Den Beschluss als PDF gibt es hier.
Beschluss der LDK vom 14./ 15. Juni 2019 in Neuss
Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel dazu, dass alle Menschen in einer friedlichen, sozial gerechten und ökologisch sowie ökonomisch nachhaltigen Welt leben können. Bildung hat die Aufgabe, Menschen ein freies, erfolgreiches und erfülltes, sicheres und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, sie zu mündigen Bürger*innen zu erziehen und zur gesellschaftlichen Teilhabe bzw. Mitgestaltung unserer (Welt-)Gesellschaft zu befähigen. Dieser Bildungsauftrag ist in unserer Verfassung schon angelegt. Allerdings haben die Rahmenbedingungen, unter denen all dies gelingen soll, sich erheblich verändert. Darauf muss eine moderne Bildungspolitik im Sinne der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft reagieren.
Wir skizzieren hiermit Ziele und Ideale einer grünen Bildungspolitik sowie kurz- und mittelfristig umsetzbare Maßnahmen, um diese Ziele zu erreichen. Wir wissen, dass unser Bildungswesen tiefgreifende Veränderungen erfordert, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Deshalb ist dieser Beschluss, der zentrale Elemente des Abschlussberichtes der Kommission „Zukunft der Bildung“ aufnimmt, auch kein Abschluss dieses Prozesses, sondern im Wesentlichen ein Orientierungsrahmen für die weitere Arbeit und ein Anstoß für die notwendige gesellschaftliche Debatt
Lernen, Gegenwart und Zukunft zu gestalten
Die zunehmende soziale Spaltung, die Klimakrise, der fortschreitende Artenschwund, die Fixierung auf vermeintlich endlos mögliches ökonomisches Wachstum, die digitale Transformation, die zunehmende Differenzierung und Individualisierung der Gesellschaft und die Folgen der Globalisierung erfordern eine andere Gestaltung von Bildungsprozessen. Historische Errungenschaften der Menschheit sind bedroht. Auf diese Gefahren für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft muss das Bildungswesen reagieren. Die Digitalisierung verändert schon heute massiv die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten. Sie fordert erweitertes Wissen, vor allem aber auch andere Kompetenzen, damit jede*r Einzelne damit umgehen und wir als Gesellschaft weiter erfolgreich handeln und gut miteinander leben können. Die Klimakrise, die Folgen der Globalisierung und das Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft erfordern klare Werte, Haltungen, Wissen und Kompetenzen. Die von den Vereinten Nationen mit Zustimmung Deutschlands und der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verabschiedeten und im Nationalen Aktionsplan auch von den Ländern übernommenen globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) sowie die im 2030-Rahmen für individuelles und kollektives Wohlbefinden der OECD definierten Herausforderungen bieten den Orientierungsrahmen für eine nachhaltige, zukunftsfähige Bildungspolitik. Wir streben im Sinne der Ziele nachhaltiger Entwicklung eine inklusive, gerechte und hochwertige Bildung für alle an. Sie soll dazu befähigen, Kultur und Naturerbe zu erhalten, Vielfalt und Nachhaltigkeit in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern sowie Wissen zu schaffen, zu verbreiten und zu teilen, um auch zukünftigen Generationen ein Leben in Frieden und Freiheit in einer lebenswerten Umwelt zu ermöglichen. Bildung bedeutet für uns, Bedingungen zu bieten, die eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung und umfängliche Teilhabe ermöglichen und über eine bloße Vorbereitung auf das Berufsleben hinausgeht.
Wir wollen Bildungseinrichtungen, die sich zentral den Herausforderungen der Nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert stellen. Damit greifen wir u.a. Forderungen der Fridays For Future-Bewegung auf. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) muss innerhalb der Strukturen des Bildungswesens für Akteur*innen deutlicher erkennbar werden, sowohl als politische Zielsetzung als auch in Rahmensetzungen und Bildungsplänen. Dazu wollen wir förderliche Arbeitsstrukturen und Unterstützungssysteme auf allen Ebenen des Bildungssystems schaffen. Dazu muss nicht nur die Fortbildung, sondern die gesamte Ausbildung in allen pädagogischen Berufen für einen Paradigmenwechsel sorgen und eine entsprechende Grundbildung aller sicherstellen. Inhalte und Methoden der BNE sind für eine inklusive Schule und die individuelle Förderung besonders geeignet.
In Bezug auf Bildungsgerechtigkeit steht unser Bildungssystem heute vor neuen Herausforderungen. In NRW leben Menschen mit länger- und kurzfristigeren internationalen Familiengeschichten aus über 190 Herkunftsnationalitäten mit mindestens ebenso vielen Sprachen. Zwei- und Mehrsprachigkeit sind immer stärker Erfahrungen, die alle Kinder betreffen, ihre Lebenswelt und ihren Alltag prägen. In unserer heutigen globalisierten Welt ist die Kenntnis mehrerer Sprachen und Kulturen unerlässlich. Mehrsprachigkeit ist ein Bildungsschatz, der jedoch konsequente Förderung und Unterstützung benötigt. Aktuell sind ca. 40 Prozent aller Schülerinnen und Schüler in NRW aus Familien mit einer Migrationsgeschichte, die mindestens eine weitere Sprache als Deutsch nutzen. Mehrsprachigkeit ist einerseits ein angeborenes Potenzial aller Menschen und die gelebte Normalität vieler Schülerinnen und Schüler. Dabei ist es zwingend, dass es keine Hierarchisierung der Sprachen gibt, sondern auch die Sprachen anerkannt werden, die junge Menschen aus ihren Familien mitbringen. Die Wertschätzung natürlicher Mehrsprachigkeit ist ebenso wie das Erlernen weiterer Fremdsprachen eine wesentliche Voraussetzung der Teilhabe und der Überwindung jeder Diskriminierung.
Bildung in einer Migrationsgesellschaft erfordert neue Perspektiven und Zugänge, die die Potentiale und Bedarfe aller Kinder in den Blick nehmen. Wir wollen aktuelle fachwissenschaftliche Entwicklungen zur Gestaltung einer interkulturellen, migrationspädagogischen und rassismuskritischen Bildung aufnehmen und unterstützen die Bemühungen zur Etablierung einer Beschwerdekultur gegen Diskriminierungen im Bildungsbereich. Wir wollen Mehrsprachigkeitsdidaktik und sprachsensiblen Unterricht in allen Lernprozessen (und bereits in der beruflichen Ausbildung aller pädagogischen Professionen) fördern. Wir wollen, dass der herkunftssprachliche Unterricht eine didaktische Verbindung mit dem Regelunterricht durch alle Schulstufen hinweg erfährt. Wir wollen in allen Schulen Sprach(en)lernkonzepte, die die Vermittlung der Bildungssprache unter Bedingungen von lebensweltlicher Mehrsprachigkeit sicherstellen. Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte, die über ein deutsches Lehramt verfügen, wollen wir im Rahmen einer gleichberechtigten Beschäftigung fördern. Die Anerkennungsverfahren für zugewanderte Lehrkräfte müssen vereinfacht werden.
Ansätze zur Bekämpfung von Bildungsarmut und Bildungsbenachteiligung entfalten nicht ausreichend Wirkung. Die soziale Spaltung der Gesellschaft droht sich weiter zu vertiefen und reproduziert sich im Bildungssystem; viele Kinder erleben gesellschaftliche Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit. Wir wollen mehr Durchlässigkeit und mehr Chancen für alle. Ein Schulabschluss ist die beste Versicherung gegen spätere Risiken wie Arbeitslosigkeit, daher wollen wir Bildungsabbrüche vermeiden und breite Wege zu Abschlüssen offenhalten.
Identifikation mit der Demokratie, Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind Grundbedingungen für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen. Der Bildungspolitik kommt deshalb eine immense Verantwortung für den Erhalt der liberalen Demokratie zu. Dieser Verantwortung stellen wir uns.
Deutschland gibt nach wie vor deutlich weniger Geld für Bildung aus als der Durchschnitt der OECD-Staaten: Unser Bildungssystem ist im Ganzen unterfinanziert – das wollen wir ändern. Die zunehmenden Anforderungen an das Bildungssystem einerseits und die steigende Bedeutung gelingender Bildung unserer Kinder für die ökonomische wie soziale Zukunft der Gesellschaft andererseits bedeuten in der Konsequenz, dass wir zwingend mehr Ressourcen zur Verfügung stellen müssen. Die Kommunen stehen heute nicht selten am Rande ihrer finanziellen Möglichkeiten. Zur Sicherung vergleichbarer Lebensverhältnisse und der Qualität von Bildung wollen wir die Aufgaben- und Lastenteilung zwischen Land und Kommunen in finanzieller Hinsicht neu aushandeln und auch den Bund stärker verpflichten, sich an der Finanzierung eines zukunftsfähigen und gerechten Bildungssystems zu beteiligen. Ein wichtiger erster Schritt für bessere Kooperation ist die im Frühjahr 2019 beschlossene Grundgesetzänderung. Damit ist das Ende des Kooperationsverbots zwar nicht erreicht, aber die Tür für mehr Chancengleichheit durch eine gemeinsame Finanzierungsverantwortung steht ein Stück weiter offen. Unser Ziel bleibt weiterhin die Ermöglichung umfassender Kooperation. Denn nur eine Kooperation auf Augenhöhe zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Schulen schafft gute Lernbedingungen und bessere Bildung für alle Schüler*innen.
Wir wollen die durch die Grundgesetzänderung ermöglichte Kooperation zwischen Bund und Ländern nutzen, um künftig Investitionsprogramme, etwa für Sanierung und Neubau an besonders herausfordernden Standorten, auf den Weg zu bringen und auch personelle Unterstützung z. B. beim Ganztag, bei der Inklusion und Sozialarbeit zu verstärken. Das Landesprogramm Gute Schule 2020 wird fortgeführt.
Der Lehrkräftemangel belastet die Schulen bereits heute und wird sich auch absehbar nicht erübrigen. Wir wollen uns dafür einsetzen, den Lehrerberuf aufzuwerten, die Ausbildungskapazitäten auszubauen, um so mittelfristig den Mangel zu bekämpfen. Gleichzeitig wollen wir mit verschiedenen Maßnahmen kurzfristig Abhilfe schaffen, etwa indem wir Lehrer*innen von Verwaltungsaufgaben entlasten und die Wochenstundenzahl schrittweise über alle Schulformen hinweg reduzieren, beginnend mit den Gruppen mit der größten Stundenzahl.
Grundschulen, aber allgemein auch Schulen in herausfordernden Lagen, sind besonders vom Lehrer*innenmangel betroffen. Sie weisen häufig die höchsten Seiteneinsteigerquoten auf. Schulscharfe Stellenausschreibungen führen häufig nicht mehr zum Erfolg, verursachen aber einen hohen Aufwand für die Schulleitungen. Deshalb schlagen wir vor, die schulscharfe Ausschreibung für drei Jahre zu begrenzen und parallel dazu ein Lehrerzuweisungsverfahren durchzuführen. Wir wollen die gleiche Besoldung für alle Lehrämter (A13 als Eingangsbesoldung) einführen – nicht nur für die neu ausgebildeten Lehrer*innen. Wir empfinden es als Gerechtigkeitsdefizit, dass Lehrer*innen im angestellten Verhältnis bei gleicher Leistung und Verantwortung weniger verdienen als verbeamtete Lehrkräfte. Hier wollen wir einen gerechten Ausgleich schaffen.
Daneben wollen wir in einem ersten Schritt an den Standorten mit besonderen Anforderungen die Anzahl der Lehrkräfte erhöhen, die Unterrichtsverpflichtungen senken sowie Schulleitungsassistenzen und mehr Entlastungsstunden zur Verfügung stellen.
Die Arbeitszeiten von Lehrkräften definieren wir in Zukunft nicht mehr nur über das Stundendeputat im Unterricht, sondern bezieht alle Tätigkeiten ein, beispielsweise Teamzeiten und Fortbildungen. Wir wollen, dass diese Zeiten in konkreten Modellen Berechnung finden. Schulleitungen müssen hier in Zusammenarbeit mit den Lehrerräten eigenständige Konzepte erstellen können. Nicht zuletzt gehört für uns zur Aufwertung des Lehrerberufs, dass wir die Schule als Arbeitsplatz mit Aufenthaltsqualität für Lehrer*innen – aber auch aller anderen an einer Schule Beschäftigten – verstehen. Das bedeutet, Schulen müssen ausreichend Räume vorweisen, die für Teambesprechungen/- arbeiten genutzt werden können, und Räume, die ruhige Einzelarbeitsplätze bieten. Die Ausstattung der Räume muss dabei den Bedürfnissen der in ihnen Arbeitenden entsprechen. Das Landesprogramm Gute Schule 2020 soll die Kommunen auch bei dieser Aufgabe unterstützen.
