Erster Lebens- und Lernort außerhalb der Familie sind unsere Kindertagesstätten. Sie müssen den Kindern das bieten, was viele aus der Familie schon kennen: Geborgenheit, Sicherheit, verlässliche Bindungen und Förderung. Einige Kinder lernen dies in der Kita erstmals kennen. Dies ist die Grundlage dafür, dass Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern gelingen kann. Die Bedürfnisse der Kinder, die Betreuungsbedarfe der Eltern und die gesellschaftliche Notwendigkeit, allen Kinder durch frühkindliche Bildung gleiche Startchancen zu verschaffen, sind für Bündnis 90/Die Grünen NRW Schwerpunkt unserer politischen Arbeit. Dabei legen wir Wert auf die Wahrung des eigenständigen Bildungsauftrags der Elementarbildung.
Alle staatlichen Ebenen sind in der Verantwortung, ein bedarfsgerechtes und qualitativ hochwertiges Angebot im Elementarbereich zu schaffen. Seit 2008 wurden erhebliche Anstrengungen besonders durch die Kommunen und die Träger unternommen, um den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr zu erfüllen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat erst mit dem Regierungswechsel 2010 seine Verantwortung zur Finanzierung des U3-Ausbaus übernommen und eine beispiellose Aufholjagd zur Schaffung eines bedarfsgerechten Betreuungsangebots gestartet. Die Kommunen erhalten inzwischen Bundesmittel für den Betrieb von Kitas, die die alte schwarz-gelbe Landesregierung noch für den Landeshaushalt abgegriffen hat. Von 2010 bis 2013 sind unter Rot-Grün die Landesausgaben für eine bedarfsgerechte und hochwertige Kindertagesbetreuung um über 50% erhöht worden.
Die Anstrengungen waren erfolgreich: Im Ergebnis kann den Eltern in NRW ab Sommer für jedes 3. Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz angeboten werden. Damit würde das angestrebte Ausbauziel erreicht. Es bleibt aber noch viel zu tun, um allen Kindern eine bestmögliche frühkindliche Bildung zu ermöglichen und zu einer wirklich guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu kommen. Diesen Prozess wollen wir in NRW – wie in den letzten Jahren – unter Beteiligung von Eltern, Beschäftigtenvertretungen, Trägern und Kommunen fortführen.
Kinder und Familien brauchen eine andere Bundespolitik
Jenseits der Vereinbarungen von 2007 hat die schwarz-gelbe Bundesregierung wenig getan, um den Kita-Ausbau zum Erfolg zu führen und die Umsetzung des U3-Rechtsanspruchs zu gewährleisten. Längst ist klar, dass die ursprünglich im Bundesdurchschnitt angenommene und als Grundlage für die Finanzierungsvereinbarung herangezogene Bedarfsquote von 35 Prozent nicht ausreicht. Aber statt Länder und Kommunen an einen Tisch zu holen und auf der Grundlage einer soliden Bedarfserhebung eine faire neue Finanzierungsvereinbarung zu treffen, haben Familienministerin Kristina Schröder & Co jahrelang den Kopf in den Sand gesteckt und es in Kauf genommen, dass Länder und Kommunen auf den Ausbau-Kosten sitzen bleiben. Selbst die 580 Millionen Euro, die die rot-grünen Bundesländer im Rahmen der Verhandlungen zum Fiskalpakt zusätzlich für den Kita-Ausbau erstritten haben, wurden von der Bundesregierung nicht umgehend zur Verfügung gestellt. Stattdessen bemühte sich die Bundesfamilienministerin nach Kräften, die Länder durch kleinteilige Vorgaben zu schikanieren und den Ausbau weiter hinauszuzögern. Auch und vor allem in der Kinder- und Familienpolitik brauchen wir dringend einen Regierungswechsel im Herbst!
Das Schwarzer-Peter-Spiel beim Kita-Ausbau muss ein Ende haben. Der Bund muss endlich wieder selbst aktiv Verantwortung übernehmen und sich nachdrücklich für den Ausbau engagieren. Wenn GRÜNE an der nächsten Bundesregierung beteiligt sind, werden wir in einem ersten Schritt ein Sofortprogramm für die Kommunen auflegen, die in den vergangenen Jahren nachweislich in den Kita-Ausbau investiert haben, deren Bedarf aber über dem angenommenen Durchschnittswert liegt. Dies betrifft in NRW insbesondere die Ballungsgebiete. Mit dem Sofortprogramm wird sichergestellt, dass der Rechtsanspruch überall schnellstmöglich umgesetzt werden kann. Land und Kommunen werden entlastet, Eltern können darauf vertrauen, dass der Rechtsanspruch nicht nur auf dem Papier steht.
