Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 30. Juni 2024.
Ernährung nur aus der Perspektive der Landwirtschaft argumentiert, wäre zu kurz gegriffen. Ernährung bedeutet vom Acker bis zum Teller alle Verarbeitungsschritte in den Blick zu nehmen, denn oft macht erst die Verarbeitung der Ernten die Produkte zu verzehrfähigen Lebensmitteln. Die Ernährungswende kann also nur entlang der gesamten Wertschöpfungskette und unter der Verteilung einer Vielzahl an Stakeholder*innen gelingen. Ziel ist eine nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln für gesunde Mahlzeiten und eine gesunde Ernährung für alle zu ermöglichen. Denn jede*r soll sich nach eigenem Belieben ernähren, viele Menschen wollen sich bewusst gesund ernähren.
Die wissenschaftlich hoch anerkannte EAT Lancet Commission hat schon 2019 gesunde und nachhaltige Speisepläne entwickelt, in dem sie vor allem die klimaschädlichsten Bestandteile unserer heutigen Ernährung versuchen zu vermeiden. Auf eine kurze Formel verdichtet: mehr pflanzenbasiert, mehr Leguminosen, weniger tierische Proteine. Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung (WBAE) hat in seinem Gutachten von 2020 die Rahmenbedingungen für die Gesellschaft hinsichtlich Gesundheit – Soziales – Umwelt und Tierwohl beschrieben und Empfehlungen an die Bundesregierung gerichtet. Ein wichtiger Schwerpunkt ist dabei, die Ernährungsumgebung für Kinder wesentlich gesünder zu gestalten. 2024 hat das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Ernährungsstrategie „Gut essen in Deutschland“ präsentiert, welche die Empfehlungen eines sehr breiten Stakeholder-Prozesses richtungsweisend zusammenfasst. Im März 2024 hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung die aktuell gültigen lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE veröffentlicht. Ihre Empfehlungen berücksichtigen auch Nachhaltigkeitsaspekte und Umweltauswirkungen. Nicht zuletzt hat der Bürgerrat des Bundestages mit seinem Gutachten „Ernährung im Wandel“ klare Empfehlungen an die Politik gerichtet. Der Fokus des Bürgerrates liegt auf der Bezahlbarkeit des Mittagessens für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit. Der Bürgerrat fordert mit dem Gutachten die Politik auf, die Ernährungswende voranzutreiben. Daran wollen wir anknüpfen. Wir unterstützen den Antrag zur Ernährungsstrategie der GRÜNEN Landtagsfraktion NRW des vergangenen Jahres und fordern eine Ernährungsstrategie auf Landesebene zu erarbeiten.
Nun ist es Zeit, von der Theorie in die Praxis zu kommen. Denn die Ernährungswende findet zuallererst vor Ort statt: Zuhause bei den Menschen, in der kommunalen Gemeinschaftsgastronomie, in der Versorgung von Menschen in sozialen Einrichtungen und Krankenhäusern. Und überall dort haben GRÜNE Mandatsträger*innen Verantwortung. Gerade das Zubereiten und der Einkauf der Lebensmittel entscheiden maßgeblich über die Nachhaltigkeit der Wertschöpfungskette. Deshalb fordern wir die FARM TO FORK Strategie vom Acker auf den Teller zu einer ACKER–KÜCHE–TELLER Strategie zu erweitern, um mit der Küche den Schwerpunkt der Ernährungswende in den Fokus zu rücken.
Die Küche ist der Ort der Entscheidung für frisches und gesundheitsförderndes Essen. Die Küchenleitung entscheidet über den Einsatz von bio, regional und/oder saisonal. Sie entscheidet über einen hohen oder niedrigen Convenience-Grad, und damit auch über FRISCHE- oder FERTIG-Menüs. „ACKER–KÜCHE–TELLER“ sollte in der Ernährungsstrategie NRWs das Leitmotiv sein. Damit machen wir deutlich, dass die Küche der Ort ist, in dem das Küchenteam über den Erfolg der Ernährungswende entscheidet: Alles beginnt mit dem Einkauf der Lebensmittel. Werden von der Küche mehr biologisch und regional erzeugte Lebensmittel verarbeitet, trägt sie unmittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg der regionalen Landwirtschaft bei und fördert somit die regionalen Wertschöpfungsketten. Es sind aber nicht die Köch*innen allein, die diese Verantwortung tragen. Die Schulträger, also z.B. Verwaltungen in Landkreisen und Kommunen bestimmen die Rahmenbedingungen. Sie entscheiden über die Art, was und wie in den Mensen gekocht und gegessen wird. Die Chance für den Erfolg der Ernährungswende liegt in den Landkreisen und Kommunen.
Ein Beratungsangebot für die Träger von Verpflegungseinrichtungen muss Teil der Arbeit in den Verwaltungen der Landkreise und Kommunen werden. Denn viele Entscheidungen der Landkreise und Kommunen eröffnen überhaupt die Möglichkeiten für gesunde Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung. Dabei fehlt oft das Wissen auf der kommunalen Ebenen. Doch es gibt auch übergeordnete Beratungsangebote. Wir nennen hier beispielhaft die Beratung der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung der Verbraucherzentrale NRW.
