LDK-Beschluss

Grüne Zukunft Rheinisches Revier: Wegbereiter für Lebensqualität und nachhaltiges Wirtschaften

Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 30. Juni 2024.

I. Einleitung

Das Rheinische Revier steht an einem Wendepunkt seiner Geschichte. Geprägt durch über 100 Jahre der Förderung von Braunkohle, hat sich die Region zu einem zentralen Energie- und Industriestandort entwickelt. Die energieintensiven Industrien prägen das wirtschaftliche und soziale Gefüge sowie den Naturraum maßgeblich. Heute befindet sich das Revier inmitten einer entscheidenden Transformation, welche dank der Klimabewegung, der regionalen Zivilgesellschaft und GRÜNER Politik auf allen politischen Ebenen proaktiv zur Erreichung der Klima- und Biodiversitätsziele gestaltet werden kann. Die Verknappung des Energieangebots durch den Kohleausstieg konfrontiert die regionale Wirtschaft mit der Herausforderung, eine ihrer bislang zentralen Ressourcen neu zu definieren. Im Rheinischen Revier zeigt sich damit beispielhaft die anspruchsvolle Realität der notwendigen gesamtwirtschaftlichen Transformation Deutschlands. Ausgestattet mit umfangreichen Fördermitteln in Höhe von 14,8 Mrd. Euro bis 2038, stehen nun alle Akteure der Region und auch wir GRÜNE in der Pflicht, diese Chance sinnvoll für eine zukunftsfähige Neuorientierung zu nutzen. Zukunftsfähig kann die Wirtschaft jedoch nur sein, wenn sie die Transformation zur Klimaneutralität meistert, der Ressourcenknappheit mit Innovation und Effizienz begegnet, die Biodiversität und Ökosysteme und damit den Menschen und seine natürlichen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt der Entwicklung stellt.

Die regionale Wertschöpfung der Zukunft
Das Umstellen auf klimaneutrale, regionale Energiequellen und das Ausschöpfen der Effizienz- und Suffizienzpotenziale in der Industrie sowie deren Umstellung auf klimaneutrale Produktion bilden einen wichtigen Pfeiler der zukünftigen Wertschöpfung im Rheinischen Revier. So erhalten die über Jahrzehnte überlasteten Naturräumen die Chance zur Regeneration und den Menschen im Revier stehen gesunde Naturräume zur Verfügung.

Ähnlich dem Ruhrgebiet hat der Ausbau der notwendigen Wasserstoffinfrastruktur besonders hohe Relevanz. Darüber hinaus gilt es auch neue Wertschöpfungsketten zu erschließen, die auf den Stärken der Region beruhen. Eine besondere regionale Stärke sind die hochwertigen Böden, denen die Region eine ausgeprägte Land- und Lebensmittelwirtschaft zu verdanken hat. Auf dieser Grundlage gilt es, das große industrielle Innovationspotenzial der Nutzung biologischer Ressourcen für die Entwicklung einer regionalen Bioökonomie für die ansässigen Unternehmen zugänglich zu machen. So können neue klimaschonende und fossil-freie Wertschöpfungsketten sowie regional geschlossene Stoffkreisläufe entstehen. Wir unterstützen die vielen hierzu bereits engagierten regionalen Akteure von politischer Seite. Im Zuge dessen wollen wir auch eine Landwirtschaft stärken, die aufbauend auf den wertvollen Böden biodiverse Kulturlandschaften fördert, inklusive der Wiederansiedlung kleinteiliger Landwirtschaft sowie der Erprobung und dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle für kleinere Hofstrukturen.

Auch gilt es, den Aufschwung der Digitalwirtschaft im Kontext künstlicher Intelligenz zu fördern und die Region als technologischen Vorreiter zu positionieren. Die erfolgreiche Ansiedlung von Microsofts Hyperscalern und die vorhandene Exzellenzforschung zu Hardware für KI-Anwendungen markieren bereits wichtige Schritte auf diesem Weg. Eine Profilierung wird aus der Region heraus entwickelt, wir GRÜNE unterstützen das Revier auf seinem eingeschlagenen Weg.

