Beschluss des Landesparteirats am 27.10.2019 in Essen
Olympische und Paralympische Spiele faszinieren und polarisieren. Die Austragung von Sportgroßveranstaltungen wird oftmals von intensiven öffentlichen Debatten über das Für und Wider dieser Ereignisse begleitet. Bei vielen Sportfans lösen Olympische und Paralympische Spiele Faszination und Begeisterung aus. Für junge Leistungssportler*innen ist die Teilnahme an Olympischen oder Paralympischen Spielen ein besonderer Ansporn und ein Höhepunkt ihrer Karriere. Aber auch für den Breitensport können Olympische und Paralympische Spiele Impulse setzen. So gehen die sogenannte Trimm-Dich-Bewegung und der „Goldene Plan“ zum Ausbau Sportstätteninfrastruktur in Deutschland nicht zuletzt auf die Austragung der Olympischen Spiele 1972 in München zurück.
Sport transportiert in besonderem Maße Werte wie Fairness, Respekt und interkulturelle Verständigung. Diesen Werten fühlt sich auch die Olympische und Paralympische Bewegung verbunden, auch wenn sie offensichtlich immer wieder durch ihre Funktionäre in Frage gestellt werden. Olympische und Paralympische Spiele schaffen Begegnungen verschiedener Menschen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern und Kulturen – im Olympischen bzw. Paralympischen Dorf, bei den Wettkämpfen, aber auch auf den Rängen zwischen Fans.
Olympische und Paralympische Spiele können Entwicklungsimpulse für die austragenden Regionen setzen. So profitiert München noch heute von der U-Bahn, die im Zuge der Vorbereitungen auf die Spiele gebaut wurde. In London und Barcelona wurden neue Stadtteile erschlossen und entwickelt. Nachhaltige Spiele bedeuten, dass genau diese langfristigen Effekte in die Planungen einbezogen werden müssen. Negativbeispiele wie in Rio oder Sotchi laufen nicht nur dem Nachhaltigkeitsgedanken zuwider, sondern haben auch nichts mehr mit einem Olympischen Gedanken gemein, der an Spielen für Menschen und Region orientiert ist.
In den letzten Jahren sind die weltweiten Sportverbände aber nicht nur wegen des Gigantismus einzelner Austragungsorte mit Zwangsumsiedlungen und Umweltzerstörungen in die Kritik geraten. Immer neue Korruptionsaffären erschüttern den Sport. Der Verdacht, es ginge nicht um Sport, und schon gar nicht um die Athlet*innen, sondern rein um wirtschaftliche Interessen und Profite, haben dem verbindenden Charakter des Sports und dem Olympischen und Paralympischen Gedanken große Risse zugefügt. Das IOC steckt in einer Vertrauenskrise. Bei der Vergabe und Austragung von Sportgroßereignissen müssen demokratische, menschenrechtliche, soziale und ökologische Mindeststandards gelten. Darüber hinaus müssen Kosten und Verteilung von finanziellen Lasten und Gewinnen transparenter werden.
Initiative Rhein Ruhr City 2032
Die private Initiative „Rhein-Ruhr-City 2032“ hat das Ziel die Olympia-Sommerspiele 2032 in die Rhein-Ruhr-Region zu holen. Das Konzept sieht die Austragung in 14 Städten vor. Ausdrücklich betont wird ein nachhaltiges Konzept, von dem die ganze Region profitieren soll. Die Initiative „Rhein-Ruhr-City 2032“ verweist vor allem darauf, dass 80% der für Olympia benötigten Sportstätten bereits vorhanden seien. NRW ist ein Leistungssportland mit einer breit aufgestellten Sportstättenlandschaft, das schon mehrfach bewiesen hat, das es Sportgroßereignisse stemmen kann. Trotzdem würden noch Investitionsbedarfe in eine olympiataugliche Sportstätteninfrastruktur von Nöten sein.
Auch die Landesregierung hat angekündigt sich im Herbst in dieser Frage zu positionieren. Der Ministerpräsident hat aber bereits sehr positive Signale in Richtung der Initiative gesendet. Allerdings kann eine Bewerbung nur durch den Deutschen Olympischen Sport Bund eingereicht werden.