Wir wollen eine Bildung, die im Sinne einer umfassenden Persönlichkeitsbildung Menschen, vor allem jungen Menschen, Geborgenheit, Selbstvertrauen und Sicherheit gibt – gerade auch im Umgang mit Unbekanntem. Wir wollen die Kinderrechte auch in der Schule stärken. Wir wollen den Paradigmenwechsel von der derzeit noch weit verbreiteten Defizit- hin zu einer Potentialorientierung und von der „Begabtenförderung“ zur vielfältigen Begabungsförderung schaffen, damit die Talente und Stärken jedes Menschen sich entfalten können. Bildung muss die Freude am Lernen, die jedes Kind empfindet, erhalten und fördern. Unser Verständnis von Leistung ist: Jedes Kind wird nach seinen individuellen Stärken gefordert und gefördert, wodurch es sich in einem anregenden und geschützten Rahmen entfalten und Leistung erbringen kann und soll. Wir bekennen uns ausdrücklich zum Ziel einer inklusiven, hochwertigen Bildung für alle Kinder. Wir wollen den nötigen Transformationsprozess besser steuern und für die nötigen Ressourcen sorgen. Wir wollen durch gute inklusive Praxis immer mehr Eltern davon überzeugen, dass gemeinsames Lernen für ihr Kind die bessere Wahl ist.
Wir wollen eine Bildungspolitik, die nach Bildungsgerechtigkeit strebt und Bildungsarmut und ‑benachteiligung entschlossen bekämpft. Wir nehmen nicht hin, dass in unserem Land der Bildungserfolg und damit die Lebenschancen in Beruf und Gesellschaft in hohem Maße von der familiären Herkunft bestimmt werden. Kinder aus Elternhäusern, die vom Bildungssystem nicht oder nicht ausreichend erreicht werden, erfahren noch immer vielfache Benachteiligung. Wir wollen deshalb noch stärker in die frühkindliche Bildung und in die Stärkung von Familien in besonderen sozialen Problemlagen investieren. Eine wesentliche Rolle kommt dabei Kindertagesstätten mit angeschlossenen Familienzentren zu.
Jedes Kind ist anders, jede Schule ist anders. Wir wollen darum dafür Sorge tragen, dass Mittel zielgenauer dort ankommen, wo sie besonders gebraucht werden. Gute Bildungspolitik muss Ungleiches ungleich behandeln. Die Schulen, die vor den größten Herausforderungen stehen, sollen auch die größte Unterstützung erhalten. Deshalb wollen wir pädagogische Ressourcen und Sachressourcen auf der Basis eines durch ein Sozial- und Bildungsmonitoring erfassten, schulscharf ermittelten Sozialindex verteilen, welcher regelmäßig evaluiert und überprüft wird, sodass die Mittel tatsächlich im Sinne der Schüler*innen eingesetzt werden.
Dies betrifft nicht allein Stellen für Lehrer*innen und die multiprofessionellen Teams aus Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen und Schulpsycholog*innen, sondern umfasst auch Investitionsmittel für bauliche Anpassungen und Erweiterungen. Wir wollen, dass insbesondere an herausfordernden Standorten und Schulen, die viele Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf unterrichten, die Klassengröße gesenkt wird.
Uns ist bewusst, dass unsere Vorhaben große finanzielle Anstrengungen bedeuten. Daher werden wir uns dafür einsetzen, dass das Land die Kommunen bei dem Um- und Ausbau von Schulstandorten, die durch Landesvorgaben entstehen, unterstützt wird. Für uns gilt das Konnexitätsgebot.
Die erste und entscheidende Bildungswelt ist die Familie. Sie muss in ihren Leistungen für Bildung, Betreuung und Erziehung unterstützt werden. Gerade für Eltern, für die der Alltag in der Schwangerschaft und den ersten Lebensjahren schwierig zu meistern ist, ist es wichtig, die Frühen Hilfen auszubauen hin zu einer Familienbegleitung. Die Gesundheitsförderung steht dabei im Vordergrund. Insgesamt muss das Gesundheitswesen noch stärker in die Frühen Hilfen eingebunden werden. Wir verlangen vom Bund, die eingefrorenen Mittel der Bundesstiftung Frühe Hilfen mindestens zu verdoppeln und die Mitwirkung der Gesundheitsakteure in den Netzwerken Frühe Hilfen verbindlich gesetzlich zu regeln.
Auch, wenn wir hier den Blick auf die Bildungseinrichtungen (z. B. Kita, Schule) fokussieren, wissen wir, wie wichtig es ist, die Familien von Anfang an zu stärken und besonders auch Alleinerziehende zu unterstützen, für eine lebenswerte Um- und Mitwelt zu sorgen, damit unsere Kinder und Enkelkinder gesund und glücklich aufwachsen können. Diese ökologische und soziale Verantwortung wollen wir mit aller Kraft wahrnehmen.
Frühkindliche Bildung
Eine kindgerechte Bildung von Anfang an geht vom Selbstbildungspotential des Kindes aus, das von Geburt an in einem stetigen Prozess der Selbstorientierung und des selbstständigen Lernens ist. In einer Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, in interaktiven Beziehungen mit Erwachsenen und zunehmend mit Kindern erfährt es sich im sozialen Miteinander. Auf die Wertschätzung dieser Selbstbildungsprozesse baut die pädagogische Konzeption der Elementarbildung auf.
Wir wollen die Anerkennung der frühkindlichen Bildung erhöhen und für eine bessere und möglichst einheitliche Bezahlung der Beschäftigten sorgen. Zudem wollen wir die Anstrengungen zur Fachkräftegewinnung steigern und neben der bisherigen Form der Fachschulausbildung Zugänge wie die praxisintegrierte Ausbildung oder Möglichkeiten zum Seiteneinstieg und Qualifizierung in die frühkindliche Bildung in den Blick nehmen.
Das pädagogische Fachpersonal braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Wir wollen deshalb verbindliche Fachkraft-Kind-Schlüssel gesetzlich verankern, die zwischen unmittelbarer und mittelbarer pädagogischer Arbeit differenzieren und Fehlzeiten durch Urlaub, Krankheit oder Fortbildung abbilden. Teamgespräche, Vor- und Nachbereitung sowie die Dokumentation von Bildungsprozessen sollen in die Personalbemessung mit eingerechnet werden. Familienzentren brauchen eine verbesserte Personal- und Finanzausstattung. Ebenso müssen landesweite Standards geschaffen werden, die eine vergleichbare Bezahlung des pädagogischen Fachpersonals gewährleisten.
Je früher ein Kind Zugangschancen zu Bildung erhält, desto weniger wirkt der Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg. Neben Bildung, Betreuung und Erziehung ist Gesundheitsförderung die vierte Säule frühkindlicher Bildung. Die motorische Entwicklung spielt eine entscheidende Rolle in der ganzheitlichen Entwicklung von Kindern. Daher wollen wir allen Kindern, besonders Kindern in Quartieren mit hohen bildungsrelevanten sozialen Belastungen, ausreichend Raum und Flächen für Spiel, Bewegung und Sport bieten – wie Spielplätze, offene Schulhöfe, frei zugängliche Sportplätze und Grünanlagen. Gesunde Ernährung ist genauso wichtig wie integrierte Bewegungsförderung. Allen Kindern soll in der Kita gesundes Essen angeboten werden. Dazu wollen wir verbindliche Qualitätsstandards für das Essen in Kitas einführen, aber auch Grundkenntnisse über gesunde Ernährung und Lebensmittel kindgerecht vermitteln.
Im Sinne eines umfassenden Bildungs- und Erfahrungsverständnisses wollen wir auch die kulturelle Bildung in Kindertageseinrichtungen stärken, denn sie befähigt Kinder, Kunst und Kultur von Grund auf kennen und verstehen zu lernen, zu gestalten und aktiv am kulturellen Leben teilzuhaben. Wir wollen, dass jedes Kita-Kind Kultureinrichtungen und Angebote der städtischen Bibliotheken wahrnimmt. Dies fördert auch die Partnerschaften zwischen Kindertageseinrichtungen und Kulturpartner*innen vor Ort.
Als erste Orte institutionalisierter Bildung kommt Kitas bei der Umsetzung inklusiver Bildungsprozesse große Bedeutung zu. Wir sehen in einer kinderzentrierten Pädagogik, die die Unterschiedlichkeit einer Gruppe voraussetzt und alle Kinder in ihren unterschiedlichen Potentialen wahrnimmt, einen zentralen Schlüssel für gelingende inklusive Entwicklung. Inklusion mit dem Ziel, die Teilhabe aller Kinder an gelingenden Bildungsprozessen zu ermöglichen, braucht ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen. Neben pädagogischen Fachkräften und pädagogischen Konzepten wollen wir auch therapeutische Ansätze und Personal in den Einrichtungen verankern und bei der Finanzierung berücksichtigen. Diese Forderungen richten sich auf die Weiterentwicklung der Kindertagesstätten und entsprechend auf die der Kindertagespflege.
Wir wollen erreichen, dass Bildung von Beginn an für alle gebührenfrei ist. Deshalb wollen wir die Kita-Elternbeiträge in den kommenden Jahren Schritt für Schritt abschaffen und auf dem Weg dorthin wollen wir über landeseinheitliche und sozial gestaffelte Beitragstabellen mehr Gerechtigkeit schaffen. Vor dem Hintergrund finanzieller Restriktionen müssen wir jedoch Prioritäten setzen. In den ersten Lebensjahren werden entscheidende Weichen für spätere Bildungsverläufe gestellt. Deshalb wollen wir derzeit die Qualitätsentwicklung in den Einrichtungen der frühen Bildung in den Vordergrund stellen.
Erziehungs- und Bildungspartnerschaften ausbauen
Noch immer entscheidet der familiäre Hintergrund stärker über den Bildungserfolg als Kitas oder schulische Institutionen. Familien müssen deshalb im Rahmen einer Erziehungs- und Bildungspartnerschaft in Kita und Schule enger begleitet und unterstützt werden. Dafür wollen wir die Voraussetzungen verbessern.
Den Familienzentren und Familienbildungsstätten kommt ebenso eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Familien zu. Ziel der Familienbildung ist es, allen Familien ein gutes Leben und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Mit ihren vielfältigen, wohnortnahen, kostengünstigen und niedrigschwelligen Angeboten stärken sie die Kompetenzen von Familien und holen die Familien dort ab, wo sie sich gerade befinden. Diese familienbezogenen Bildungsangebote müssen für Familien in allen biografischen Phasen niedrigschwellig vorhanden sein.
Gelingende Übergänge auf dem Bildungsweg
Erfolgreiche Bildungswege brauchen gute Übergänge. Nach wie vor sind viele Bildungsbiografien von unfreiwilligen Brüchen gekennzeichnet. Mit einem koordinierten Übergangsmanagement zwischen Kita und Grundschule und einer engen Kooperation wollen wir den Übergang an der „ersten Schwelle“ im Bildungssystem für Kinder positiv gestalten und die spezifischen Bildungsansätze der jeweiligen Einrichtungen verzahnen. Wir wollen, dass Grundschulen und Kitas auch personell verstärkt kooperieren. Hier können Familienzentren eine zentrale Rolle spielen. Auch zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen entstehen oft soziale Brüche. Grundsätzlich möchten wir Kindern so wenig Schulwechsel wie nötig und so spät wie möglich zumuten. Daher unterstützen wir die Gründung von „Primusschulen“ als Regelschulen, die gemeinsames Lernen von der ersten Klasse bis mindestens zum ersten Schulabschluss ermöglichen. Wir schlagen vor, diese Denkweise auch durch enge Kooperationen und pädagogische Verzahnung zwischen Grund- und weiterführenden Schulen umzusetzen. Ein garantierter Schulplatz an einer vorab bekannten weiterführenden Schule kann Grundschulkindern einen Übergang in eine neue Bildungsphase ermöglichen, der nicht mit dem Verlust der sozialen Bezugsgruppe verbunden ist. Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe ist nicht etwas, das auf die Schulzeit beschränkt bleibt. Zu fordern ist auch ein Übergangsmanagement, das Schulabgänger mit einer Behinderung dabei unterstützt, eine Beschäftigung in einem „normalen“ Betrieb jenseits der Behindertenwerkstätten zu finden.