Die Transformation verstehen wir als lernenden Prozess. Dabei ist klar: Eine Transformation ist nur nachhaltig, wenn sie sich innerhalb planetarer Grenzen vollzieht. Öffentliche Mittel wollen wir gezielt und effizient als Hebel für private Investitionen in nachhaltige und ökologisch verträgliche Wirtschaftsweisen einsetzen. Wir setzen uns für die intelligente und nachhaltige, also die sparsame Nutzung von Flächen ein. Eine Nutzung, die Umweltschutz und zukunftsfähige Wirtschaftsentwicklung in Einklang bringt. Dabei vergessen wir nicht, wer den Strukturwandel im Rheinischen Revier tatsächlich bewerkstelligt: Es sind die Menschen, die hier leben, arbeiten und sich engagieren. Ihnen wollen wir die Bedingungen bieten, die sie brauchen, um das Revier zukunftsfähig und lebenswert aufzustellen.

 

II. Die Transformation als lernender, partizipativer Prozess

Die Transformation des Rheinischen Reviers bedeutet nicht nur eine regionale Neugestaltung, für die es bisher keine Blaupause gibt. Sie bietet genau deshalb auch tiefgreifende Lernmöglichkeiten weit über die Region hinaus und macht das Revier zum Vorreiter und Experimentierfeld. Diese Herausforderung anzunehmen, bedeutet, den Transformationsdruck als Katalysator für beschleunigtes Lernen und Handeln zu nutzen und damit einen wertvollen Beitrag für ähnliche
Umstellungsprozesse im ganzen Land zu leisten.

Tempo aufbauen und Planung beschleunigen
Ein bedeutendes Hindernis bei der Umsetzung vieler Vorhaben im Strukturwandel sind langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren, die den Ansprüchen der Gemeinschaft nicht gerecht werden. Sie verzögern die Realisierung von Vorhaben mit essenzieller Bedeutung für die Transformation. Damit das Rheinische Revier jedoch ein Magnet für innovative Unternehmen mit nachhaltigen Lösungen wird, müssen wir hier Dinge ermöglichen, die anderswo nicht möglich sind. Wir unterstützen Bestrebungen zur Beschleunigung des Planungsrechts für das Rheinische Revier unter der Voraussetzung, dass bestehende Umweltstandards nicht aufgeweicht werden. Sofern Einschränkungen der institutionalisierten Beteiligungsformate zur Planungsbeschleunigung erforderlich sind, sind diese durch innovative und zeitlich effizientere Formate der Bürger*innenbeteiligung zu ersetzen. Eine Beschleunigungsmöglichkeit ist auch die frühzeitige Information und Einbeziehung von Bürger*innen und lokalen Akteuren in bereits absehbare Infrastrukturprojekte.

Experimentierräume schaffen
Die Schaffung von Experimentierräumen ist für das Lernen und die Entwicklung neuer Praktiken entscheidend. Die Internationale Bau- und Technologieausstellung (IBTA), die mit einem Budget von 2,7 Milliarden Euro ausgestattet ist, steht beispielhaft für diesen Ansatz. Dieser “Ausnahmezustand auf Zeit” ermöglicht es, Großprojekte durchzuführen, die tiefgreifende Veränderungen erproben können. Damit können die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit miteinander verbunden werden und die IBTA beispielhaft für die Gestaltung zukunftsfähiger Lebens- und Wirtschaftsräume stehen.

Reallabore und Pilotvorhaben ermöglichen eine wissenschaftliche Evaluation von Innovationen unter realitätsnahen Bedingungen, die eine realistische Technikfolgenabschätzung erlauben. Damit in dieser Weise Forschung in reale Anwendung gebracht werden kann, braucht es angesichts aktuell bestehender regulatorischer Hürden Experimentierklauseln im Rechtsrahmen, die sowohl technologische als auch soziale Innovationen umfassen. Auf Bundesebene prüft das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz derzeit bereits, in welchen Gesetzen derartige Klauseln benötigt werden. Wir unterstützen dies und setzen uns dafür ein, dies auch auf Landesebene zu tun.