Olympia in NRW – Chancen und Risiken
Losgelöst von der Entscheidung der Landesregierung, stehen die GRÜNEN NRW einer möglichen Olympia-Bewerbung aus NRW offen gegenüber – unter klaren politischen Bedingungen.
Es gibt einige Aspekte, die für eine Bewerbung der Rhein-Ruhr-Region sprechen. Dazu gehört die Sportstätteninfrastruktur. NRW ist ein Sportland und dank der verschiedener Olympiastützpunkten und auch Erfahrungen in WM oder EM Austragungen (Basketball-EM, Hockey, Fußball) geübt für Großveranstaltungen im Sport. Die WM 2006 hat gezeigt, wie sportbegeistert, fachkundig und fair das Publikum in NRW ist. Olympische und Paralympische Spiele in NRW können Vorbildcharakter für sozial und ökologisch nachhaltige Spiele entfalten. Olympische und Paralympische Spiele bieten zudem für die Rhein-Ruhr-Region die Chance eines beteiligungsorientierten Transformationsprozesses in regionaler Zusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Verkehrswende und zukunftsfähige Infrastruktur.
Olympische und Paralympische Spiele bergen aber auch Risiken. Die Kosten für ein derartiges Weltereignis sind ein wichtiger Faktor, der für eine informierte Beteiligung der Bürger*innen von Beginn an transparent gemacht werden muss. Zu oft wurden im Windschatten mitreißender Veranstaltungen noch nachträgliche Kosten an die öffentlichen Kassen weitergereicht. Ein nachhaltiges Konzept für die Region muss neben den Sportstätten auch die Verkehrssituation im Blick haben. Für Olympische und Paralympische Spiele, die nicht im Verkehrschaos stecken bleiben, braucht es ein durchdachtes Verkehrskonzept, dass die Region auch nach den Spielen besser verbindet. Infrastruktur, die allein für die Spiele geschaffen wird, muss weitgehend vermieden werden. Die Nutzung bestehender Infrastruktur, Nachnutzungskonzepte oder temporäre Sportstätten verhindern, dass Sportstätten hinterher nicht genutzt wird und reduzieren den zusätzlichen Flächenverbrauch auf ein Mindestmaß.
Die Idee einer regionalen Bewerbung muss in der konkrete Ausgestaltung mit Leben gefüllt werden. Eine einseitige Fokussierung auf Köln oder Düsseldorf würde eben diesem Regionalgedanken zuwiderlaufen. Regionale Spiele müssen auch eine Strahlkraft für die ganze Region entwickeln.
Sportstätten und Infrastruktur stärken – unabhängig von Olympia
Seit dem „Goldenen Plan“ der 1970er Jahre ist viel Zeit vergangen. Die Sportstätteninfrastruktur ist marode und weist einen hohen Sanierungsstau auf. Sportplätze und Schwimmbäder sind aber wichtige Orte der Begegnung und der Gemeinschaft. Deshalb zählen sie auch zur kommunalen Daseinsvorsorge. Die Kommunen dürfen mit den Lasten der Sanierung aber nicht allein gelassen werden. Auch unabhängig von einer Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele muss deshalb das Sportstättensanierungsprogramm der Landesregierung ausgeweitet werden. Insbesondere müssen auch Kommunen davon profitieren können. Bislang sind nur Vereine und Verbände antragsberechtigt. Das wird den unterschiedlichsten Anforderungen an eine moderne Sportstätteninfrastruktur für Vereinssport und freiorganisiertem Sport nicht gerecht. Darüber hinaus sehen wir auch den Bund in der Verantwortung, die Sanierung von Sportstätten dauerhaft zu unterstützen.
NRW braucht eine zukunftsfähige Mobilitätsinfrastruktur für Bus und Bahn, Rad- und Fußverkehr in Stadt und Land. Unabhängig von einer Bewerbung und der konkreten Bewerberregion, brauchen wir für das ganze Land eine moderne Mobilitätspolitik.