Wir schlagen den Kommunen vor, feste Zuständigkeiten in der Kommunalverwaltung für das Übergangsmanagement in allen Bildungsbereichen einzuführen, wo diese beschriebenen Übergänge evaluiert und nachgesteuert werden. Wir wollen, dass sich die unterschiedlichen Akteur*innen aus der Jugendhilfe, den Kindertagesstätten, den Schulen, dem Gesundheitsbereich, der Familienberatung, den Sozialämtern und Jobcentern sowie Akteur*innen der Zivilgesellschaft in verbindlichen und finanziell ausgestatteten Kooperations- und Netzwerkstrukturen begegnen und passgenaue Angebote für den Stadtteil oder die Kommune entwickeln.
Starke Grundschule
Die Grundschulen verdienen höchste Wertschätzung für ihre Arbeit. Sie müssen genauso gut ausgestattet, Lehrkräfte genauso gut bezahlt werden wie in den weiterführenden Schulen.
Wir wollen die bisherige Finanzierungslogik infrage stellen, nach der bislang gilt: Für die ältesten Schüler*innen wird in den allgemeinbildenden Schulen am meisten investiert. Wir wollen, dass die Grundschulen in der Besoldung der Lehrkräfte, in Beförderungschancen und Ausstattung, wozu auch Verwaltungs- und Hausmeisterstunden zählen, gleichgestellt werden. Die Höhe der Unterrichtsverpflichtung und die Schüler-Lehrer-Relation dürfen in der Betrachtung nicht vergessen werden, ebenso nicht der geringe Anteil von Entlastungsstunden, der gewährt wird. Die Grundschulen verdienen höchste Wertschätzung für ihr Engagement, ihre Bedeutung für das Gelingen von Bildungsbiografien, für ihre Arbeit auf der Basis einer Pädagogik der Vielfalt – auch als Grundlage eines umfassenden Inklusionsbegriffs.
Grundschulen waren schon immer Vorreiterschulen in der Unterrichtsentwicklung und individueller Förderung, z. B. mit jahrgangsübergreifendem Unterricht, im Gemeinsamen Lernen, unabhängig von Geschlecht, Ethnie, sozialer Herkunft oder Behinderung. Die Didaktik der Grundschulen muss die Übergänge von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule sowie zu den weiterführenden Schulen berücksichtigen. Dazu gehört, dass in Grundschulen, die in der Regel kleine Systeme sind, besondere Ressourcen zur individuellen Förderung zur Verfügung stehen, sei es im Hinblick auf Mehrsprachigkeit, sei es im Hinblick auf die Förderung von Kindern aus eher schwierigen sozialen Verhältnissen.
Daher wollen wir insbesondere die Entwicklung jahrgangsübergreifender Systeme fördern, indem Unterstützung durch externe Schulentwicklungsteams zur Verfügung gestellt und zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden, auch für Beratungslehrkräfte, die in Zusammenarbeit mit örtlichen Beratungsdiensten für Kinder und ihre Familien eine umfassende Bildungsberatung ermöglichen.
Von hoher Bedeutung für ein gelingendes Aufwachsen ist die Förderung von Bewegung, Gesundheit und kultureller Teilhabe, auch durch die Einbeziehung außerschulischer Lernorte. Der Ganztag bietet in den Grundschulen umfassende Möglichkeiten, diese Ziele gemeinsam mit außerschulischen Partnern aus Jugendhilfe, Kultur und Sport zu erreichen.
Das gemeinsame Lernen in der Grundschule im eigenen Stadtteil bzw. vor Ort ist vorbildhaft und ein wertvolles Gut, das wir mit aller Kraft unterstützen wollen. Grundschulbezirke sollen wieder für die Schulwahl verbindlich werden. Wir müssen der schulischen Segregation und damit der gesellschaftlichen Segregation entgegenwirken. Grundschulen mit Bekenntnisprofil müssen derzeit aufgrund der Rechtskonstruktion konfessionelle Schüler*innen bevorzugt aufnehmen. Das führt zu sozialer und kultureller Segregation. Wir wollen, dass die Gemeinschaftsgrundschule wirklich die Schulgemeinschaft für alle Kinder ist. Daher schlagen wir vor, die Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen umzuwandeln.
Wir wollen, dass der Religionsunterricht in der Primarstufe nicht mehr nach Bekenntnissen getrennt, sondern konfessionell-kooperativ erteilt wird und durch einen Philosophieunterricht ergänzt werden soll. Ein interreligiöser Dialog und Beschäftigung mit den Weltreligionen soll stattfinden, um Vorurteilen und Diskriminierung frühzeitig vorzugreifen. Auch in der Sekundarstufe I soll der konfessionell-kooperative Religionsunterricht fortgesetzt werden. Eine enge Verknüpfung im Fächerverbund mit Praktischer Philosophie ist anzustreben. Wir wollen die rechtlichen Grundlagen in der Landesverfassung auch für die Änderungen bei den Bekenntnisgrundschulen schaffen und in Gesprächen mit den Religionsgemeinschaften die notwendigen Entwicklungen im Religionsunterricht voranbringen. Die konkrete Ausgestaltung sowie weitere Fragen, die das Zusammenspiel von Religion, Weltanschauung und Schule betreffen, sollen nach dem BAG-Diskurs auf einem öffentlichen Fachgespräch diskutiert und in einem weiteren Beschluss im kommenden Jahr befasst werden.
Ein weiterer Schritt, um die soziale Segregation zu überwinden, wären kleinere Klassen mit einem höheren Betreuungsschlüssel geführt durch multiprofessionelle Teams. Eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Grundschulen auf Schulbezirksebene zwischen Schulen in soziodemographisch stärkeren und schwächeren Gebieten führt insgesamt zu einer Verbesserung der Akzeptanz aller Schulen.
Auf regionaler Ebene wollen wir den Einstieg in eine sechsjährige Grundschulzeit ermöglichen. Sie ist als Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zur Bekämpfung von Bildungsbenachteiligungen vernünftig und pädagogisch sinnvoll.
Recht auf hochwertigen Ganztag
Wir wollen – auch zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – mittelfristig einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz in den Grundschulen und den Sekundarstufen I der weiterführenden Schulen bis zum Ende der 10. Klasse schaffen, in einem ersten Schritt bis mindestens zum Ende der 6. Klasse.
Der Bund muss mit der Verpflichtung der Länder und Kommunen, den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz umzusetzen, finanzielle Rahmenbedingungen schaffen, die Kommunen in ihren unterschiedlichen Haushaltslagen nicht überfordern. Das schulische Ganztagsangebot muss prinzipiell kostenfrei sein; Bund und Land müssen hier für die Finanzierung einstehen. Wir wollen dafür sorgen, dass mit dem Ganztagsangebot die Gesundheitsförderung aus den Kitas fortgeführt wird. Verbindliche Qualitätsstandards sollen auch für ein kostenloses Essen im Ganztag gelten. Neben einer gesunden Ernährung muss aber auch der Gesundheitsvorsorge im Ganztag mehr Bedeutung zukommen.
Eine Ganztagsschule muss ein Lebens- und Lernort sein, der Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit bietet. Der Ganztag bietet vielfältige Chancen, um die Selbstwirksamkeit zu stärken, und Gemeinschaft zu erleben und zu pflegen. Er ist Entwicklungsraum und kann Ansporn, Ermutigung und Herausforderung bieten. Räume und Zeiten, in denen Kinder sich erproben dürfen und ihre Kreativität entwickeln und erleben und die sie von vornherein mitgestalten können. In diesem Sinne kann der Ganztag nur kind- und jugendgerecht gestaltet werden, wenn er mit und durch die Kinder gestaltet wird. Demokratische Prozesse sollen an dieser Stelle erfahren werden, indem sie genutzt werden, um den Ganztag räumlich, zeitlich und inhaltlich zu gestalten. Dazu wollen wir, dass Land, Kommunen und Träger gemeinsam Fortbildungen anbieten, damit Lehrkräfte und sozialpädagogische Fachkräfte, Schulsozialarbeit und Erzieher*innen entsprechende Konzepte sinnvoll umsetzen können.
Wer andere Lernformen und eine an den Schülerinnen und Schülern orientierte Rhythmisierung verwirklichen möchte, muss die klassische Trennung zwischen Vor- und Nachmittag, Unterricht und außerunterrichtlichen Angeboten überwinden. Wir wollen einen strukturierten Ganztag, den alle Beteiligten, auch Eltern sowie Schülerinnen und Schüler mitgestalten. Offene Ganztagsschulen sollen künftig entscheiden können, ob und wie sie ihren offenen Ganztag zu einem gebundenen Ganztag weiterentwickeln. Das gilt für die Inhalte, die Teamarbeit und Fortbildung der multiprofessionellen Fachkräfte und ein gemeinsam nutzbares Raumkonzept. Offene Ganztagsangebote sind Bildungsangebote, die eine gute pädagogische Qualifikation der Beschäftigten ebenso voraussetzen, wie eine gute Abstimmung mit den Kollegien und den Schulleitungen, einschließlich ihrer Verankerung in der Schulkonferenz. Zentrale Grundlage ist die enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Schule, Kultur und Sport, Jugendhilfe und Sozialagenturen. Bestehende Familienzentren sind ein guter Anknüpfungspunkt. Das Angebot soll zudem so gestaltet werden, dass es Schüler*innen möglich ist, am Vereinsleben teilzunehmen, sich außerhalb der Schule zu engagieren, sich auch sportlich, musikalisch oder künstlerisch zu betätigen. Bei einem offenen und erfolgreichen partizipativen Prozess der Weiterentwicklung der Qualität ist ein strukturierter, verbindlicher und verlässlicher Ganztag in Form gebundenen Ganztags erreichbar.
Wir wollen auch die Grundschulen dazu ermutigen, den Weg zur gebundenen Ganztagsschule in partizipativen Prozessen mit den Eltern und Kindern zu gehen. Für Schulen mit herausfordernden sozialen Rahmenbedingungen wollen wir die Möglichkeit der Einrichtung eines Bildungscampus schaffen, in dem Unterstützungsangebote für Kinder und ihre Familien niederschwellig angeboten werden.
Die Qualität und Ausgestaltung der Ganztagsschulen ist derzeit abhängig von der Finanzkraft der Kommunen und ihrer Möglichkeit, freiwillige Beiträge zur Ausgestaltung des Ganztages zur Verfügung zu stellen. Wir wollen, dass die Qualität des Ganztages auf landesweit gültigen Standards ruht. In der Umsetzung bedeutet dies, dass es landesweit gültige Standards für die personelle und räumliche Ausstattung des Ganztages braucht, die in Abstimmung mit den Schulträgern (Kommunale Spitzenverbände) entstehen. Dies muss für die personelle Ausstattung des Ganztags mit multiprofessionellem Personal und für dessen Fortbildung und Qualifizierung ebenso gelten wie für den Raumbedarf, für die Frühstücks-, Pausen- und Mittagsverpflegung und für multifunktionelle Räume zur inneren Ausgestaltung des Ganztages. Wir wollen die Qualität der OGS landesweit sichern und orientieren uns bei der Finanzierung an den Berechnungen der Wohlfahrtsverbände und der GEW.
Nachhaltige Schule
Wir wollen Schulen, die sich zentral den Herausforderungen der Nachhaltigen Entwicklung im 21. Jahrhundert stellen. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) muss innerhalb der Strukturen des Bildungswesens – auf allen Ebenen – deutlicher erkennbar werden. Die staatlichen Vorgaben für das Bildungssystem in NRW müssen unter dem Aspekt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ überprüft und entsprechend überarbeitet werden. Die unter bündnisgrüner Regierungsbeteiligung initiierte Leitlinie BNE für NRW muss nun in die praktische Umsetzung kommen. Bildung für nachhaltige Entwicklung bedarf vor allem einer kritischen Revision der Kernlehrpläne aller Unterrichtsfächer und Lernbereiche in allen Bildungsgängen im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit.
Wir streben deshalb einen gemeinsamen, abschlussbezogenen Bildungsplan für die Sekundarstufe I in NRW an, der die Einzelpläne für die verschiedenen Schulformen ablöst. Dieser Bildungsplan gilt für alle Schulformen der Sekundarstufe I und weist durchgängig drei Niveaustufen aus. Integriert darin werden überfachliche Bildungskonzepte wie BNE, politische Bildung, Verbraucherbildung, Medienbildung etc.