Die Rettung der Dörfer Kuckum, Berverath, Keyenberg, Oberwestrich und Unterwestrich sowie Morschenich vor dem Abbaggern ist mehr als ein symbolischer Akt; sie bietet die Möglichkeit, innovative Konzepte für eine nachhaltige, ressourcensparsame und Arten schützende Zukunft zu erproben. Diese Dörfer bieten durch ihre Einzigartigkeit und die Vielzahl engagierter Akteure eine hervorragende Gelegenheit, Modelle für lebenswerte Gemeinschaften zu entwickeln und umzusetzen. Wir GRÜNE unterstützen die Bestrebungen dieser Akteure vor Ort nachdrücklich. In diesem Zusammenhang ist auch eine auf den Strukturwandel ausgerichtete Hochschulbildung und entsprechende Forschung wichtig. Daher unterstützen wir die Ansiedlung der TH Köln am Campus Rhein-Erft mit dem Forschungsfeld „nachhaltige Raumentwicklung“.

Aus den Versuchen lernen
Der Übergang zu einer nachhaltigen Zukunft im Rheinischen Revier ist ein komplexes Unterfangen, das weit über die technische und wirtschaftliche Dimension hinausgeht. Es erfordert ein kontinuierliches Lernen aus den Erfahrungen und Erprobungen im Reallabor. Eine solche Lernkultur erfordert eine umfassende, begleitende Nachhaltigkeitsforschung, die alle drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – integriert betrachtet und die politische Entscheidungsfindung stützt.

Um aus dem Prozess des Erprobens effektiv zu lernen, Fortschritt messbar zu machen und sowohl Erfolge als auch Herausforderungen sichtbar zu dokumentieren, muss die Transformation quantifizierbar gemacht werden. Die gemeinsam beschlossene Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (MWIKE), und den regionalen Akteuren im Reviervertrag 2.0, Meilensteine für die Transformation einzuführen, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch im Kontext der “Modellregion Bioökonomie” gibt es bereits ein Begleitforschungsprojekt. Damit aber die Erkenntnisse aus einzelnen Projekten und Experimenten nicht isoliert bleiben, sondern in einen größeren Kontext eingeordnet und für die gesamte Region nutzbar gemacht werden, bedarf es einer integrativen Begleitung der Gesamttransformation. Es geht darum, die gewonnenen Einsichten zu sammeln, zu analysieren und zielgruppengerecht aufzubereiten, damit sie sowohl für die Akteure innerhalb des Rheinischen Reviers als auch für andere Regionen verständlich und zugänglich sind. Ein gutes Beispiel für ein solches Vorgehen ist der “Lausitz Monitor”, welcher soziale Aspekte der Transformation in den Mittelpunkt stellt. Ein ähnliches Instrument, das jedoch alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit im Rheinischen Revier abdeckt, würde einen wichtigen Beitrag zur transparenten und nachvollziehbaren Darstellung des Transformationsprozesses leisten.

Ein solches öffentliches Reporting, unterstützt durch geeignete Kennzahlen, würde nicht nur den Fortschritt der Transformation sichtbar machen, sondern auch Vertrauen schaffen und die Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung erhöhen. Es würde ein klares Signal senden, dass die Transformation im Rheinischen Revier auf einem fundierten und sich kontinuierlich erweiternden Verständnis der komplexen Herausforderungen basiert und aktiv gesteuert wird. Damit wird der Strukturwandel nicht nur als technisches Projekt, sondern als gesellschaftlicher Prozess verstanden.

Repräsentation und Teilhabe sicherstellen
Die Transformation des Rheinischen Reviers stellt nicht nur eine technische, ökologische und wirtschaftliche Herausforderung dar, sondern berührt auch tiefgreifend die sozialen und kulturellen Strukturen der Region. Im Kern dieser Veränderung steht die Gemeinschaft – die hier ansässigen Menschen, deren Leben und Arbeit sich verändern. Der Strukturwandel ist komplex und betrifft viele verschiedene Lebensbereiche. Es ist essenziell, diesen Wandel gemeinsam zu gestalten, niemanden zurückzulassen und die Belange und Ängste der Menschen ernst zu nehmen und zu adressieren. Für viele ist nicht sofort ersichtlich, welche konkreten Auswirkungen er auf ihr persönliches Leben haben wird. Die regionale, oft von negativer Stimmung geprägte Berichterstattung trägt vielfach nicht zu einem besseren Verständnis bei. Hier müssen wir ansetzen und den Strukturwandel als die Chance darstellen, die er ist, das Leben der Menschen im Revier und das ihrer Kinder und Enkel positiv zu beeinflussen. Aber auch die Chance für Unternehmen, sich zukunftssicher aufzustellen und neue Märkte zu erschließen. Eine klare, umfassende und zielgruppenorientierte Kommunikation ist unerlässlich, damit die Transformation nicht nur als ökonomisch und ökologisch notwendig, sondern auch als sozial gestaltet empfunden wird. Kommunikation hat im Rahmen der anstehenden Wandelprozesse die Aufgabe, Menschen zur Teilhabe zu befähigen und zu motivieren. Sie legt damit den Grundstein für eine breite und diverse Beteiligung, aktiviert das Potenzial der Menschen vor Ort und vermag demokratiestärkend zu wirken.

