Ernährung

Ernährungswende für NRW – frisch.gesund.regional

Beschluss des digitalen Landesparteirats am 15.11.2020

 

Die Art wie wir uns ernähren hat immensen Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, aber eben auch auf unseren Planeten. Deshalb lohnt es sich, vehement eine Ernährungswende zu fordern und besseres Essen in Schulküchen, Kitas, Kantinen oder Mensen zu bringen. Ist das Essen frisch, regional, ökologisch und lecker, dann hat es auch einen indirekten Einfluss auf unsere Gesundheit. Weniger Nitrat im Grundwasser, weniger Klimagase in der Luft, weniger multiresistente Keime in den Krankenhäusern. Die Forderung, dass der Einzelne sich doch bewusst ernähren und somit den Planeten retten soll, kann nur begrenzt erfolgreich sein, wenn man sich anschaut, dass etwa 16 Millionen Menschen in der Bundesrepublik täglich in der Gemeinschaftsverpflegung essen. Hier anzusetzen und grundsätzlich das Angebot frischer und regionaler zu machen, sollte staatlich gefördert werden. Das ermutigt Landwirt*innen umzustellen, stabilisiert Lieferketten und fördert so regionale Wertschöpfung. Durch die Coronakrise wurde vermehrt wieder selber gekocht und die Biobranche erlebte einen Boom. Hatten Verbraucher*innen die Wahl entschieden sie sich immer öfters für ökologische und regional erzeugte Produkte.

Überall in Deutschland findet man Leuchtturmprojekte in Schulen oder Krankenhäusern. Dort wird Wert auf Frische und Geschmack gelegt, denn eine Ernährungswende ist nur vermittelbar, wenn es nicht nur gesünder ist, sondern auch besser schmeckt. Frische kann nur über Kochen mit frischen Rohstoffen und eben nicht über in Wärmeboxen über Autobahnen herangefahrenes oder vorgefertigtes Convenience Essen, erzeugt werden. So eine Kantine der Zukunft muss mit sorgfältiger Planung von Küchen und speziell ausgebildeten Köch*innen entstehen. Steht diese in Schulen oder Kita´s wäre es wünschenswert, diese auch in das Bildungsprogramm der Einrichtung einzubeziehen. Die bisherige Förderung von Schulküchen in Milliardenhöhe sollte ab nun für „Kochküchen“ verwendet werden. Die Basis einer Ernährungswende ist Ernährungsbildung aller Altersstufen, aber besonders von Kindern und Schüler*innen. Voraussetzung der Ernährungslehre in Schulen sind Lehrküchen, die Bestandteil einer jeden Schule in NRW sein sollen. Bis alle Schulen in NRW mit Schulküchen eingerichtet sind, halten wir die Entwicklung von mobilen Küchenbussen für möglich, die im ländlichen Raum Ernährungsbildung auch dauerhaft unterstützen können. Die entstehenden Kosten werden durch mehr Gesundheit und weniger Umweltkosten ausgeglichen, die uns heute schon Milliarden kosten, denken wir nur an die Wasseraufbereitungsanlagen oder gesundheitsbedingte Erkrankungen.

Alternativ ist zu prüfen, wie die Hygieneanforderungen in Küchen öffentlicher Einrichtungen (Mensen) anzupassen sind, damit eine Mitarbeit von Schüler*innen in den Großküchen möglich wird. Die theoretischen Grundlagen der Ernährungsbildung können die Lehrmaterialien der Vernetzungsstelle Schulverpflegung NRW sein. Schaut man sich um, findet man hier und da Lehrgärten in Kitas und an Schulen angegliedert, wo praktisches Wissen über die Grundlagen unseres Lebens im Bildungsprogramm der Einrichtungen aufgenommen wird. Es gibt Betriebskantinen, die Verträge mit regionalem Landwirt*innen haben und Getreide, Gemüse und tierische Produkte direkt beziehen. Hier wird beispielsweise das ganze Tier verarbeitet oder unperfektes Gemüse verwendet und so Essensverschwendung vermieden. Wir reden also nicht von Luftschlössern, sondern gelebter erfolgreicher Praxis, die übertragen und gefördert gehört.

Um regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen, können Ernährungsräte oder sog. Foodhubs, angegliedert an kommunale Verwaltung, eine gewaltige Vernetzungs- und Koordinierungsarbeit machen. In Bayern wird diese Arbeit in Ökomodellregionen, in Baden-Württemberg in Biomodellregionen gemacht, die z.B. auch die Förderung von regionaler Verarbeitung wie Mühlen und Vernetzung von Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette der Lebensmittel zusammenbringt. So können auch verschwundene oder nur rudimentär vorhandene Verarbeitungsstufen wie Schäl- und Mischprozesse oder traditionelle Küchen-Technologie wiederbelebt werden.

