Die Klimakrise ist real, das spüren wir in den letzten Jahren immer konkreter. Hitzewellen, Dürren und Starkregen sind die Folgen und damit müssen wir umgehen. An erster Stelle steht nach wie vor: Die beste Klimaanpassung ist Klimaschutz. Wir können dafür sorgen, dass die Folgen nicht noch extremer werden, indem wir unseren C02-Ausstoß reduzieren und der Natur wieder mehr Platz geben. Doch darüber hinaus können wir uns auch an die extremen Wetterverhältnisse anpassen. Wir können unsere Dörfer und Städte neu gestalten und der Natur wieder mehr Raum geben und so eine natürliche Klimaanpassung erreichen. Wir können Beton-Innenstädte zu lebenswerten Orten machen, an denen Menschen wieder gerne zusammenkommen. Wir haben es selbst in der Hand zu entscheiden, wie wir unsere Städte bauen, Landwirtschaft betreiben oder unsere Natur fit machen.
Tim Achtermeyer ist deshalb durch NRW gereist, um Menschen zu besuchen, die heute schon ganz konkret Klimaanpassung betreiben und ihre Städte oder Dörfer neu gestalten. Außerdem sprach er mit Wissenschaftler*innen, die erforschen, wie wir Klimaanpassungsmaßnahmen sozial gerecht umsetzen können.
Forschung und Beratung bei Klimaanpassungen
Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie zum Beispiel forscht seit vielen Jahren zu nachhaltiger Entwicklung. Dabei verstehen sich die Wissenschaftler*innen aus Wuppertal als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Sie teilen ihr Wissen mit Kommunen in NRW und profitieren so gleichzeitig von den praktischen Erfahrungen der Menschen, die Klimaanpassung schon ganz konkret bei sich zu Hause umsetzen. Die größte Herausforderung ist dabei, dass die Klimaanpassungsmaßnahmen zügig durchgeführt werden müssen. Dafür ist es notwendig, dass Planungsverfahren beschleunigt werden, Baumaßnahmen priorisiert und mit genügend finanziellen Mitteln ausstatten werden.
Der Urbane Raum in Zeiten der Klimakrise
Mit der Frage, wie wir Zeit und Geld bei der Umsetzung von Klimaanpassungsprojekten sparen können, beschäftigt sich auch das Deutsche Institut für Urbanistik. Durch den interdisziplinären Ansatz werden hier Themen wie Klimavorsorge und Stadtplanung zusammengedacht. Denn in der Praxis können Klimaanpassungsmaßnahmen nicht isoliert durchgeführt werden. Bei einer Straßensanierung zum Beispiel ist es am effizientesten, die Klimaanpassung gleich mitzudenken und nicht nur die Fahrbahn zu erneuern, sondern auch gleich das Abwassersystem zu modernisieren und die Umgebung zu begrünen. So spart man Kosten und Zeit und schafft öffentliche Räume, an denen sich Menschen erholen und abkühlen können. Denn besonders Menschen in kleinen Wohnungen leiden im Sommer zunehmend unter den steigenden Temperaturen.
Lokal handeln, global denken
Lokal handeln, aber global denken. Das ist nicht nur seit jeher ein Grundgedanke der Grünen, sondern auch der internationalen Wissenschaft. Forschungseinrichtungen, wie die Universität Bonn vernetzen Ideen weltweit und machen sie für alle zugänglich. Die Hochschule greift auf ein weltweites Netzwerk von Universitäten und Forschungseinrichtungen zurück, die sich mit den Herausforderungen des Klimawandels befassen. Der Fokus der Forschung liegt hierbei nicht nur auf technischen Lösungen. Vielmehr werden auch die Auswirkungen auf den Menschen als Individuum untersucht. Denn Hitze und Stress durch Extremwetter haben direkten Einfluss auf den einzelnen Menschen. Auf der einen Seite belastet die Hitze mehr Menschen aus vulnerablen Gruppen, auf der anderen Seite sinkt die Konzentration und Leistungsfähigkeit. Wir müssen also Orte im öffentlichen Raum schaffen, die trotz extremen Wetterlagen gesellschaftliches Leben ermöglichen. Innenstädte müssen grüner werden und Universitäten und Schulen müssen weiterhin besuchbar sein.