Unsere Forderungen an die Landesregierung: Beteiligung, Transparenz, Nachhaltigkeit
Wir fordern die Landesregierung auf, bei Ihrem Beschluss über die Positionierung zur Initiative Rhein-Ruhr City 2032 folgende Eckpunkte zu berücksichtigen:
Echte Beteiligung
Der Ministerpräsident hat bereits eine Bürgerbeteiligung im Prozess um die olympische Bewerbung in Aussicht gestellt. Aus Grüner Sicht darf dies aber keine Alibiveranstaltung werden. Schon jetzt droht das Zusammenspiel zwischen der privaten Initiative „Rhein Ruhr City 2032“ und der Landesregierung intransparent zu werden – so findet man bisher kaum öffentliche Informationen über die Initiative, gleichzeitig äußert sich der Ministerpräsident schon vor der Befassung von Kabinett und Parlament eindeutig positiv über das Projekt. Die Initiative und die Landesregierung sollten langfristig Vertrauen aufbauen, anstatt es zu verspielen. Transparenz und Vertrauen sind Grundpfeiler einer positiven Begleitung durch die Bevölkerung. Insbesondere daran sind vorherige deutsche Bewerbungen in den Bürgerentscheiden gescheitert.
Um zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sich NRW als Ausrichtungsort für die olympischen Spiele bewirbt, fordern die GRÜNEN NRW einen Prozess der Bürgerbeteiligung, der über eine reine Befragung hinausgeht und die Bürger*innen wirklich mitnimmt. Nach dem Vorbild Baden-Württembergs und Vorarlbergs wollen wir dazu Bürgerräte einrichten. Dazu wird in jeder der beteiligten Kommune ein lokaler Bürgerrat aus zufällig ausgewählten Bürger*innen der Stadt einberufen. Für überregionale Fragen wird ein landesweiter Bürgerrat eingerichtet. Leitfrage für die Bürgerräte muss dabei sein, unter welchen Bedingungen eine Bewerbung für die Spiele empfohlen werden kann. Die Empfehlungen der Räte werden Bürger*innen und Bürgern sowie Verbänden und Zivilgesellschaft vorgestellt und anschließend ggf. modifiziert. Die Empfehlungen richten sich an die möglicherweise beteiligten Kommunen, und die Landesregierung Für die Beteiligung muss die Landesregierung entsprechende Mittel bereitstellen. Abschließend müssen der Landtag und die Kommunen über die Bewerbung entscheiden.
Transparenz über die Verträge und Kosten
In der Vergangenheit gab es zu recht massive Kritik an den Verträgen, die der IOC mit den ausrichtenden Städten geschlossen hat. Kommunen waren gezwungen undurchsichtige Verträge einzugehen ohne deren Inhalte zu kennen. Diese Praxis lehnen wir ab. Es muss möglich sein, dass demokratisch legitimierte Akteure direkt an den Regularien mitwirken. Außerdem muss die Öffentlichkeit die Vertragswerke einsehen können. Genauso wichtig ist Transparenz über die Kosten. Das betrifft neben den Kosten für die Durchführung der Spiele auch die Kosten für Infrastruktur -sowohl für Investitionen, die ohne die Spiele nicht angefallen wären als auch solche, die ohnehin getätigt werden müssen.
Finanzielle Verantwortung des Bundes klären
Für uns GRÜNE NRW ist klar: Eine Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele in NRW kann nur eine deutsche Bewerbung sein. Weder die Kommunen noch das Land NRW dürfen auf den Kosten für die Spiele sitzen bleiben. Dies gilt umso mehr, als einige der teilnehmenden Städte unter einer erheblichen Schuldenlast leiden. Eine solide Entscheidung kann nur getroffen werden, wenn die Finanzsituation abschließend geklärt ist und absolut transparent ist. Die Landesregierung ist in der Verantwortung entsprechende Zusagen des Bundes zu erwirken.
Konzept für Breitensport-Begleitung
Olympische und Paralympische Spiele müssen auch eine nachhaltige Wirkung auf die Gesellschaft haben. Breitensport und Profisport müssen zusammen gedacht werden. Für uns GRÜNE ist daher klar, dass eine Bewerbung für Olympische und Paralympische Spiele von einem nachhaltigen Konzept für die Weiterentwicklung des Breiten- und Freizeitsports begleitet werden muss.
Die Trimm-Dich-Bewegung hat die Münchener Olympia-Spiele weit überdauert. Ein modernes Konzept für eine neue Bewegungspolitik, die alle Facetten des Sporttreibens aufgreift, die Chancen nutzt für einen wirklich inklusiven Sport und alltagsintegrierte Bewegung für alle fördert, kann eine große Chance mit einer Strahlkraft weit über NRW und die Spiele hinaus sein.
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