Die Einbindung vieler Perspektiven stärkt den regionalen Konsens und fördert eine Transformation, die von der gesamten Gemeinschaft getragen wird. Um sicherzustellen, dass der Strukturwandel im Rheinischen Revier als gemeinschaftliches Projekt erfolgreich umgesetzt wird und, dass Widerstände frühzeitig behandelt werden können, müssen die Bedürfnisse der Stakeholder in diesem Prozess auch außerhalb der Entscheidungsgremien berücksichtigt werden. Es braucht ein umfassendes übergeordnetes Beteiligungskonzept, das die Teilhabe aller Anspruchsgruppen auch im weiteren Verlauf des Strukturwandels sicherstellt. Wichtig sind dafür direkte, informelle, deliberative Beteiligungsformate und Strukturen mit Feedbackschleifen in die Politik. Positiv herauszustellen sind bereits etablierte Beteiligungsformate für Unternehmen, wie z. B. im Thinktank IN4climate.RR oder dem Hydrogen Hub Aachen, welche Brücken zwischen Unternehmen und Politik bauen. Formate der aktiven Beteiligung von Bürger*innen sind hingegen noch wenig institutionalisiert. Die Bemühungen der Zukunftsagentur Rheinisches Revier einen Bürger*innenrat und eine Plattform für Beteiligungsformate zu etablieren, begrüßen wir deshalb. Wir setzen uns dabei für mehr Tempo ein, wollen die Kommunen dabei unterstützen, die entwickelten Beteiligungsformate vor Ort umzusetzen und uns auf allen Ebenen für die Umsetzung stark machen.

Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier spielt eine zentrale Rolle in der strategischen Ausrichtung des Strukturwandels und bei der Bildung eines regionalen Konsenses, welcher maßgeblich für die Bewilligung von Projektfinanzierungen aus den bereitgestellten 14,8 Mrd Euro ist. Erfreulich ist daher, dass im Aufsichtsrat bereits alle drei Handels- und Handwerkskammern des Reviers sowie zwei Gewerkschaftsvereinigungen und ein Naturschutzverband vertreten sind. Allerdings sind junge Menschen, Frauen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in diesem Gremium, wie auch in weiteren Gremien, im Kontext des Strukturwandels stark unterrepräsentiert. Als GRÜNE sehen wir es als unsere Verantwortung, uns für eine ausgewogene Repräsentation aller Gruppen in den entscheidenden Gremien einzusetzen, ggf. durch Erweiterung des Gremiums (Jugendrat), Konsultationen etc. Dies ist wichtig, da ihre Perspektiven auf eine gleichberechtigte, enkel*innentaugliche Zukunftsgestaltung unabdingbar sind für eine gleichermaßen ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Transformation.

 

III. Wirksamkeit öffentlicher Investitionen stärken

Zur Gestaltung des Strukturwandels dieser wichtigen Wirtschaftsregion haben Bund und Land über 14,8 Mrd. Euro an öffentlichen Geldern bereitgestellt. Eine gewaltige Summe, um die Region zukunftsfest zu machen – und dennoch eine Summe, die alleine nicht ausreichen wird, um diese historische Aufgabe zu meistern. Öffentliche Investitionen müssen dabei als Hebel verstanden werden, der aufgrund der politischen Signalwirkung noch größere privatwirtschaftliche Investitionen in der sozial-ökologische Transformation auslösen kann. Sie dienen als Initialzündung, um Unternehmen anzuziehen und zu ermutigen, in sozial-ökologische Projekte zu investieren. Darüber hinaus sollen die Gelder gezielt zur Sicherung von Lebensqualität und Wertschöpfung eingesetzt werden, indem die Infrastruktur für erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität und umweltfreundliche Technologien ausgebaut wird, was sowohl ökologische als auch wirtschaftliche Vorteile bringt.