Essens grüne Mitte
Wie eine grüne Innenstadt aussehen kann, hat sich Tim im „Universitätsviertel Grüne Mitte Essen“ angeschaut. Auf 13 Hektar ist ein Viertel mit Grünanlagen, Wasserbecken, Innenstadt und einem Universitätscampus entstanden. Auf der Fläche eines ehemaligen Güterbahnhofs, die vorher 30 Jahre brach lag, liegt heute ein Quartier, das gleichzeitig Wohnen, Arbeiten, Gewerbe und Universität ermöglicht. Die Multifunktionalität des Quartiers verkürzt nicht nur die Wege der Bürger*innen, sie unterstützt auch die lokale Wirtschaft. Das Projekt steht somit für einen ganzheitlichen Ansatz nachhaltiger Stadtentwicklung. Die begrünten Dächer und Wasserachsen dienen nicht nur als Parkfläche und steigern die Biodiversität in der Stadt, sie sind gleichzeitig auch Ordnungs- und Reinigungssystem für Regenwasser. Das Regenwasser wird aufgefangen und gereinigt, bevor es in ein öffentliches Wasserbecken im Park geführt wird, und damit die Umgebung kühlt und optisch aufwertet. . Dadurch wird nicht nur kostbares Wasser gespart, sondern gleich mehrfach genutzt.
Hochwasserschutz und Artenvielfalt
Solingen ist durch seine bergige Landschaft geprägt. Bei starken Regenfällen sammelt sich das Wasser und fließt durch die Täler ab. Bei unserem Besuch der Technischen Betriebe Solingen konnten wir sehen, wie Solingen Flächen und Straßen anpasst, damit Wasser länger gespeichert werden und kontrolliert abfließen kann. Denn gerade die starke Versiegelung in städtischen Gebieten ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Wasser sich unkontrolliert seine Wege sucht und so die Gefahr für Hochwasser steigt. In Solingen werden Wiesen also so umgestaltet, dass sie Wasser aufnehmen und speichern können und ein verlangsamter Abfluss möglich ist. Eine andere Möglichkeit ist, dass Wasser unter Baumscheiben, also Bäumen an Straßen, unterirdisch in Zisternen geleitet und gespeichert wird. So kann bei Starkregen das Wasser besser abfließen und in trockenen Perioden ist es für die Bäume verfügbar.
Im ländlichen Raum mit seinen vielen kleinen Bächen und Flüssen ist der Schutz vor Hochwasser von zentraler Bedeutung. Denn die Flüsse wurden oft begradigt, was dazu führt, dass Wasser schneller fließt, bei starken Regenfällen nicht auf Wiesen und Auen ausweichen kann und so die Gefahr von Hochwasser und Sturzfluten steigt. Hier setzen die Maßnahmen des Niersverbands in Mönchengladbach an, der in den vergangenen Jahren der Niers mehr Fläche zurückgegeben hat und so auch Raum für Pflanzen und Tiere geschaffen hat. Die Verbindung von Naturschutz und Hochwasserschutz zeigt, wie sorgfältig gestaltete Landschaften mehrere Funktionen erfüllen können.
Auf einer Fläche, die früher für Aquakultur genutzt wurde und die mittlerweile renaturiert ist, siedeln sich inzwischen Vögel an, die zuvor lange nicht mehr dort gesehen wurden. Diese Erfolgsgeschichte unterstreicht die Bedeutung von solchen Projekten für die Wiederherstellung von Lebensräumen und die Förderung der Artenvielfalt.
Die Renaturierung der Umwelt zeigte bereits bei Hochwasserereignissen im Jahr 2021 ihre Wirkung – Wasser konnte sich kontrolliert ausbreiten, wurde abgeleitet und die Umgebung geschützt. Trotz anfänglichen Widerstands, beispielsweise gegen das Fällen von Bäumen, wurden die ökologischen Vorteile dieser Projekte schnell deutlich, was zu einer breiten Akzeptanz in der Region führte.
Mit einer Radtour im benachbarten Krefeld haben wir die Tour abgerundet und die Niepkuhlen besichtigt, heute ein wichtiges Naherholungsgebiet für Krefeld. Die durch den Torfabbau entstandenen Kuhlen sind heute mit Wasser gefüllt. Sie durchziehen die Landschaft wie eine Perlenkette und bieten Platz für Tiere und Menschen. Doch auch hier steht die Stadt vor Herausforderungen: Da es weniger regnet und die Kuhlen keinen natürlichen Zulauf haben, sinkt der Pegel. Daher wird auch hier an Lösungen gearbeitet, um zumindest Teile der Niepkuhlen langfristig zu erhalten.
Die Chancen in der Veränderung
Wir stehen vor großen Herausforderungen, da wir uns an die Klimaveränderungen und die damit einhergehenden Extremwetter anpassen müssen. Auf Bundes- und Landesebene müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit sich die Menschen und Kommunen besser an den Klimawandel anpassen können. Und gleichzeitig sind es auch die kleinen Projekte und die Menschen vor Ort, die mit kleinen Maßnahmen große Wirkung erzielen. Veränderung bedeutet immer auch Chancen: Chancen den Raum in dem wir leben neu zu gestalten und diese Gestaltung von Menschen, Tieren und der Natur aus zu denken. Forschung und Praxis zeigen: Wir können es besser machen und auch in Zukunft unsere reiche Natur und unser gutes Leben hier in NRW erhalten.
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