Um zukunftsweisende demokratische und partizipative Arbeitsformen verstärkt auch in die Schulen zu bringen, müssen Absprachen zwischen Fächern und Lernbereichen nicht nur aus ökonomischen Gründen erfolgen, sondern an gemeinsamen Themen, Projekten und Beispielen aufzeigen, wie und welche inhaltlichen Beiträge von welchen Fächern und Lernbereichen zu gemeinsamen Problemlösungen beitragen können. Bildung für nachhaltige Entwicklung gehört als Perspektive in das Schulprogramm jeder Schule. Dazu wollen wir unterstützende Arbeitsstrukturen und Unterstützungssysteme mit einer ausreichenden Zahl von Berater*innen und Multiplikator*innen auf allen Ebenen des Bildungssystems schaffen. Dazu muss nicht nur die Lehrerfortbildung, sondern ganz besonders auch die Lehrerausbildung in allen Fächern für einen Paradigmenwechsel sorgen und eine entsprechende Grundbildung aller Lehrenden sicherstellen. Inhalte und Methoden der BNE sind für eine inklusive Schule und die individuelle Förderung besonders geeignet.
Schule im digitalen Wandel
Wir wollen eine Bildung, die Menschen im digitalen Wandel zu einer aktiven, selbstbestimmten Lebensgestaltung und gesellschaftlicher Teilhabe befähigt, über die Förderung von berufsrelevanten Kompetenzen hinaus.
Wie sich schulisches Lernen durch die sich beschleunigende Digitalisierung auf lange Sicht verändern wird, lässt sich zurzeit nur vage prognostizieren. Digitalisierung ist zunächst für die Bildung ein bedeutsamer Faktor neben vielen anderen, wie Klimawandel, Globalisierung, Migration, demographischer Wandel, Veränderung der Arbeitswelt, Internationalisierung und Friedenssicherung. All diese Faktoren (und noch etliche andere) müssen in aktuellen Bildungskonzepten berücksichtigt werden.
In der Schule ist mit Blick auf die Digitalisierung zu thematisieren, wie das „Digitale“ funktioniert und gestaltet werden kann, welche Chancen es mit sich bringt und welche Risiken damit für die Einzelnen, aber auch für die Gesellschaft verbunden sind. Anzustreben ist, dass Kinder bzw. Jugendliche in der Schule ein Grundverständnis dafür erwerben, wie digitale Technik funktioniert, wie sie gestaltet werden kann und wie sie sich in Zukunft entwickeln könnte. Sie lernen, wie sich Arbeit und Kommunikation durch die Digitalisierung verändern und welche Folgen dies für die Gesellschaft und die einzelnen Menschen, d. h. für sie selbst hat. Sie erwerben Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien und setzen sich kritisch-reflektiert mit Auswirkungen der Digitalisierung und Risiken für gesellschaftliche und persönliche Entwicklungen auseinander. Wir Grüne wollen die Digitalisierung dafür nutzen, mehr spielerisches und kreatives Lernen zu ermöglichen. Digitale Bildung ermöglicht dafür neue Handlungsmöglichkeiten, die das haptische Lernen dabei ergänzen soll. Um Kompetenzen zu vermitteln, sind zudem Unterrichtsangebote wie Theaterpädagogik, kreatives Schreiben o. ä. einzuführen.
Solide und zielführend ist es für uns, die aktuellen und konkreten Veränderungen in den jeweils anstehenden Handlungsfeldern (z.B. berufliche Qualifikation, Mediengebrauch, Kommunikation und Kreativität, Freizeit und Alltag) immer wieder neu in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, was sich wie ändert und wie darauf pädagogisch reagiert werden kann und muss. Stets ist neu zu reflektieren, was von dem, was früher wichtig war, auch jetzt noch notwendig gebraucht wird und was modifiziert werden muss. Mit Sicherheit bleibt vieles von dem bedeutsam, was schon vor ein oder zwei Generationen wichtig war, z. B. dass Kinder und Jugendliche lernen, eigene Fragen zu stellen, reale Probleme zu lösen, ihre Problemlösungen für sich und andere nutzbar zu machen; dass sie lernen, selbstständig ihre Lernprozesse zu strukturieren, in Projekten zusammenzuarbeiten, Zusammenhänge zu verstehen und Probleme zu lösen. Der Anleitung zum kritischen Vernunftgebrauch ist ebenso besondere Beachtung zu schenken wie der Förderung von Kreativität und der Einübung und Kultivierung sozialer Kompetenzen. Bestehende Curricula des Landes fokussieren inhaltlich zu sehr auf prüfbares Faktenwissen, bestehende Prüfungsformate betonen dies ebenfalls und geben nur sehr eingeschränkt die Möglichkeit, die heute und in Zukunft besonders wichtigen Kompetenzen für das 21. Jahrhundert nachzuweisen. Trotz der offiziellen „Kompetenzorientierung“ hat prüfbares Faktenwissen noch immer ein sehr hohes Gewicht, und die gängigen Prüfungsformate betonen dies ebenfalls. Wir wollen die Kernlehrpläne und didaktischen Settings des Landes so gestalten, dass die Vermittlung von Faktenwissen, wo es unverzichtbar ist, mit dem Erwerb übergeordneter Kompetenzen besser ausbalanciert wird. Eine Vielzahl von Lernformaten soll möglich sein: Nach Disziplinen getrennter Fachunterricht und die Entwicklung von Lernfeldern, kooperatives Lernen, grundlagenorientierte Lernbüros, themenzentrierte Werkstätten und an den Neigungen, Interessen und Fragen der Lernenden ausgerichtete Projekte innerhalb und außerhalb von Schule in einem Projektunterricht. Eine große Chance sehen wir in diesem Kontext auch in jahrgangsübergreifendem Lernen von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II. Ebenso sollen Schulen dabei unterstützt und beraten werden, Prüfungsformate zu entwickeln, die den jeweils gewählten Lernformaten entsprechen. Lehrpläne wollen wir dafür nicht mehr vorrangig an Fachinhalten, sondern an übergeordneten, verbindenden Themen ausrichten.
Um sicherzustellen, dass Lernende grundlegendes informatisches Wissen erwerben, wollen wir informatische Bildung curricular fest verankern. Durch diese Verankerung werden auch Impulse gesetzt, um Lehrkräfte für dieses Themenfeld zu gewinnen. Wir haben dabei ein umfassendes Verständnis von Informatik analog zu den Begriffen Informatische Bildung, Medienpädagogische Bildung und Medienkompetenz. Dazu gehört für uns nicht nur die Kulturtechnik des Programmierens, sondern auch die Beschäftigung mit den Risiken, der Funktionsweise und den Chancen, die mit einer digitalisierten Welt einhergehen. In der konkreten Ausgestaltung wollen wir Schulen (im Sinne des Konzepts „selbstbestimmte Schule)“ die Entscheidung lassen, welche Formate (Pflichtfach, Fächerübergreifender Unterricht, Projekte, Werkstätten) sie dafür wählen.
Lernen ist immer ein sozialer Prozess, in dem Menschen miteinander agieren und sich begegnen – und wird dies auch bleiben. Künstliche Intelligenz, Algorithmen und Learning Analytics können individualisierte Lernprozesse durch passgenaue Inhalte und unmittelbares Feedback unterstützen. Wir wollen, dass die so entstehenden Freiräume für mehr gemeinsames und kooperatives Lernen in selbstgesteuerten Projekten und intensive individuelle Lernbegleitung und Lernberatung genutzt werden. Wir wollen, dass moderne Technik dazu genutzt wird, Arbeits- und Verwaltungsabläufe in Schulen zu vereinfachen, und dass adaptive Lernsysteme Lehrkräfte entlasten. Digitale Technik ermöglicht den Lernenden, Lernprozesse zunehmend selbstständig zu organisieren und zu dokumentieren. Im Dialog mit Schulen, Kommunen und Eltern muss das Land dafür sorgen, dass jedes Kind jederzeit die Lernmöglichkeiten hat, die es braucht. Das bedeutet für uns: Jede Schule muss eine 1:1-Ausstattung mit mobilen Geräten realisieren können – unabhängig von der Finanzkraft der Eltern. Neben den Schüler*innen muss allerdings ebenso den Lehrkräften eine ausreichende digitale Ausstattung zur Durchführung als auch zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichtes zur Verfügung stehen. Ebenso wichtig ist es, den didaktischen Rahmen bei der Integration digitaler Medien in den Unterricht zu gestalten und pädagogische Konzepte zu entwickeln.
Die technischen Entwicklungen sind rasant und die Entwicklungszyklen werden immer kürzer. Medienkonzepte, die Schulen heute entwickeln, sind oft bereits veraltet, wenn die Technik, die auf deren Grundlage beschafft wird, in der Schule ankommt. Es müssen neue Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Schulen die Möglichkeiten der Digitalisierung in ihre Arbeit einbinden können. Dazu gehört eine kontinuierlich modernisierte Grundausstattung, die jeder Schule zur Verfügung steht. Die Antragsverfahren für Neuausstattungen wollen wir vereinfachen. Zur Grundausstattung gehören ein schneller Internetzugang, WLAN im gesamten Gebäude, Präsentationstechnik in allen Räumen. Bei den mobilen Endgeräten ist dafür zu sorgen, dass kein Kind ausgegrenzt wird. Sollte sich die Schule für ein Bring-your-own-device Modell entscheiden, sollte sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche, deren Eltern aus finanziellen Gründen kein Gerät bereitstellen können, ein adäquates Gerät gestellt bekommen.
Unverzichtbar sind außerdem IT- Administrator*innen, die die digitale Technik in Abstimmung mit der Schulleitung und dem Kollegium betreuen und die Lehrer*innen zugunsten ihrer Kerntätigkeiten entlasten.
Medienkonzepte sind in Zukunft als Teil des Schulprogramms nicht mehr „Antragstexte“, sondern Dokumente, die gelebte Unterrichtspraxis in Schulen abbilden und als offene und öffentliche Dokumente Teil einer regionalen Schulentwicklung sind.
Selbstbestimmte Schule
Wir wollen die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung von Schulen fördern, weil wir davon überzeugt sind, dass sie ihre Freiheiten in Verantwortung für ihre Schulgemeinde gut wahrnehmen können. Wir wollen den Schulen durch größere Entscheidungskompetenzen in Personalfragen eine flexiblere und effizientere Planung und Organisation von Unterricht ermöglichen und damit besseres Lernen ermöglichen.
Wir wollen allen Beteiligten mehr Selbstbestimmung und Verantwortung in der Gestaltung von Bildung geben. Das bedeutet für uns Selbstbestimmung und Verantwortung für die Lernenden bei der Gestaltung ihrer Lernwege und für die Lehrenden bei den Lernformaten und Arbeitsweisen. Selbstbestimmung und Verantwortung aber auch bei den Formaten, in denen gegenseitig Feedback und Unterstützung gegeben wird, sowie für jede Schule in der Gestaltung einer Lernumgebung, die für ihre Lernenden und den Sozialraum, in dem sie agiert, optimal ausgestaltet ist. Auch hinsichtlich der Lernformate und Arbeitsweisen soll es regelmäßig Zeiten geben, in denen die Lernenden in großem Maße mitbestimmen. Je nach Alter soll das hin bis zu selbstdefinierten und selbstorganisierten Lerneinheiten gehen, die in Projektgruppen der Lernenden erarbeitet werden. Diese Phasen stärken die Fähigkeiten, Projekte selbstständig und im Team anzugehen.
Wir wollen den Schulen ermöglichen, die Bedingungen, die ihr jeweiliges Umfeld bietet und erfordert, in den Schwerpunkten ihrer Schulgestaltung aufzunehmen. Gute Bildung entsteht, wenn Schulen sich auf die Herausforderungen ihres Sozialraumes einlassen. Wir wollen den Schulen gesicherte Freiräume zur Verfügung stellen, aber auch klare Rahmenbedingungen schaffen, in denen sie sich entwickeln können. Selbstbestimmte Schulen gestalten dann die Lern- und Unterrichtszeiten auf der Grundlage allgemeiner Rahmenvorgaben flexibel. Sie führen eigene Zeitrhythmen für das Lernen ein und gestalten offene Lernformate, die von der Schule themen- und schülerbezogen variabel ausgestaltet werden und auch über alternative Lernorte entscheiden.