Lokale Verankerung und Nachhaltigkeit geförderter Projekte sicherstellen
Um die Wirksamkeit der öffentlichen Investitionen sicherzustellen, ist eine Priorisierung von Projekten zur Mittelverwendung notwendig. Wir begrüßen in diesem Zuge die Auswahl von 19 Ankerprojekten im Rheinischen Revier durch die Landesregierung. Die Auswahl zeigt bereits eine Fokussierung auf Themenschwerpunkte im Strukturwandel, die in großen Teilen auf regionalen Stärken basieren. Wir wollen die Hebelwirkung der Mittel für die sozial-ökologische Transformation des Reviers stärker verankern, indem der Projektauswahlprozess evaluiert und angepasst wird, sodass die nachhaltige Transformationskraft in den Mittelpunkt der Evaluierung von Projektskizzen rückt. Das beinhaltet einerseits die klare nachhaltige Ausrichtung der Projekte und andererseits deren regionale Wohlstandswirkung. Der frühere Projektauswahlprozess wurde dem notwendigen Geschwindigkeitsanspruch nicht gerecht und stieß bei den Akteuren der Region auf Kritik. Durch eine Neuausrichtung des Projektauswahlprozesses auf das sogenannte Dialogverfahren erhoffen wir uns nun eine zielgerichtetere und weniger bürokratische Förderung. Wichtig ist dabei mehr Transparenz zu schaffen und kontinuierlich Feedback der geförderten Akteure in die Überarbeitung des Prozesses einzubeziehen. Neben der Projektauswahl sollen die bereits mit einem regionalen Konsens versehenen, aber noch nicht bewilligten Projekte in Richtung der Nachhaltigkeitsziele weiterentwickelt werden. So zahlen die Projekte strategisch auf die Zielkulisse des Strukturwandels ein und es werden Synergien zwischen den Projekten geschaffen.

Gute Ansiedlungs- und Transformationsbedingungen für Unternehmen schaffen
Strukturwandel ist ein Querschnittsthema, das tief in unterschiedliche Bereiche der regionalen Infrastruktur und Wirtschaft wirkt. Damit er im Rheinischen Revier erfolgreich gelingt, ist es essenziell, Unternehmen optimale Ansiedlungs- und Wachstumsbedingungen zu bieten. Dies bedeutet, die erforderlichen Strukturen zu schaffen, um den Wandel über verschiedene Sektoren hinweg zu unterstützen. Der Breitbandausbau ist fundamental für die Digitalisierung von Unternehmen. Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist das Rückgrat für Innovation und Effizienz in allen Branchen. Die Verbesserung der Verkehrsanbindung spielt gerade im ländlichen Bereich des Kernreviers eine Schlüsselrolle, um die Mobilität von Menschen und Waren zu erleichtern. Die Anpassung der Energieinfrastruktur an die neuen Bedürfnisse des Reviers drängt, da der Gesamtenergiebedarf steigt, während die lokale Energieproduktion durch den Braunkohleausstieg abnimmt. Nicht nur die Sicherstellung der Energieversorgung von Gewerbegebieten ist eine zentrale Herausforderung, die schnell und koordiniert angegangen werden muss. Der Ausbau erneuerbarer Energien, der im Kontext des Gigawattpakts adressiert wird, sowie auch die erneuerbaren Wärmequellen haben hohe Priorität.

Die Vernetzungen in Innovationsinitiativen, wie z.B. in der Modellfabrik Papier und dem FaserInnovationsZentrum Zerkall, zeigen zudem, wie durch Kooperation und Austausch nachhaltig mit ganzheitlichem Ansatz transformiert werden kann. Das Engagement von Akteuren, die derartige Vernetzungen aktiv vorantreiben, wie z.B. die Initiative BioökonomieREVIER, begrüßen wir daher ausdrücklich.

Technologietransfer in die Region sicherstellen
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Strukturwandel innovationsgetrieben gestaltet wird, da Innovationen nicht nur die Grundlage für Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaftswachstum bilden, sondern auch den Klimaschutz vorantreiben. Solche Innovationen ersetzen veraltete Industrien durch klimaneutrale und umweltfreundliche Technologien und Geschäftsmodelle. Dabei ist der Technologietransfer in die Region ein kritischer Faktor, um die Potenziale der geförderten Forschung in tatsächliche Wirtschaftsleistung umzusetzen. Der Transfer aus Forschung in die Wirtschaft erfolgt dabei einerseits über die Bestandsunternehmen des Reviers und andererseits durch Ausgründungen aus den Forschungsprojekten.

Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie birgt große Herausforderungen und Unsicherheiten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), aber auch große Wachstumschancen. Die Unternehmen im Revier müssen resilient gemacht werden gegen die Veränderungen, indem sie sich diesen Herausforderungen mit Innovationen und Flexibilität stellen. Für KMU, die einen Großteil der Wirtschaft im Revier ausmachen, ist der Zugang zu neuen Technologien oft eine Herausforderung. Diese Unternehmen haben selten die Ressourcen für eigene Forschung und Entwicklung. Hier muss der Fokus auf anwendungsnaher Forschung liegen und der Einbezug regionaler KMU in geförderte Forschungsvorhaben gefördert werden. Zukunftsgutscheine, die Beratung, Personalentwicklung und Investitionen fördern, sind ein effektives Instrument, um KMU bei der Transformation zu unterstützen. Ihre volle Wirkung entfalten sie, wenn sie schnell, unbürokratisch und bedarfsgerecht ausgegeben werden.

Durch die starken wissenschaftlichen Einrichtungen und die Nähe zu großen Industriestandorten ist das Rheinische Revier schon jetzt ein Start-up-Hotspot. Trotz der vielfältigen Unterstützungsangebote für Start-ups stößt der Transfer von Technologien durch Ausgründungen aus Forschungsprojekten aufgrund fehlender Wachstumsfinanzierung ebenfalls auf große Herausforderungen. Zur Stärkung des Gründungsgeschehens im Rheinischen Revier und zur verbesserten Sichtbarkeit als Gründungsstandort ist eine revierweite Koordination der Gründungsförderung erforderlich. Diese kann durch eine thematische Ausrichtung entlang relevanter Innovationsfelder erfolgen und die Vernetzung zwischen Start-ups, etablierten Unternehmen und institutionellen Akteuren fördern und dazu beitragen, mehr Risikokapitalgeber anzuziehen. Dieser Prozess kann durch zusätzliche öffentliche Finanzierungsinstrumente, wie regionales Beteiligungskapital oder Gründungswettbewerbe, unterstützt werden. Auch der Mangel an geeigneten Räumlichkeiten, Laborflächen, Werkstätten und technischen Anlagen für die Gründung und Skalierung junger Unternehmen aus forschungs- und technologieintensiven Sektoren stellt einen entscheidenden Flaschenhals dar. Daher setzen wir uns für eine gezielte Förderung derartiger Räumlichkeiten und Strukturen ein.

Direktinvestitionen unterstützen
Das Rheinische Revier hat großes Potenzial, eine zukunftsweisende Region zu werden, welche die Technologien der Zukunft entwickelt und auch regional in Wert setzt und dabei die Belange von Klima- und Artenschutz integriert. Wir setzen uns daher dafür ein, dieses Potenzial u.a. durch internationale Direktinvestitionen in die Region zu entfalten. Doch besonders im Bereich der wirtschaftsnahen Förderung verhindern regulatorische Hürden, allen voran der europäische Beihilferahmen, viele sinnvolle Vorhaben wie beispielsweise die Schaffung von Anlagen zur Skalierung von Life Science Start-ups. In diesem Zuge setzen wir uns für eine Überarbeitung des europäischen Beihilferahmens ein, um Ausnahmen für die Unterstützung von neuen Produktionsanlagen in Zukunftstechnologien und eine Beschleunigung der Beihilfeverfahren zu erwirken.

 

IV. Sicherung von Arbeits- und Fachkräften

Das Arbeits- und Fachkräftepotenzial ist für die Zukunft im Rheinischen Revier von zentraler Bedeutung. Dafür ist die Fachkräfteoffensive des Landes NRW ein guter Ansatz. Um das Fachkräftepotenzial zu wecken, wollen wir faire Chancen für alle am Arbeitsmarkt, die Stärkung der beruflichen Bildung, attraktive Arbeitsplätze, die Einwanderung von Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland und die Förderung der Weiterbildung und des Seiteneinstiegs.