Neben der Ernährungsorganisation wollen wir einen Schwerpunkt auf die Speisequalität der Schulverpflegung legen. Das Engagement einer Küche in eine höhere Essensqualität mit biologisch, regional und saisonal angebauten Lebensmitteln wird einen höheren Wareneinsatz erfordern, der in etwa 25 % Mehrkosten im Wareneinsatz zum Standard verursacht. Deshalb streben wir an, als Ausgleich für diese Mehrkosten den Betreibern dieser Küchen einen Zuschlag zur Unterstützung der Transformation und übergangsweise zum Standardmenüpreis zu gewähren. Die Förderung ist an die Vorgaben zu koppeln, dass die Küchen DGE-zertifiziert sind, dass der Einkauf hochwertiger Lebensmittel in den Kitaküchen und Schulmensen sich auf regionale, saisonale und Produkte aus biologischem Anbau konzentriert und dass das zur Zubereitung der Mahlzeiten verwendete Fleisch von Tieren stammt, die mindestens der Haltungsform 3 entsprechen. Mit dieser Förderung ist sicherzustellen, dass die Landwirtschaft NRWs in hohem Maß von der Förderung profitiert. So machen wir unsere Wertschätzung für Produkte der heimischen Landwirtschaft deutlich. Wir fördern die Qualität der Landwirtschaft und der Verpflegung in den Schulen NRWs gleichzeitig. Eine WinWin Situation!
Weiterhin regen wir an, öffentlichen Verpflegungseinrichtungen von Kitas, Schulen, Universitäten, Pflegeeinrichtungen usw. zu empfehlen, Nudging-Strategien zu verwenden, indem sie die gesunde Mahlzeit strategisch als erste bei der Essensausgabe präsentieren.
Es geht uns nicht allein um die Ernährungsorganisation. Wir wissen, dass auch Slow food Deutschland fordert, dass Ernährungsbildung ein Grundbaustein für eine dauerhaft gesunde Ernährung ist. Ernährungsbildung und das Angebot einer guten Schulverpflegung gehören zusammen. Wir schlagen vor, ein Förderprogramm „Mobile Lehrküche“ für Schulen und Kitas in NRW einzurichten. Die mobilen Küchen können als Lastenfahrräder konzipiert werden und können die Ernährungs- und Umweltbildung flexibel unterstützen. Das Förderprogramm „Mobile Lehrküche“ kann auch auf die Nutzung von Küchen sozialer und kommunaler Träger ausgeweitet werden. Ergänzend fordern wir, die Empfehlungen der Initiative des BMEL „inform“ und die Ergebnisse der Broschüre „Integriertes Konzept ESSEN UND TRINKEN IN DER SCHULE“ umzusetzen.
Ernährung ist so viel mehr. Ein Antrag zur Ernährungssituation in NRW kann nur wesentliche Grundbausteine definieren, die die Arbeitsgrundlage für weitere Ziele sind. Ernährung ist die Spange zwischen Landwirtschaft, Gesundheit und Bildung. Wir stimmen den Ernährungsinitiativen zu: Ernährung ist individuell. Strategien zur ausreichenden, resilienten und nachhaltigen Ernährung ist Auftrag an die Politik. Als solches ist Ernährung ernst zu nehmen. Ernährung definiert sich über den Begriff „Verbraucher*innenschutz“ hinaus. Es braucht eine strukturelle Bündelung der unterschiedlichen Landeszuständigkeiten für das Thema Ernährung. Ernährung beinhaltet alle Positionen der Wertschöpfungskette: vom Acker über die Küche bis zum Teller und sollte daher auch an einem Ort der Landesregierung NRWs politische Wertschätzung finden.
Wir GRÜNE NRW wollen für NRW erreichen:
- Die Kapazitäten der Vernetzungsstelle Schulverpflegung sind bedarfsgerecht aufzustocken.
- dass die Gemeinschaftsverpflegung in Kindertageseinrichtungen, Schulen und öffentlichen Einrichtungen dem nachhaltigen Prinzip ökologisch, regional, saisonal produzierter Lebensmittel entsprechen soll. Gleichzeitig soll der Anteil an fair gehandelten Lebensmitteln deutlich gesteigert werden.
- Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollen für die Verpflegungseinheiten der Gemeinschaftsgastronomie Standard werden.
- Den Anteil an ökologisch erzeugten Lebensmitteln der Gemeinschaftsverpflegung der öffentlichen Hand auf 30 % bezogen auf den geldwerten Wareneinsatz im Monatsdurchschnitt zu steigern.
- Mit einer Fördermaßnahme für höhere Essensqualität mit biologisch, regional und saisonal angebauten Lebensmitteln sollen Küchen mit diesem Engagement einen Zuschlag zur Unterstützung der Transformation und übergangsweise zum Standard- Menüpreis erhalten.
- Die Ernährungsbildung in Kita und Schulen nicht nur punktuell, sondern strukturell stattfinden zu lassen.
- Ein Förderprogramm für Lehrküchen oder auch „Mobile Lehrküchen“ für Schulen und Kitas einzurichten.
- Eine strukturelle Bündelung der unterschiedlichen Landeszuständigkeiten für das Thema Ernährung einzurichten.
Wir GRÜNE NRW wollen in aller Transparenz über Themen der Ernährung reden und diese politisch gestalten. Wir wollen dem Thema Ernährung den Stellenwert zu geben, den es verdient und braucht. An jedem Tag, an jedem Ort, für jede*n von uns – du bist, was du isst!
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