Selbstbestimmte Schulen entwickeln alternative Formen der Leistungsüberprüfung und -bewertung. An die Stelle von Klassenarbeiten können Portfolios, praktische Arbeiten, Fachreferate, Vorträge oder Präsentationen treten. Notenzeugnisse können durch Lernentwicklungsberichte ersetzt oder ergänzt werden; auch eine Zertifizierung besonderer Kompetenzen ist möglich. Auch Abschluss-, Überweisungs- und Abgangszeugisse sollen in diesen individualisierten, wertschätzenden Formen der Leistungsdokumentation möglich sein – als zusätzliche Dokumente.
Wir wollen den Schulen ermöglichen, Unterricht außerhalb des engen „Fächerkorsetts“ zu gestalten. Das Unterrichten nach einem klaren Fächerkanon mag für einige Schulen sinnvoll sein, andere wollen in der Lernorganisation andere Wege gehen. Diese Freiräume wollen wir den Schulen geben. Dazu kann gehören, dass Schulen sich dazu entscheiden, mehrere Fächer zusammen zu behandeln und stärker mit dem Instrument der Lernfamilien zu arbeiten oder sogar ganz auf das Unterrichten entlang der klassischen Fächer zu verzichten. Dabei wollen wir eine gute Balance zwischen allgemeinen Vorgaben und schulspezifischen Besonderheiten sicherstellen, damit bei der heute üblichen Mobilität für Schüler*innen ein Orts- und Schulwechsel ohne unzumutbare Belastungen möglich bleibt.
Solche Entwicklungen können nur gelingen, wenn sie von den Schulen getragen und wenn die Schulen ihre Lernaktivitäten nachhaltig verfolgen und evaluieren. Dazu wollen wir sie befähigen. Das bedeutet für uns eine deutliche Erhöhung der Anzahl der Funktionsstellen für die Schulentwicklung an allen Schulen und eine deutliche Erhöhung der an Schulen zu verteilenden Entlastungsstunden für die Schulentwicklung. Schulen brauchen außerdem Anregungen zur und Unterstützung bei der inneren Entwicklung, die von den Kolleg*innen selbst vollzogen wird. Unser Ziel ist, dass jede Schule die kontinuierliche Unterstützung durch externe Schulentwicklungsteams erhält, die zentral koordiniert werden, um den Wust aus Förderprogrammen und privaten Angeboten zu ordnen. Wir wollen zudem die Aus- und Fortbildung zu Schulentwicklungsbegleiter*innen sowie deren Arbeit an möglichst allen Schulen stärken.
Demokratische Schule
Wir wollen eine Bildung, die unsere Demokratie stärkt und die Angriffe auf unsere demokratischen Institutionen abwehrt. Wir wollen unsere pluralistische und demokratische Gesellschaft weiterentwickeln und unser Bildungssystem als Ort gelebter Demokratie begreifen und fördern. Unser Bildungswesen muss dazu beitragen, grundlegende demokratische Haltungen zu entwickeln, ein demokratisches Zusammenleben zu gestalten und demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen wie Rassismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus, Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit oder Islamismus vorzubeugen und autoritären sowie totalitären Strömungen und Denkmustern entgegenzutreten. In den Bildungsinstitutionen muss Grundrechtsklarheit herrschen. Antidemokratischen Haltungen und Handlungen sowie jeder Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss konsequent begegnet werden, auch in Form einer Erinnerungskultur, die den Besuch von Gedenkstätten ermöglicht, sodass für Schüler*innen erfahrbar wird: Gegenüber antidemokratischen und menschenfeindlichen Einstellungen gibt es keine Neutralität.
Kinder haben Rechte, und diese Rechte betreffen zahlreiche Themen im Lernalltag. Nur wenn Kinder und Jugendliche ein Bewusstsein über ihre Rechte entwickeln, können sie diese wahrnehmen. Demokratisches Bewusstsein und demokratisches Handeln kann nicht vermittelt, es muss erlernt und erlebt werden. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche Zugehörigkeit, Mitwirkung, Anerkennung und Verantwortung in ihrem Schulalltag lebendig erfahren und darüber die für demokratisches Denken und Handeln notwendigen Einstellungen und Kompetenzen entwickeln und in der Folge selbst zivilgesellschaftlich und demokratiefördernd tätig werden können. Demokratisches Handeln bedeutet mehr, als in demokratischen Verfahren Entscheidungen zu treffen. Demokratie lebt von Mitbestimmung, von der gemeinsamen Aushandlung und der Einhaltung von Spielregeln, von der Fähigkeit, kritisch zu denken, Positionen zu hinterfragen und einzuordnen, aber auch von einem achtsamen, empathischen Umgang untereinander und der Bereitschaft, sich in Andere hineinzuversetzen.
Wir wollen in unseren Bildungseinrichtungen Lernprozesse fördern, die von Emanzipation, Ermutigung zum kritischen Diskurs sowie von gegenseitigem Respekt und gemeinsamem Gestaltungswillen geprägt sind. Unser Ziel ist es, dass unsere Bildungseinrichtungen zu diskriminierungsfreien Orten werden, an denen alle Beteiligten Zugehörigkeit, Mitwirkung, Anerkennung und Selbstwirksamkeit in ihrem Alltag tatsächlich erfahren und darüber die für demokratisches Denken und Handeln notwendigen Einstellungen und Kompetenzen entwickeln und in der Folge selbst zivilgesellschaftlich und demokratiefördernd tätig werden können.
Eine demokratische Schulentwicklung will alle Akteur*innen einer Schule, also Schüler*innen, Eltern, pädagogische und nichtpädagogische Mitarbeiter*innen, in den Prozess einbinden und legt ein besonderes Augenmerk auf die Partizipation aller Beteiligten einer Schule: Wir wollen, dass langfristige Aufgaben, die auf gemeinsamen Vorstellungen zur Entwicklung der Schule beruhen, von allen Beteiligten ausgehandelt werden. So, wie Kinder schon in der Kindertagesstätte kindgerechte Angebote zur Mitbestimmung über gemeinsame Aktivitäten oder die Gestaltung ihres Umfelds erhalten sollen, wollen wir in den Schulen – von der Grundschule bis zum Berufskolleg – das demokratische Aushandeln der pädagogischen Schwerpunkte, der schulischen Entwicklung, die Diskussion über Aktivitäten in der Gruppe und die demokratische Lösung von Konflikten zum regulären Bestandteil des Unterrichts machen und Beteiligungsformen wie Klassenrat oder Schülerparlament in alle Schulen tragen.
Wir wollen die strukturelle und finanzielle Ausstattung der Schüler*innenvertretung verbessern, etwa indem wir ein der Schüler*innenzahl angemessenes Budget für Bezirksschüler*innenvertretungen bereitstellen und Anrechnungsstunden für Verbindungslehrer*innen auf kommunaler Ebene schaffen. In den Schulkonferenzen wollen wir die Vertretung von Schüler*innen zu einem Drittel; in den Fachkonferenzen sollen Schüler*innen über das beratende Mandat hinaus mitbestimmen. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Schüler*innen zukünftig die Möglichkeit haben sollen, ihre Schülersprecher*innen bzw. Schulsprecher*innen direkt zu wählen. Zur konstruktiven Mitarbeit und ‑bestimmung bei Entscheidungen in der Schulkonferenz gehört die Sachkompetenz, begründet Entscheidungen zu treffen. Schüler*innen und Eltern fehlen oftmals Informationen, weil sie an den vorgelagerten Entscheidungsprozessen in der Lehrerkonferenz nicht beteiligt sind. Deshalb wollen wir, dass Schulleiter*innen innerschulisch geeignete Formen der Information entwickeln, indem sie beispielsweise im Vorfeld der Schulkonferenz Vorlagen und ihre Hintergründe den Schüler*innen und auch den Eltern erläutern.
Demokratisch arbeitende Schulen beziehen zudem ihre Elternschaft aktiv in Arbeits- und schulische Entwicklungsprozesse ein. Es zahlt sich aus, die Partizipation und Mitwirkung der Eltern von Beginn an zu verankern und vielfältig zu fördern und Bildungs- und Erziehungspartnerschaften zwischen Schule und Eltern einzugehen und Beteiligung auf der kommunalen Ebene institutionell zu festigen. Wir wollen dazu auch die Projekte ausweiten, die Eltern unabhängig von Herkunft oder sozialer Lage befähigt, in der Schule mitzuwirken. Dies betrifft insbesondere Familien mit Migrationsgeschichte, deren gesellschaftliche Teilhabe durch diskriminierende Strukturen eingeschränkt ist.
Inklusive Schule für alle Kinder
Wir stehen ein für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, selbstbestimmte, gleichberechtigte Teilhabe und größtmöglichen individuellen Bildungserfolg. Es ist normal, verschieden zu sein, und wir streiten dafür, dass jeder Mensch so anerkannt wird, wie er ist. Wir verfolgen das Ziel einer inklusiven, diskriminierungsfreien Gesellschaft und damit auch eines inklusiven Schul- und Bildungssystems. Inklusive Bildung bedeutet, dass jedes Kind an jeder Schule willkommen ist und dass jedem Kind an jeder Schule die Förderung zukommt, die es braucht, um sich zu entfalten und seine Potenziale zu entwickeln. Jedes Kind hat das Recht auf Zuwendung und individuelle Förderung. Wir Grüne haben uns schon immer dafür eingesetzt, längeres gemeinsames Lernen aller Kinder zu ermöglichen – und werden es weiter tun. Der Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule darf nicht den weiteren Bildungsweg vorzeichnen. Wir sehen im gemeinsamen Lernen aller Kinder und damit in den integrierten Schulformen die größten Chancen, Kinder auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten und mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. An dem Ziel einer Schule, an der alle Kinder willkommen sind und gemeinsam lernen, halten wir fest. Die Entwicklung der Anmeldezahlen an Gesamtschulen zeigt uns, dass integrierte Schulen vor allem dann attraktiv sind, wenn sie ihren Schüler*innen auch einen Weg zum Abitur eröffnen.
Eine einseitige Zuspitzung der schulpolitischen Debatte auf die Schulstruktur hat sich als Hindernis herausgestellt, weil sie oftmals den Blick auf nötige Prozesse der Schulentwicklung versperrt hat. Aus diesem Grund wollen wir die Debatte über Fragen der Schulstruktur dialogisch mit den Schulgemeinden und Schulträgern gestalten. Wir setzen auch künftig auf eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Schulen und Schulträgern, wir wollen diese Entwicklung aber stärker flankieren.
Die Hauptschule wird von immer weniger Schüler*innen und Eltern als ein erfolgsversprechender Bildungsweg wahrgenommen, aber in einigen Regionen als „neue Förderschule“ künstlich am Leben erhalten. Wir sehen darin keine Zukunftsoption.
Die Sekundarschule ist eine integrierte Schulform, die sich von der Gesamtschule nur durch das Fehlen der gymnasialen Oberstufe unterscheidet. Sekundarschulen sollen sich zu Gesamtschulen wandeln oder Teilstandorte von Gesamtschulen werden können, sodass der direkte Weg zum Abitur ohne Schulwechsel möglich ist. Realschulen und Gymnasien wollen wir die Möglichkeit geben, sich selbstständig durch Entscheidung der Schulkonferenz in Gesamtschulen umzuwandeln.
Schule soll Geborgenheit und Sicherheit geben. Alle Schulen, auch Realschulen und Gymnasien, sollen alle Kinder und Jugendlichen nach ihren Potenzialen fördern und auf dem Weg zum bestmöglichen Schulabschluss begleiten, mindestens bis zum ersten Schulabschluss nach Klasse 10. Abschulung und (unfreiwillige) Klassenwiederholung soll es nicht mehr geben. Schulversuche, in denen von der 1. bis zur 10. Klasse gemeinsam und ohne Schulwechsel gelernt wird, haben sich als sehr erfolgreich herausgestellt. Wir wollen, dass in Regelschulen die Trennung zwischen Primar- und Sekundarstufenschulen aufgehoben werden kann, die Gründung von Primusschulen auf Landesebene besonders unterstützt und so ermöglicht wird, dass Schulen den gemeinsamen Unterricht von Klasse 1 bis Klasse 13, mindestens jedoch bis zum Ende von Klasse 10 anbieten.