Wir sehen im Strukturwandel die Chance, das Rheinische Revier zur führenden Aus- und Weiterbildungsregion in NRW zu entwickeln. Sowohl die Verfügbarkeit von Arbeits- und Fachkräften als zentrales Zukunftsproblem als auch der Anpassungsbedarf von Ausbildungsplänen an sich wandelnde Anforderungen des Arbeitsmarktes und neuer Wirtschaftszweige machen innovative Ausbildungskonzepte notwendig.

Wir streben an, das Rheinische Revier hierfür als Modellregion zu etablieren. Dies kann beispielsweise durch ein Pilotprojekt für modulare Ausbildungen ab der Erstausbildung in enger Kooperation mit den IHKen, Handwerkskammern sowie Berufsschulen der Region erfolgen. Dabei ist uns wichtig, dass nicht nur große Unternehmen, sondern auch KMU von diesen Strukturen profitieren. Des Weiteren setzen wir uns für eine verstärkte Weiter- und Umschulung von Arbeits- und Fachkräften zum Beispiel über modulare Teilqualifizierungen mit einem starken Schwerpunkt auf ‘learning on the job’ ein. Ausbildungsnetzwerke sollen den engen Austausch zwischen verschiedenen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und den relevanten Stellen fördern, um die Bedarfe des Arbeitsmarktes besser abzudecken.

Eine weitere zentrale Herausforderung besteht darin, das Rheinische Revier zu einer attraktiven Lebens- und Arbeitsregion zu machen. Wir streben eine gemeinsame Vision für das Rheinische Revier an, die nicht nur auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, sondern auch auf die Verbesserung der Lebens- und Umweltqualität abstellt. Wir setzen uns für die Schaffung von lebenswerten Gemeinschaften ein, in denen Wohnen, Lernen, Arbeiten und Freizeit miteinander verbunden sind. Das Ankerprojekt ‘Dörfer der Zukunft’, die Entwicklung von Morschenich-Alt zum ‘Zukunftsdorf’ sowie integrierte Kunst- und Kulturprojekte bieten die Chance, zukunftsweisende Formen des Gemeinschaftslebens zu entwickeln, von denen die gesamte Region profitiert.

Vorbild für eine nachhaltige Gemeindeentwicklung können dabei Konzepte wie die 15-Minuten-Stadt oder Superblocks sein, wie sie in Städten wie Wien, Paris oder Barcelona bereits umgesetzt und erfolgreich erprobt werden. Hierbei ist die Schaffung einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Verkehrsinfrastruktur zentral, die eine vielfältige, inklusive Mobilität unter Stärkung des ÖPNV ermöglicht. Darüber hinaus streben wir die Stärkung der Bildungsinfrastruktur, bereits ab der frühkindlichen Bildung, der Gesundheitsinfrastruktur sowie ein breites kulturelles und soziales Angebot an, um die Lebensqualität im Rheinischen Revier nachhaltig zu verbessern.

 

V. Nachhaltige Flächennutzung

Der Strukturwandel der Wirtschaft im Rheinischen Revier benötigt Flächen, damit neue und bereits ansässige Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen sich neu erfinden, transformieren und wachsen können. Gleichzeitig gilt: der Wirtschaftsfaktor Boden ist endlich! Gewerbeflächen stehen somit in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Nutzung der hochwertigen Böden und damit einer resilienten sowie ökologischen Produktion von Lebensmitteln in der Region. Zudem sind Flächen für das Biotopverbundsystem in Form von hinreichend großen Naturschutzgebieten, ökologischen Trittsteinen, Leitstrukturen und “Brachen” unerlässlich.