Der Bund muss sich aber politisch und finanziell mehr engagieren, auch weit über 2013 hinaus. Deswegen wollen wir in der nächsten Legislaturperiode gesetzlich klar stellen, dass es sich beim Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz sowohl für Kinder unter wie auch über drei Jahre um einen Ganztagsplatz handelt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tatsächlich sicher zu stellen. Ein verlässliches Angebot verringert bei den Eltern Zeitkonflikte und Stress und wirkt sich damit positiv auf die Familienzeit aus. Frühkindliche Bildung braucht Zeit. Nordrhein-Westfalen ist mit einem Angebot von 93 Prozent bei Plätzen von 35 und 45 Wochenstunden im bundesweiten Vergleich bereits führend beim Ganztagsausbau. Die unterschiedlichen Bedarfe der Eltern zum zeitlichen Betreuungsumfang müssen aber noch stärker berücksichtigt werden, gerade auch im laufenden Kita-Jahr, zum Beispiel bei Änderungen der beruflichen Situation.
Auch die Unternehmen sind gefordert, Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Familienfreundliche Maßnahmen, wie flexible Gestaltung der Arbeitszeiten, Vermeidung von Schichtarbeit für Mütter und Väter, Teilzeitarbeitsplätze und die Sicherung des beruflichen Fortkommens nach der Elternzeit, sollten Teil jeder Personalpolitik eines Unternehmens werden.
Angesichts des neuen Rechtsanspruchs stand der quantitative Ausbau der Kita-Plätze in den letzten Jahren im Fokus. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung kann aber nur dann zu größerer Chancengerechtigkeit und besserer frühkindlicher Förderung führen, wenn die Qualität in den Einrichtungen stimmt. Daher müssen die aktuell stattfindenden Veränderungen in der Kita-Infrastruktur auch für eine Qualitätsoffensive genutzt werden. Dies können Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam erreichen. Insbesondere die Fachkraft-Kind-Relation ist wichtig, um die Qualität in den Kitas zu verbessern und die dringend notwendige Entlastung für die Erzieherinnen und Erzieher zu schaffen. Wir wollen einen auf die Fachkraft-Kind-Relation bezogenen Standard bundesgesetzlich verankern, der auch Verfügungszeiten beinhaltet, und der einen deutlichen Qualitätsschub in den Einrichtungen ermöglicht.
Die Verankerung im Kinder- und Jugendhilfegesetz ist nicht nur notwendig, um die Qualität in den Einrichtungen bundesweit voran zu bringen, er ist auch der Schlüssel für eine dauerhafte finanzielle Verpflichtung des Bundes jenseits der Investitionen in die Kitas im engeren Sinne. Für viele Kinder ist eine alltagsintegrierte Sprachbildung in der Kita wesentlich, um Teilhabe und bessere Chancen im weiteren Lebensverlauf zu ermöglichen. Wir wollen die Bundesmittel für die Sprachförderung aufstocken, um deutlich mehr Kinder zu erreichen.
Wir wollen, dass der Bund sich zukünftig finanziell stärker für den Ausbau und die Qualität der Kindertagesstätten engagiert. Eine Milliarde Euro jährlich sollen – zunächst für das Sofortprogramm, dann zur Ausgestaltung des Qualitätsstandards und zur Finanzierung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz – zur Verfügung gestellt werden. Rund 200 Millionen Euro kämen also von Seiten des Bundes jährlich zusätzlich den Kitas in NRW zugute.
Zur Finanzierung guter Kitas und zur Einführung einer Kindergrundsicherung wollen wir das Ehegattensplitting schrittweise abschmelzen. Denn wir wollen Kinder besser fördern und nicht den Trauschein subventionieren. Das Ehegattensplitting fördert mit etwa 20 Mrd. Euro jährlich die Ehe, unabhängig davon, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. Gleichzeitig lebt mittlerweile etwa jedes dritte Kind in Familien ohne Trauschein – sie profitieren überhaupt nicht von dieser Steuersubvention.