Wir bekennen uns zum Verständnis der inklusiven Bildung der Deutschen UNESCO-Kommission. In diesem Sinn bedeutet inklusive Bildung, „dass allen Menschen – unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer Zugehörigkeit, besonderen Lernbedürfnissen, sozialen oder ökonomischen Voraussetzungen – die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale zu entwickeln.“ Wir wollen das Recht auf qualitativ hochwertige Bildung und Potentialentfaltung für alle Kinder und Jugendlichen verwirklichen – selbstverständlich auch für Geflüchtete.
In Zeiten immer größerer sozialer Spaltung wollen wir aktiv gegen die grassierende regionale Segregation, entlang etwa des ethnisch-kulturellen, ökonomischen oder des Bildungshintergrunds der Eltern, innerhalb des Schulsystems vorgehen. Dafür wollen wir auch außerhalb traditionell bildungspolitischer Bahnen agieren, damit Kinder und ihre Bildungschancen nicht unter gesellschaftlichen Entwicklungen leiden, denen ihre Eltern ausgesetzt sind.
Nicht das Kind muss sich in ein bestehendes System anpassen, sondern das Bildungssystem muss die Bedürfnisse aller Kinder und Jugendlichen berücksichtigen und sich an sie anpassen. Ziel ist es, dass jede Schule – und das bedeutet auch jede Schulform – offen ist für jedes Kind. Jede Schule hat dabei das Anrecht auf die nötige Unterstützung bei der Weiterentwicklung ihrer inneren Strukturen.
Wir sind uns bewusst, dass erfolgreiche schulische Inklusion zahlreiche Voraussetzungen verlangt – aber wir sind davon überzeugt, dass der Weg sich lohnt. Gemeinsames Lernen bedeutet die Chance auf bessere Schule und eine gerechtere, demokratischere und friedlichere Gesellschaft. Vom gemeinsamen Lernen und der konsequenten individuellen Förderung profitieren alle Schüler*innen, gerade auch die leistungsstarken. Inklusive Schule ist dann erfolgreich, wenn jeweils entsprechend hohe Leistungsanforderungen an alle Kinder gestellt werden – auch an jene mit besonderem Förderbedarf.
Wir wollen Schulen ermutigen, eine von Akzeptanz, von Heterogenität und Wertschätzung gegenüber allen Kindern geprägte Schulkultur zu entwickeln. Gelingende Inklusion braucht Ressourcen, die den Schulen materiell und personell zur Verfügung stehen, sowie Unterstützung und pädagogische Freiheit, inklusive Schulentwicklungsprozesse zu gestalten. Inklusion ist eine gewinnbringende, jedoch pädagogisch anspruchsvolle Aufgabe. Darum brauchen insbesondere Schulen mit einem inklusive Profil und einer hohen Zahl von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Bedarfen mehr pädagogische Fachkräfte, kleinere Klassen und Teamzeiten der Lehrkräfte, die auf das Stundendeputat angerechnet werden. Für die inklusiven Schulen sollen die Ressourcen des Landes, der Jugendhilfe, der Sozialämter, kommunalen Integrationszentren und der Schulverwaltung für die Schulen unbürokratisch zusammengeführt werden. In Netzwerken können Sozialverbände, Elternvereine sowie Kirchen und weitere zivilgesellschaftliche Akteur*innen im Sozialraum eingebunden werden. Mit dem klaren Ziel, eine inklusive Schule zu entwickeln, vertrauen wir den Verantwortlichen vor Ort und wollen die notwendige Unterstützung zur Verfügung stellen.
Wir wissen, dass ein inklusives Bildungssystem nicht von heute auf morgen zu erreichen ist. Deshalb wollen wir dafür Sorge tragen, dass zielführende Zwischenziele und Schritte verankert werden. Ein kommunaler bzw. regionaler Schulentwicklungsplan beschreibt die Entwicklungsschritte hin zu einem inklusiven Schulsystem, das alle Schulen einbezieht. Auf diesem Weg müssen als Zwischenschritt sogenannte Vorreiterschulen besonders ausgestattet werden. Sie sollen an ein kommunales/regionales Unterstützungszentrum direkt mit angebunden sein, in dem Schulpsychologie, Jugend- und Sozialhilfe, Beratung und Fortbildung zur Verfügung stehen. An die Schulen angeschlossen sind Bildungsräume, die Schüler*innen in speziellen Unterstützungssituationen temporär neue pädagogische Möglichkeiten in unmittelbarer Kooperation mit der Jugendhilfe eröffnen. Kinder mit emotionalen und sozialem Förderbedarf, aber auch schulmüde Schüler*innen finden so in multiprofessionellen Settings Unterstützung. Auch in diesen mit der Schule eng verbundenen alternativen Bildungsräumen bleiben sie Schüler*innen ihrer Schule. Beginnend mit den Vorreiterschulen, insbesondere an den Ganztagsschulen, werden Therapie- und Pflegeräume eingerichtet. In der Schulleitung wollen wir die Inklusionskoordination mit einer Funktionsstelle verankern und Teamzeiten ausbauen. Dieser Prozess wird sukzessive begleitet durch eine veränderte Lehrerausbildung. Mehr und mehr Lehrer*innen werden im „Umgang mit Vielfalt insbesondere mit Blick auf ein inklusives Schulsystem“ aus- und fortgebildet.
Wir wollen die Schulen auf dem Weg zur Inklusion dahingehend unterstützen,
- dass fest installierte multiprofessionelle Klassen-, Jahrgangs- und Stufenteams gemeinsam Verantwortung für alle Kinder übernehmen,
- dass Sonderpädagog*innen verlässlich und fest im Kollegium verankert sind und Teamwork und Reflexion auf Seiten der Pädagog*innen sowie vertrauensvoller kooperativer Umgang mit den Eltern gelebt werden,
- dass die systematische Vorbereitung der Kollegien im Rahmen von Fortbildung auf didaktische und diagnostische Herausforderungen gestärkt wird,
- dass jede Schule auf ein kommunales/regionales Unterstützungszentrum zurückgreifen kann,
- dass sie insgesamt eine Kultur der Wertschätzung von Verschiedenheit, des gegenseitigen Respekts, der Empathie und des achtsamen Umgangs miteinander entwickeln,
- dass kollegiale Fallbesprechungen sowie gemeinsame Unterrichtsplanung durch systemische Zeitressourcen gefördert werden,
- dass die notwendigen Instrumente und Materialien zentral zur Verfügung gestellt werden,
- dass auf der Ebene der Schulleitung eine Funktionsstelle Inklusionskoordination etabliert wird,
- dass Schulbegleiter*innen eine Umfassende Ausbildung und Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten,
- dass Schulbegleiter*innen in Form von Pool-Lösungen einen festen Platz in der kommunalen Schulbehörde bekommen in Ergänzung zur freien und individuell passenden Wahl von externen Schulbegleiter*innen.,
- dass Schulbegleiter*innen eine faire und durchgehende Bezahlung erhalten.
Die Verteilung von Schulplätzen für Kinder im Gemeinsamen Lernen darf nicht ohne Einbeziehung der Schulleitungen stattfinden. Die Kooperation der Schulen soll unterstützt werden. Das Recht der Eltern im regulären Anmeldeverfahren anzumelden bleibt davon unberührt ebenso wie die Aufnahmeentscheidung der Schulleitung.
Wir wollen, dass die inklusive Schule grundsätzlich barrierefrei ist bis hin zur Raumausstattung und ‑gestaltung (z. B. Akustik, technische Hilfsmittel). Therapie und Pflege gehören zum Raumprogramm. Das Programm Gute Schule soll über 2020 hinaus mit den Inklusionsbedarfen weitergeführt werden. Die Schulen brauchen verbindliche bauliche Standards, die sicherstellen, dass sowohl pädagogische Bedarfe als auch die Bedürfnisse der in den Schulen Beschäftigten passgenau abgebildet werden.
Wir begrüßen darum, dass es von Seiten der kommunalen Spitzenverbände einen Prozess gibt, verbindliche bauliche Standards wieder zu definieren, und setzen uns dafür ein, mit Kommunen vereinbarte bauliche Standards als Landesrichtlinie zu übernehmen. Perspektivisch sollen alle Schulen des Landes mit sonderpädagogischen Abteilungen ausgestattet werden, die Therapieräume, Pflegeeinheiten und Ruheräume sowie kleinere Unterrichtsräume bereitstellen. Schwerbehinderte Kinder und Jugendliche könnten hier immer dann betreut werden, wenn der Aufenthalt in einer Regelklasse aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen zeitweilig nicht möglich ist. Kinder mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gehören zur Schulgemeinschaft und sollen Teil einer Klassengemeinschaft sein. Dafür ist es wichtig, dass sie den ihnen möglichen Teil des Unterrichts und die freie Zeit innerhalb der Schule mit ihrer Klasse verbringen.
Förderschulen sollen sich für inklusive Entwicklungsprozesse weiter öffnen. Auch die Förderschulen der Landschaftsverbände gewährleisten bereits jetzt die förderschulpädagogische Expertise in den allgemeinen Schulen. Als Zwischenschritte im inklusiven Entwicklungsprozess sind regelhafte und kontinuierliche Kooperationen zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen denkbar bis hin zur Aufnahme von Regelschüler*innen (reverse Inklusion). So kann ein besseres Verständnis für inklusive Prozesse ermöglicht werden. Langfristiges Ziel bleibt die gemeinsame Unterrichtung aller Schüler*innen in einer Schule.
Wir wollen zudem eine Reform der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs (AOSF-Verfahren) vornehmen. Auf der Grundlage valider, differenzierter Diagnostik und unter Einbeziehung aller Beteiligten soll ein besonderer Förderbedarf (inklusive Hochbegabung) festgestellt und überprüft werden. Das kann durch die Unterstützungszentren erfolgen, die ggf. die Erlaubnis erteilen, vom Curriculum der Regelschule abzuweichen, und bei individuellen Förderplänen multiprofessionelle Unterstützung leisten können. Grundsätzlich sollte eine Diagnostik die individuelle Förderung für alle Kinder unterstützen. Auch eine unabhängige Elternberatung soll in den Unterstützungszentren angesiedelt werden.
Unterschiedliche Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten machen Schulen oft die eigenständige, selbstbestimmte und selbstverantwortete Entwicklung schwer. Wir schlagen daher vor, die Zuständigkeiten neu zu organisieren und die Entscheidungsbefugnisse auf der Ebene anzusiedeln, auf der sie möglichst effektiv sind. Ein entscheidender Faktor einer guten Bildung für die Gegebenheiten vor Ort ist neben den Rahmenbedingungen der Landesebene aus unserer Sicht eine kluge und verbindliche kommunale bzw. regionale Bildungsplanung. Wir wollen dafür zusätzliche Ressourcen in Form von regionalen Budgets schaffen, um auch schulübergreifende Personal- und Finanzbedarfe abdecken zu können. Solche Bedarfe entstehen vor allem durch ein die Schulentwicklung begleitendes Beratungs- und Unterstützungssystem, das auf der Ebene der Regionen, d. h. der Kreise oder kreisfreien Städte, angesiedelt sein soll. Über den Einsatz der Ressourcen aus den regionalen Budgets soll eine regionale Steuergruppe entscheiden, die sich aus Vertreter*innen der Schulaufsicht, der regionalen Schulträger sowie der Schulen in der Region zusammensetzt. Schulverwaltung und Schulaufsicht wollen wir in diesem Sinne reformieren.
Aus- und Fortbildung
Pädagogische und fachliche Kompetenzen sind die Grundlagen dafür, dass Lehrkräfte Unterricht zielführend konzipieren, der fachwissenschaftlich abgesichert und langfristig angelegt ist und der das Entwicklungspotenzial und das Entwicklungsniveau der Schüler*innen berücksichtigt. Darüber hinaus sind Lehrer*innen Erziehungspersonen, die in erheblichem Maße Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen nehmen können. Der verantwortliche Umgang mit Heranwachsenden erfordert ein Berufsethos, das Wertmaßstäbe für die Ausprägung einer entsprechenden pädagogischen Haltung beinhaltet. Da diese jedoch niemals statisch sind, müssen die Lehrkräfte ein Verständnis von beruflichen Anforderungen, Handlungen und Funktionszusammenhängen entwickeln, das eigene berufliche Handeln evaluieren und durch Fortbildung für den Anschluss an wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte sorgen.
Wir wollen deshalb, dass sich Lehrer*innen verpflichtend kontinuierlich und professionell fortbilden. Der Transfer in die Praxis muss grundlegender Bestandteil der Planungen von Fortbildungsangeboten sein. Dafür brauchen wir eine Verknüpfung zwischen Aus- und Fortbildung. Wir wollen schon im Referendariat und dann nach der Ausbildung feste Zeiten für Fortbildung etablieren.
