verschiedene Studien und Expert*innen rechnen bei der Einführung einer Wahlfreiheit mit kurzfristig steigende Ausgaben, jedoch langfristig mit deutlichen Einsparungen und geringeren Beiträgen für die Versicherten. Unmittelbare Vorteile ergeben sich auch für Beamt*innen mit geringer Besoldung und Vorerkrankungen, für die die Private Krankenversicherung eine hohe finanzielle Belastung darstellt. Gerade diese Gruppe ist aber im bisherigen System klar benachteiligt und bedarf ohnehin einer Besserstellung. Durch den Wegfall der Beihilfeabrechnungen hätte eine solche Umstellung außerdem noch den positiven Nebeneffekt, Verwaltungsaufwand zu reduzieren.
NRW geht voran
Auch wenn es verhältnismäßig kleine Stellschrauben sind, die auf Landesebene gedreht werden können, sollte NRW nachziehen und sich an den Regelungen in Hamburg orientieren. Wir GRÜNE wollen eine solidarische und nachhaltige Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme, eine Haushaltspolitik mit Weitsicht und deshalb in NRW erste, wenn auch kleine Schritte zu einer echten Bürger*innenversicherung gehen.
Unser langfristiges Ziel – eine solidarische Krankenversicherung für alle – lässt sich nicht auf Landesebene lösen. Aber für Schritte in die richtige Richtung müssen wir nicht auf Mehrheiten im Bund warten, wir wollen in NRW mit gutem Beispiel vorangehen.
Beschlossen auf der LDK vom 15./16.06.18
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