Wir konnten durch den Stopp des Braunkohleabbaus viele wertvolle Flächen retten. Dieser Erfolg wird jedoch gefährdet, wenn weitere Wunden in die Erde gerissen werden. Beispielhaft steht hier die beantragte Erweiterung der Kiesgrube am Forster Feld im Rhein-Erft-Kreis. Diese gefährdet die im Koalitionsvertrag vereinbarte, zum Erhalt und Wiederaufbau der regionalen Biodiversität dringend notwendige Waldvernetzung. Einem Neubeginn oder der Erweiterung von Tagebauen zum Abbau anderer Rohstoffe aus Boden wie z. B. Kies, Sand oder Kalk im Kernrevier stellen wir uns daher entschieden entgegen. Im Zuge dessen setzen wir uns zur zukünftigen Deckung des Bedarfs mineralischer Baustoffe für Baustoff- Recycling ein. Mit dem Prinzip des Urban Minings kann ein wichtiger Baustein einer Kreislaufwirtschaft gelegt und indirekt neuem Flächenverbrauch und Treibhausgasemissionen im Bausektor entgegengewirkt werden. Wir unterstützen es, das Biotopverbundkonzept der Umweltverbände zur fachlich maßgebenden Grundlage der Erarbeitung eines Biotopverbundsystems im Rheinischen Revier zu machen. Im Zuge dessen befürworten wir, dass revierweit Flächen für den Biotopverbund landesplanerisch (im Regionalplan) gesichert werden. Ein Ausgleich der Interessen von Naturschutz und Land- und Forstwirtschaft soll insbesondere über den Vertragsnaturschutz erreicht werden. Es ist notwendig, ausreichend finanzielle Mittel für die Entwicklung des Biotopverbundes zur Verfügung zu stellen. Ausgleichsflächen sollen dabei auf das Biotopverbundsystem einzahlen.

Dem Spannungsfeld aus Gewerbeflächen, Landwirtschaft und Naturschutz wollen wir begegnen, indem wir bei Gewerbeflächen die Neuversiegelung so weit wie möglich einschränken. Zudem werden zukünftige Vorhaben möglichst flächensparend umgesetzt. Dabei sollten Flächennutzungspläne aufgrund von örtlichen Qualitäten und nicht entlang kommunaler Grenzziehung aufgestellt werden. Interkommunale Gewerbegebiete, wie z. B. „Inden-Eschweiler – Am Grachtweg“, bieten hier große Chancen, um zukünftig Flächen ko-produktiv und im Sinne eines sparsamen Verbrauchs zu entwickeln. Wir ziehen die Nachverdichtung bestehender Gewerbegebiete der Erschließung neuer Flächen stets vor. Außerdem fördern wir sogenanntes “Brownfielding” zur Sanierung und Neubelebung bereits versiegelter Flächen. Im Zuge dessen ist auch die Weiterentwicklung bestehender Gewerbegebiete mit Blick auf die Klimaneutralität notwendig. Sofern Neuentwicklungen nötig sind, bieten sich insbesondere die von RWE nicht mehr für den Braunkohleabbau benötigten Flächen an, sofern diese aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht besser für die Renaturierung oder die landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind.

Neue Gewerbeflächen werden wir klimaorientiert entwickeln, d.h. dass überbaute oder versiegelte Flächen umfassend mit Anlagen zur erneuerbaren Energieerzeugung und/oder biodiversitätsfördernden Begrünung ausgestattet werden. Außerdem wird die Integration von Windenergie- und Photovoltaikanlagen zur Eigenstromerzeugung in den Gewerbegebieten grundsätzlich mitgedacht und ermöglicht. Mindestens genauso wichtig für die Energiewende ist die Versorgung mit „grüner Wärme“. In Zusammenarbeit mit lokalen Versorgern werden künftige Gewerbegebiete durch Geothermie, PV-Wärme oder mit lokalen Niedrigtemperatur-Nahwärme-Netzen ausgestattet. Gewerbeflächen werden hydrologisch positiv entwickelt, indem beispielsweise Versickerung und Verdunstung in ausreichendem Maße ermöglicht werden. Wir GRÜNE fördern zudem den Einsatz ökologischer Baustoffe und setzen uns für entsprechende Gebote in Bebauungsplänen ein. Daher begrüßen wir die Faktor X Bauweise im Indeland.

Unser Ziel ist eine Blau-Grüne Infrastruktur, klimaneutral, mit vielfältiger Flora und Fauna und effizienter sowie ökologisch verträglicher Nutzung für Wirtschaft und Unternehmen. Wir legen die Basis für nachhaltiges und zukunftsfestes Wirtschaften und ein attraktives Lebensumfeld im Rheinischen Revier.

Neuste Artikel

Yazgülü Zeybek zum Rücktritt des Landesvorstandes der Grünen Jugend NRW

Achtermeyer: „Klimaschutz ist kein Nice-to-have“

LaVo-Beschluss

Solingen mahnt uns: Klare Kante gegen Islamismus – Freiheit und Zivilgesellschaft schützen

Ähnliche Artikel