Wir wollen Schulen dabei unterstützen, Fortbildungskonzepte zu erstellen, die allen Kolleg*innen Freiräume für Fortbildung schaffen. Dabei ist es uns wichtig, auch gemeinsames Lernen und gegenseitiges Fortbilden innerhalb der Kollegien und in regionalen Schulnetzwerken zu stärken. Fortbildung sollte kontinuierlich in Lerngemeinschaften erfolgen können und nicht punktuell in Top-Down-Angeboten realisiert werden.
Wir sehen großen Reformbedarf in der Lehramtsausbildung, nicht zuletzt auch, damit zukünftige Lehrer*innen den hier formulierten Ansprüchen gerecht werden können. Ein derartig verändertes Schulsystem stellt auch neue Herausforderungen und Anforderungen an zukünftige Lehrer*innen und verbindliche und regelmäßige Fortbildungen, die sich an Erkenntnissen der neueren empirischen Bildungsforschung orientieren müssen. Das Lehramtsstudium und Fortbildungsangebote müssen sich deshalb grundlegend neu ausrichten, etwa was Querschnittsthemen wie Inklusion und Digitalisierung und die Schaffung von mehr Chancengleichheit angeht. So müssen Lehrkräfte etwa durch verpflichtende Fortbildungen digital geschult werden, um die Nutzung digitaler Medien im Unterricht zu gewährleisten. Bildung findet in Gruppen und Klassen statt, die sozialen Prozesse sind von sehr großer Bedeutung für die Entwicklung und den Bildungserfolg aller Kinder. Damit jedes Kind frei von Mobbing, Ausgrenzung und sozialem Druck lernen, seine Persönlichkeit und eine positive Selbstwirksamkeitserwartung entwickeln kann, müssen alle pädagogischen Fachkräfte und alle Lehrenden durch praxisorientierte Aus- und Weiterbildung in die Lage versetzt werden, gruppendynamische Prozesse gestalten zu können.
In einem weiteren Diskussionsprozess werden deshalb zeitnah die zukünftige Struktur der Lehramtsausbildung, die Ausrichtung von Lehrämtern und die Qualifizierung von Seiteneinsteiger*innen diskutiert und Vorschläge für eine grundlegende Reform in den grünen Gremien erarbeitet. Ein Ergebnis wird im kommenden Jahr der Landesdelegiertenkonferenz zur Abstimmung vorgelegt.
Berufskollegs
Das Berufskolleg ist mit einem Anteil von zwei Dritteln aller Schüler*innen die stärkste Institution der Sekundarstufe II, in der bildungspolitischen Diskussion aber unterrepräsentiert. Das Berufskolleg vermittelt umfassende fachliche, berufliche, soziale und personale Handlungskompetenz und bereitet außerdem auf ein lebensbegleitendes Lernen vor. Aufgrund seiner komplexen Struktur und der Anforderungen u. a. an die Kooperation mit den Partnern in der dualen Ausbildung stellt das Berufskolleg ein ganz eigenes System dar und steht vor besonderen Herausforderungen und Chancen.
Wir wollen die Kompetenzen der Berufskollegs stärker nutzen und ausbauen und sie zu Orten innerhalb einer neuen beruflichen Weiterbildungsstruktur machen. Einen Ansatzpunkt stellen dabei die Lernwerkstätten 4.0 dar. Sie entstehen in Zusammenarbeit mit den Akteur*innen im regionalen Wirtschaftsraum, mit Handwerk, Unternehmen, Gewerkschaften, Kommunen und Wirtschaftsförderung. Wir schlagen vor, Lernwerkstätten verstärkt an den Berufskollegs anzusiedeln und diese damit (auch im ländlich strukturierten Raum) als regionale Kompetenzzentren zu stärken.
Die Flexibilisierung, Selbstbestimmung und Verantwortung der Schulen in der Personalgewinnung und -steuerung ist eine Grundvoraussetzung dafür, dem aktuellen Lehrkraftmangel an den Berufskollegs zu begegnen. Es braucht aber weitere Anstrengungen. Wir wollen die grundständige Lehramtsausbildung für das BK stärken und weitere Zugänge attraktiv machen. Wir schlagen vor, durch die Möglichkeit von Aufstiegsqualifizierungen mehr Menschen für die Arbeit am BK zu gewinnen. Berufsbegleitende Qualifizierungen von Seiteneinsteiger*innen wollen wir mit mehr Entlastungsstunden ausstatten. Wir schließen uns auch der Forderung der Berufskollegverbände zur konsequenten Einführung eines „Aufbaumasters“ an. Eine Anerkennung von Bachelorabschlüssen mit BK-relevanten Fachinhalten sollte mit einem bildungswissenschaftlichen und didaktisch orientierten Master zum BK-Lehramt führen können. Auch Werkstatt- und Fachlehrkräfte könnten in Anerkennung der notwendigen beruflichen Expertise auf entsprechendem Niveau für Aufstiegsqualifikationen gewonnen werden. Entsprechend ihrer Qualifikationen und tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben sollte auch Technischen Lehrkräften die Höherqualifizierung geöffnet werden, um ein umfängliches Unterrichtsangebot sichern zu können.
In einem Flächenland wie NRW steht die berufliche Bildung gerade in den ländlich strukturierten Räumen vor erheblichen Transformationsprozessen. Wir wollen daher die berufliche Grundbildung in der Fläche stärken und eine Flexibilisierung und Ressourcenunterstützung bei der Bildung von Fachklassen in der Koordination und Abstimmung der Ausbildungschancen im regionalen Wirtschaftsraum auf den Weg bringen. Aber auch die Digitalisierung bietet Möglichkeiten, diesem Problem zu begegnen. Blended Learning (computergestütztes Lernen) und weitere innovative Formate des Lernens mit Unterstützung digitaler Medien wollen wir in einen Entwicklungsprozess einbinden, von dem das berufliche Bildungsangebot insgesamt profitieren kann. Wir wollen das Landesportal Berufsbildung.NRW in diesem Sinn ausbauen. Außerdem wollen wir die Entwicklung einer kommunalen bzw. regionalen Entwicklungsplanung der Berufskollegs und Kooperation vorantreiben, damit in Verbindung mit einer qualitativ hochwertigen beruflichen Grundbildung im Ausbildungsverlauf die notwendige fachliche Vertiefung auf regionaler Ebene gewährleistet ist. Durch Kooperation können im BK-Verbund an den jeweiligen Standorten in den fachlichen Schwerpunkten dem technologischen Fortschritt entsprechende Ausstattungen vorgehalten werden.
Die schulische und duale Berufsausbildung sind immens wichtige Pfeiler des Bildungssystems. Ihr großes Plus ist ihre Mischung aus Praxis und Theorie. Allerdings fehlt es in NRW an Ausbildungsplätzen, wenn auch mit starken regionalen Unterschieden. Wir fordern eine Ausbildungsgarantie für alle jungen Menschen, damit niemand am Übergang von der Schule in den Beruf verloren geht. Für Erstausbildungen wollen wir die Gebühren abschaffen und für alle eine Mindestausbildungsvergütung einführen.
Die berufliche Bildung wollen wir wesentlich attraktiver gestalten, ohne sie gegen die akademische auszuspielen. Junge Menschen sollen die Wahlfreiheit haben, ob sie eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen möchten. Wir wollen mehr Fachkräfte für die Herausforderungen für morgen, auch um Mangelsituationen in einzelnen Branchen und Regionen zu überwinden.
Berufliche Bildung
Eine stringente berufliche Orientierung und Bildung gewinnt zunehmend an Bedeutung, um jungen Menschen frühzeitig eine individuelle Perspektive zu ermöglichen und um den zukünftigen Fachkräftebedarf zu sichern. Wir setzen uns dafür ein, ein Gesamtkonzept zur beruflichen Bildung zu entwickeln, welches den Erfordernissen einer Weiterentwicklung von „Kein Abschluss ohne Anschluss“ (KAoA) genauso Rechnung trägt wie einem verbesserten Übergangsmanagement von Schule in Ausbildung und Studium. Die Potenziale der Dualen Ausbildung müssen dringend einen neuen Stellenwert in der beruflichen Bildung erhalten. Ausbildungsordnungen existierender Berufe müssen auf die Erfordernisse einer nachhaltigen Gesellschaft hin überarbeitet werden („grüne“ Berufsbilder). Hierzu sind geeignete Aktivitäten auf nationaler Ebene anzuregen. Wir werden dazu in naher Zukunft detaillierte Vorstellungen erarbeiten.
Für eine gelingende Kooperation zwischen Bund und Land in der Bildung
Um Chancengleichheit zu gewährleisten und unsere Kindertagesstätten und Schulen fit für die Zukunft zu machen, müssen Bund, Land und Kommunen an einem Strang ziehen. Der viel postulierte Wettbewerb der Bundesländer ist insbesondere mit Blick auf die schulische Bildung der falsche Weg. Kinder und Jugendliche haben das Recht auf bestmögliche Bildungschancen und darauf, ihre Potentiale voll ausschöpfen zu können – unabhängig von ihrem Wohnort. Statt Wettbewerb brauchen wir einheitliche Standards, den Abbau von Mobilitätshemmnissen und die Möglichkeit des Bundes, große Projekte – wie den Ausbau der Ganztagsschulen oder der Inklusion – in Abstimmung mit den Bundesländern zu steuern und zu finanzieren. Die jüngst erfolgte Grundgesetzänderung ist hierfür ein erster Schritt. Um den Herausforderungen unseres Bildungssystems im Sinne der Kinder und Jugendlichen und auch der Lehrkräfte gerecht zu werden, ist er aber zu klein. Wir plädieren dafür, eine Rahmengesetzgebung auf Bundesebene zu schaffen, die Instrumente zur Herstellung gleicher Möglichkeiten der Bildungsteilhabe sowie Rechtsansprüche, die in allen Bundesländern gleichermaßen gewährleistet werden müssen, umfasst.
Innovative und starke Hochschulen
Auch die Hochschulen stehen vor einem Transformationsprozess. Damit dieser auch in der Hochschule gelingt, wollen wir allen Beteiligten mehr Selbstbestimmung und Verantwortung bei der Gestaltung der Hochschule geben. Für uns stehen die Studierenden als mündige und selbstbestimmte Akteur*innen im Mittelpunkt der Hochschulpolitik. Wir wollen ihnen bestmögliche Bedingungen bieten, damit sie ihr Studium frei, selbstbestimmt und erfolgreich durchführen können. Wir schlagen vor, ein Recht auf gute Lehre auch gesetzlich zu verankern. Wir wollen Leitlinien einführen, die in den Prüfungsordnungen neben der Vermittlung des Fachwissens auch dessen kritische Reflexion, methodische Kompetenz und Grundsätze wissenschaftlichen Arbeitens verankern. Überdies sollen Interdisziplinarität, gesellschaftliche Verantwortlichkeit, Internationalität und Bildung für nachhaltige Entwicklung curriculare Berücksichtigung finden.
Wir vertrauen darauf, dass die Studierenden selbst entscheiden können, wie sie zu ihrem akademischen Ziel kommen, und sehen die Entwicklung von Eigenständigkeit als Teil der akademischen Ausbildung an. Studierende sollen soweit wie möglich entscheiden können, wann und welche Lehrveranstaltungen sie besuchen. Dafür werden flexibel gestaltete Studiengangmodelle benötigt, die passgenau die Vielfalt der Studierenden (Engagement, Pflege, Behinderung etc.) mitdenken.
Hochschulen müssen offen für alle gesellschaftlichen Gruppen und frei von Diskriminierung sein. Vielfalt bereichert nicht nur unsere gesamte Gesellschaft, sondern sorgt auch in Forschung und Lehre für wichtige Impulse und neue Perspektiven. Studierende haben unterschiedliche Lebensrealitäten, sind unterschiedlichen Diskriminierungen ausgesetzt und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Es kann nach wie vor festgestellt werden, dass sich etwa strukturelle wie soziale Benachteiligungen von Geschlecht, sozialem und/oder Migrationshintergrund negativ auf einen akademischen Werdegang auswirken. Deshalb brauchen wir mehr Angebote für individuelle Förderung und den Abbau dieser Benachteiligungen. Das gilt auch in Bezug auf den Ausbau von diversity-gerechten Strukturen wie der Festigung von Beratungsstellen, einem dauerhaften Angebot von Kinderbetreuung oder auch dem Bereitstellen von Hilfsmitteln für Studierende mit Behinderung sowie Rückzugsmöglichkeiten.