Für eine Ernährungswende in NRW muss ein aufeinander abgestimmtes Programm in die Förderung aufgenommen werden. Regionale Koordinierungsstellen wie Ernährungsräte und Modellregionen müssen eingerichtet werden. Die Ausbildung von Köch*innen für die Gemeinschaftsgastronomie muss angepasst werden. Neu zu bauenden Küchen in staatlicher Hand müssen weg vom Aufreißen und Aufwärmen wieder hin zum Schneiden und kreativen Kochen. Auch für bereits bestehende Schulküchen kann ein Umrüstungsprogramm aufgelegt werden. Diese „Kochküchen“ können nur von speziellen Fachplanern geplant werden, auch hier gibt es deutschlandweit schon Wissen.

Um das zu koordinieren, sollten in den Kommunen Ernährungskoordinator*innen eingestellt werden. Die Planung von Küchen in der Gemeinschaftsgastronomie, Mensen und Lehrküchen in Schulen erfordert entsprechendes Fachwissen, das in der Verwaltung von Städten und Gemeinden in NRW nicht vorhanden ist. Aufgaben der Ernährungskoordinator*innen sollen die Beratung bei der Küchenplanung, der Rezepturgestaltung, Erstellung von Verpflegungsplänen, Aufbau regionaler Lieferketten und Reduzierung von Lebensmittelabfall sein.

Die Arbeit von Ernährungskoordinator*innen kann durch Ernährungsräte, wie diese sich in einigen Städten der Bundesrepublik und NRW (z.B. Köln, Münster) gegründet haben, begleitet und gefördert werden.

Um diese Arbeit konzeptionell zu unterstützen, richtet das Land NRW zwei Modellzentren nach dem Vorbild House of Food Kopenhagen/Berlin ein. An diesen Standorten, angegliedert an Bildungseinrichtungen wie Hochschulen oder Schulzentren, werden Küchen und Mensen der Gemeinschaftsverpflegung eingerichtet, um für Schulungszwecke aller Bereiche der Gemeinschaftsverpflegung zur Verfügung zu stehen. Hier können Verfahren zur Lebensmittelherstellung demonstriert und erprobt werden, die es ermöglichen, den Conveniecegrad also die Menge industrieller, vorgefertigter Lebensmittel zu senken und eigene Kreativität auf den Teller zu bringen.

Mit dem Aufbau dieser Modellzentren „House of Food NRW“ werden Ausschreibungskriterien für die zukünftige Planung öffentlicher Küchenprojekte entwickelt. Weiterhin muss der Einkauf der Lebensmittel nach Kriterien der Nachhaltigkeit ausgeschrieben und vergeben werden. Kriterien können beispielsweise sein, dass die Stärkung von Handwerk, Regionalität und Ökologie in der Region gefördert wird oder ein Conveniencegrad festgelegt wird. Auch Tierwohl- und Haltungsbedingungen, die Verarbeitung ganzer Tiere (from nose to tail), die Verwendung zertifizierter Lebensmittel oder die Einbindung von Integrationsbetrieben können als Kriterium genommen werden. So kann eine Betreibervergabe statt Bieterwettbewerbe erfolgen und der Genuss und die Kreativität statt das „niedrigste Preiseangebot“ gefördert werden.

Denn es geht um das, „was wir essen“ und „wie wir essen“. Beim „was wir essen“ legen wir den Schwerpunkt auf die Lebensmittelrohwaren aus biologischer Landwirtschaft, verfolgen regionale Wertschöpfungsketten bis hin zur Kooperation mit Urban Gardening Projekten. Beim „wie wir essen“ sorgen wir uns um die Gestaltung von Speiseräumen und folgen der Aussage Olafur Eliassons „Essen ist sozialer Klebstoff“. Beginnen müssen wir mit ausgesuchten Modellregionen und dort ansässigen Kantinen.

Die Lebensmittelproduktion macht etwa 11 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen aus und steigt auf 30 Prozent, wenn man die Verteilung der Nahrungsmittel und die Landnutzung mit einbezieht. Gesunde Ernährung kann somit klimaschädliche Gase senken, mehr Artenvielfalt in die Landschaft und Tierwohl in die Ställe bringen und vor allem Lebensfreude durch leckeres Essen.

 

Der Beschluss als PDF hier zum Download

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