Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 29. Juni 2024.
Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz beschlossen. Nur vier Jahre nach dem Untergang der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft trat die Bundesrepublik Deutschland in ein neues Zeitalter ein. Nachdem auf und von deutschem Boden in ganz Europa Millionen Menschen entrechtet, gefoltert und ermordet wurden, haben wir eine Verfassung bekommen, der die Verpflichtung zum Schutz der unantastbaren Menschenwürde vorangestellt wurde.
Es ist heute kaum möglich, die Bedeutung dieses Kulturwandels wirklich nachzuvollziehen. Unser Grundgesetz ist der gesetzgewordene Bruch mit dem vorangegangenen Unrecht. Daher ist es natürlich, dass die Gleichheit vor dem Gesetz mit dem Schutz der Menschenwürde und der Freiheit der Person als erstes erwähnt werden. Geregelt sind die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichberechtigung der Geschlechter und den Schutz vor Benachteiligung aufgrund von Geschlecht, Sprache, Abstammung, “Rasse”, Glauben oder politischer Anschauung. Im Großen und Ganzen schützt der Artikel 3 die Gruppen, die in der vorangegangenen Diktatur schutzlos ausgeliefert waren.
Wer im Artikel 3 fehlt, ist die Gruppe der Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt wurden. Das ist auch kein Zufall. Queere Menschen wurden auch in der Demokratie verfolgt, kriminalisiert und diskriminiert. Der Paragraf 175 war bis zum 11. Juni 1994 in Kraft und hat viele Jahre lang Leben zerstört. Der Bruch mit der Kultur des Unrechts war nicht komplett. Das liegt nun hinter uns. Was bleibt ist eine klaffende Wunde in einem Grundgesetz, das ein Glücksfall unserer Geschichte, aber doch ein Kind seiner Zeit ist.
Nach 75 Jahren muss diese Wunde endlich geschlossen werden. Seit Jahren gibt es bürgerschaftliche Initiativen, die eine Vervollständigung des Grundgesetzes zum Ziel haben. Auch wir als Grüne haben uns diesem Ziel verpflichtet und z.B. im Koalitionsvertrag in NRW durchsetzen können, dass die Landesregierung eine Grundgesetzänderung im Bundesrat unterstützen wird.
Angesichts einer schriller werdenden öffentlichen Stimmung und zunehmender Verhetzung gesellschaftlicher Fortschritte, ist dieses wichtige Ansinnen sehr in den Hintergrund geraten. Aber Grundrechte sind nichts, was nur erkämpft werden sollte, wenn es keine Widerstände gibt und die Umstände ideal sind.
Wir rufen alle demokratischen Kräfte im Bundestag und Bundesrat auf, jetzt zusammenzukommen, ein Zeichen zusetzen und nach dem großen Schritt von vor 75 Jahres ein Grundgesetz möglich zu machen, das wirklich für Alle da ist.
Die Landesregierung NRW soll sich über den Bundesrat für eine entsprechende Initiative einsetzen, um die notwendigen Verfahren zur Aufnahme der “sexuellen Identität” in Artikel 3 GG einzuleiten.
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