Studierende benötigen eine Studienfinanzierung, die den Lebensunterhalt – und insbesondere die Wohnkosten – tatsächlich und über das gesamte Studium in allen Lebenslagen abdeckt und die nicht auf der anderen Seite von Studiengebühren konterkariert wird. Viele Studieninteressierte sind auf eine finanzielle Unterstützung zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und sonstiger Studienkosten angewiesen. Studierende dürfen aber nicht vom Geldbeutel der Eltern oder einer Nebenerwerbstätigkeit in hohem Umfang abhängig sein. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist hier unzureichend ausgestaltet. Der Bund muss daher das BAföG weiterentwickeln. Es muss eine deutlich höhere Studienfinanzierungshilfe, weniger Bürokratie und die Ermöglichung eines Teilzeitstudiums beinhalten. Außerdem muss es familiengerecht gestaltet werden. Die Wohnkostenpauschale muss dabei flexibel sein. Mittelfristig sollte das BAföG zu einem Zwei-Säulen-Modell weiterentwickelt werden, das aus einem allgemeinen und einem individuell bedarfsangemessenen Zuschuss besteht. Beide Leistungen sollen nicht zurückgezahlt werden müssen.
Wir wollen die Selbstbestimmtheit und Selbstverantwortung von Hochschulen fördern. Die demokratische und die selbstbestimmte Hochschule sind zwei Seiten einer Medaille. Die Ausgestaltung von Prüfungsordnungen soll beispielsweise im Rahmen demokratischer Verfahren unter gleicher Beteiligung aller Statusgruppen erfolgen, damit es aus der Sicht aller ein gutes Studium wird. Wir wollen selbstbestimmte Hochschulen, an denen sich Studierende an der Gestaltung des Hochschullebens, der Rahmenbedingungen von Lehre und auch deren Weiterentwicklung beteiligen können. Auch grundsätzlichere und hochschulweite Diskussionen und Entscheidungen haben wesentliche Auswirkungen auf Studium und Lehre. Daher müssen alle Statusgruppen gleichwertig an den Hochschulen auf allen Ebenen beteiligt werden. Natürlich gibt es rechtlich geschützte Kernbereiche, wo eine Professorenmehrheit gelten muss, aber in vielen anderen Bereichen müssen Aushandlungsprozesse unter allen Gruppen stattfinden. Daher soll die Gruppenparität im Senat und eine starke studentische Präsenz in anderen Gremien der Hochschulen der Normalfall sein.
Gute Arbeitsbedingungen sind ebenso Voraussetzungen für Selbstbestimmung und kreative Ideen bei der Mitgestaltung der Hochschule als auch für eine gute Lehre. Allen Mitarbeiter*innen müssen gute Arbeitsbedingungen geboten werden.
Wir stehen für Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit, die ihr Fundament in gesellschaftlicher Verantwortung haben. Dazu gehört, dass Hochschulen Beiträge zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt leisten. Dazu gehört auch ein intensiverer und ständiger Austausch mit der Zivilgesellschaft und mit der Wirtschaft. Diese Gedanken von Freiheit, Verantwortung und Austausch stehen in direkter Wechselwirkung mit und haben auch Auswirkungen auf die Lehre an Hochschulen.
Die umfassende und systematische Nutzung digitaler Technik als Lern- und Arbeitswerkzeug ist Grundlage und Selbstverständlichkeit. Bei vielen Hochschulen sehen wir dabei noch Potential. Zwar gehören digitale Semesterapparate in der Lehre heute zum Standard, aber E-Learning- und Blended-Learning-Modelle finden nur langsam Verbreitung. Digitalisierung kann dazu beitragen, den Zugang zu Bildung und eine inklusivere Hochschulbildung, mehr Kollaboration von Lehrenden und Lernenden, sowie interdisziplinäres Arbeiten zu ermöglichen. Dabei ist es allerdings mit Plattformen und möglichst innovativen Lehrformaten nicht getan: Digitalisierung darf nicht als Placebo für gute Lehre genommen werden, sie muss unter Beteiligung von Studierenden und unter didaktischer Einbettung stattfinden. Die Anwendung digitaler Medien kann und muss je nach Medium, Lernziel und Lernenden stark variieren. Eine große Priorität sollte daher die Vermittlung von Medienkompetenzen im Zusammenspiel mit Didaktik bei den Lehrenden und Lernenden einnehmen.
Auch die Verwaltungsstrukturen wollen wir mit den Techniken der Digitalisierung vereinfachen.
Hochschulen können nur dann gute Ergebnisse in Lehre und Forschung bringen, wenn bei der Hochschulfinanzierung ausreichend Grundmittel zur Verfügung stehen. Wir wollen die Abhängigkeit der Hochschulen von Dritt- und Programmmitteln beenden, weil sie ein permanenter Unruheherd im Wissenschaftsbetrieb ist. Die Rot-Grüne Landesregierung hat die Studiengebühren abgeschafft, weil sie unsozial und diskriminierend sind. Dabei sollte es auch bleiben. Stattdessen sollten die bestehenden Qualitätsverbesserungsmittel für die Hochschulen entsprechend den Studierendenzahlen dynamisiert und vorwiegend für die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses zwischen Professuren und Studierenden verwendet werden.
Sowohl innerhalb als auch zwischen den Hochschultypen bestehen unterschiedliche Ausgangslagen der Finanzierung, die meist nur Zeichen ihrer Zeit sind und keinen sachlichen Grund haben. Bei der Hochschulfinanzierung benötigen wir mehr Fairness und Transparenz. Dazu gilt es, ein neues Finanzierungssystem für die Hochschulen nach klaren und vergleichbaren Indikatoren zu etablieren. Darüber hinaus soll der Anteil von Programmmitteln reduziert und im Gegenzug das Budget für die Grundfinanzierung deutlich erhöht werden. Die Hochschulfinanzierung sollte aus unserer Sicht aber verstärkt als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern gesehen werden, denn an vielen Stellen kann die Umsetzung der Ideen für eine Hochschulausbildung auf dem Stand der Zeit nur mit zusätzlicher Unterstützung des Landes und des Bundes erfolgen.
Weiterbildung
Das lebensbegleitende Lernen ist die Grundlage dafür, die individuellen Potenziale nach Abschluss der Schule, der Ausbildung oder des Studiums weiter zu entfalten und zu entwickeln, Selbstwirksamkeit zu erfahren und umfängliche gesellschaftliche Teilhabe zu verwirklichen. Gerade die gemeinwohlorientierte (öffentlich finanzierte, nicht gewinnorientierte) Weiterbildung leistet einen unverzichtbaren Beitrag, Bildungszugänge für Bildungsbenachteiligte und Menschen, die das Bildungswesen nicht bzw. bislang nicht wirksam erreichen konnte, neu zu erschließen. Volkshochschulen, Familienbildungsstätten, Bildungswerke von Gewerkschaften, Kirchen, die Freie Wohlfahrtspflege und weiteren freie Träger der politischen Bildung wirken vielfältig im Sinne dieses Leitbildes. Weiterbildung ist für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und das demokratische Gemeinwesen ebenso ein unverzichtbarer Faktor wie für die volkswirtschaftliche Entwicklung, denn, wie beschrieben, wird die Digitalisierung nicht zu einer einmaligen, sondern zur permanenten Disruption führen. Diese Veränderung zerstört endgültig die Fiktion einer einmaligen Bildung, die für das gesamte berufliche Leben ausreicht. Weiterbildung wird damit zum Kernelement eines selbstbestimmten Arbeitslebens und zur Versicherung dafür, dass Menschen trotz der permanent stattfindenden Transformationsprozesse nicht abgehängt werden. Durch den demographischen Wandel wird die Notwendigkeit noch verstärkt. Wir wollen, dass der Zweite Bildungsweg als Pflichtaufgabe gleichgestellt wird.
Weiterbildung ist Daseinsvorsorge. NRW bietet im Bundesländervergleich eine ausgeprägte und starke Weiterbildungslandschaft. Gerade die Weiterbildung als kommunale Pflichtaufgabe
muss aber dringend ausgebaut und gestärkt werden. Das betrifft eine lückenlose Sprachförderkette, flächendeckende Angebote für Grundbildung und Alphabetisierung sowie ein besonderes Augenmerk auf das Nachholen von Schulabschlüssen. Wer den Abbau von Bildungshindernissen und gesellschaftliche Integration und Teilhabe vorantreiben will, muss Menschen ungeachtet von Herkunft und Aufenthaltsstatus das Recht auf Weiterbildung gewähren. Wir wollen, dass die Weiterbildung inklusiv gestaltet wird, und allen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Handikap oder Aufenthaltsstatus, zugänglich ist. Begleitende, niedrigschwellige Kinderbetreuung muss verlässlich gefördert werden, um beiden Elternteilen die Teilnahme zu ermöglichen.
Wir wollen, dass die politische Bildung als Angebot zur Demokratiebildung unabhängig gefördert wird. Die Vermittlung der demokratischen Prinzipien, das Verständnis des Grundgesetzes und der Menschenrechte, das Verstehen des Staates und eines komplexen politischen Systems, gehören zum Grundbestand einer informierten, lebendigen und weltoffenen Demokratie. Toleranz und Kritikfähigkeit, sowie die Befähigung zu aktiver Partizipation am politischen Geschehen des eigenen Landes und die Vermittlung von Pluralitätskompetenz gehören zu den Zielen.
Wir wollen die Weiterbildung solidarisch finanzieren.So sehr immer wieder die Bedeutung der Weiterbildung insgesamt hervorgehoben und betont wird, so sehr ist sie doch immer noch von strukturellen Defiziten und einer nicht ausreichenden Finanzierung geprägt, die sich gerade im Bereich des pädagogischen Personals bemerkbar macht. Die Verdienstmöglichkeiten, die Stundensätze und die soziale Absicherung sind unzureichend. Eine Verbesserung dieser prekären Arbeitsverhältnisse trägt zur Sicherung der Professionalität und der Qualität der Arbeit der Weiterbildung bei.
Die Frage der mangelnden Ressourcen begleitet nicht nur das Personal im Weiterbildungsbereich, sondern auch andere Felder der Arbeit. Die Kontinuität, Nachhaltigkeit und Förderfähigkeit neuer Angebote muss durch gesetzliche, sichere Förderung garantiert werden. Wir wollen, dass sich der Bund seiner größeren Finanzierungsverantwortung sowohl für die gemeinwohlorientierte wie auch für die berufliche Weiterbildung stellt und gemeinsam mit Ländern und Kommunen die 4. Säule im Bildungssystem in Qualität und Quantität gleichwertig ausbaut und stärkt. Wir benötigen daher eine bundeseinheitliche Gesetzgebung und entsprechende Finanzierung.
Wir wollen eine Fördersystematik etablieren, die innovative, niedrigschwellige Angebotsformen ermöglicht. Wir schlagen deshalb eine verlässliche Sockelfinanzierung verbunden mit einer Abkehr von der aktuell dominierenden „Projektitis“ vor. Über sozialraumorientierte Konzepte kann der Blick mehr auf bildungsbenachteiligte Zielgruppen gerichtet werden, um neue Wege der Partizipation und zur Selbsthilfe zu erproben. Wir wollen eine systematische sozialpädagogische Begleitung der Projekte etablieren, um den Erfolg dieses zweiten Bildungsweges zu unterstützen.
Wir wollen zudem mehr öffentliche Verantwortung und einen klar definierten öffentlichen Bildungsauftrag, auch im Bereich der beruflichen Bildung. Er muss sich über die gesamte Erwerbsbiografie erstrecken. Wir wollen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung unter Beteiligung der Sozialpartner*innen und in enger Abstimmung mit dem Bund und den Akteurinnen und Akteuren der Weiterbildung eine berufliche Weiterbildungsinfrastruktur entwickeln. Es geht um arbeitsplatznahe und praxisorientierte Lernprozesse, die nicht nur den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit im Blick haben, sondern ebenso die Ausschöpfung der individuellen Entwicklungspotenziale mit dem Ziel der Höherqualifizierung berücksichtigen. Wir wollen die Vernetzung von Weiterbildung mit anderen Bildungssektoren, insbesondere mit dem System der beruflichen Erstausbildung, verbessern und die Arbeit der regionalen Bildungsnetzwerke entsprechend verbindlich entwickeln.
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