Wir sagen: Jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Deshalb schmelzen wir das Ehegattensplitting auf der einen Seite verfassungskonform ab und ersetzen es auf der anderen Seite durch eine Individualbesteuerung mit übertragbarem Existenzminimum. Alle Einnahmen aus dieser Reform werden wir Cent für Cent in bessere Kitas und Bildung und den Aufbau einer Kindergrundsicherung investieren.
Familien ohne Trauschein und Familien mit geringen oder mittleren Einkommen werden entlastet, da die geplante Grüne Kindergrundsicherung vor allem für diese Familien einen Ausgleich schafft. Mehreinnahmen durch ein Abschmelzen des Ehegattensplittings entstehen zu 42,5 Prozent auch bei den Ländern. Schon bei einer Begrenzung der Wirkung des Splittingvorteils auf Paare mit einem Einkommen ab 60 000 Euro, würde Nordrhein-Westfalen deutlich über eine halbe Milliarde Euro Mehreinnahmen verzeichnen und damit seine eigenen Spielräume für Investitionen in Ausbau und Qualität der Kindertagesbetreuung deutlich erweitern.
Das unsinnige Betreuungsgeld, das falsche Anreize setzt, in dem Kinder von der Kita und Mütter von ihrem Job fern gehalten werden, werden wir umgehend wieder abschaffen und die dafür eingeplanten Mittel in die Qualität von Kinderbetreuungsangeboten investieren.
Für ein besseres Kindergartengesetz in NRW
Mit dem ersten KiBiz-Änderungsgesetz 2011 haben wir auf Landesebene einen ersten Schritt zur Aufwertung der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien erreicht. Allein für den Bereich der Qualität stehen im Haushalt 2013 rund 150 Millionen Euro für zusätzliches Personal in der U3-Betreuung zu Verfügung. Weitere Verbesserungen gab es bei der Finanzierung von Familienzentren, bei der Umsetzung von Inklusion oder bei den Waldkindergärten. Massiv gestärkt wurde auch die Elternbeteiligung.
Trotz dieser Fortschritte bleibt unsere feste Überzeugung, dass wir ein neues Kindergartengesetz entwickeln müssen. Dabei gilt für uns der Grundsatz, dass eine transparente und sorgfältige Beratung unter Einbeziehung aller Beteiligter stattfinden muss, bei der ein Konsens zu einer Novellierung des Finanzierungssystems angestrebt werden soll. In diesem Prozess treten wir GRÜNE dafür ein, dass wir öffentliche Kindertagesbetreuung so finanzieren und organisieren wollen, dass die Trägervielfalt erhalten bleibt, die Träger eine bessere Planungssicherheit erhalten und Erzieherinnen und Erzieher wieder gesicherte und unbefristete Beschäftigungsverhältnisse bekommen. Um den Beruf Erzieher*in attraktiver zu machen und so dem Fachkräftemangel zu begegnen, wollen wir die Praxisanteile in der Ausbildung deutlich erhöhen in Kombination mit einer Entgeltzahlung ab Ausbildungsbeginn. Erste positiv verlaufende Ansätze einer praxisintegrierten Ausbildung an einzelnen Standorten in NRW (z.B. in Hamm oder Dortmund) müssen unter der Einbeziehung der vorhandenen Erfahrungen – auch aus anderen Bundesländern – modellhaft ausgeweitet werden.
Die Finanzierung öffentlicher Kindertagesbetreuung bedarf einer fairen Lastenverteilung zwischen Bund, Land, Kommunen und Trägern. Den bisher geltenden Grundsatz der paritätischen Finanzierung zwischen Land und Kommunen wollen wir beibehalten. Landeseinheitliche Elternbeiträge oder eine weitere finanzielle Entlastung von Eltern durch Beitragsfreiheit und eine Änderung der Finanzierungssystematik bleiben unsere perspektivischen Ziele. Angesichts begrenzter Finanzmittel haben jedoch Maßnahmen im Bereich der Qualitätsverbesserung für uns GRÜNE Priorität.
In dem neuen Gesetz sollen auch künftig die Trägeranteile erhoben werden. Wo höhere Trägerrücklagen vorhanden sind, sollen diese – bestenfalls zur Verbesserung der Personalsituation – über eine sachgerechte gesetzliche Höchstgrenze abgebaut werden.
Qualität hat Priorität
Bündnis 90/Die Grünen NRW betonen folgende inhaltlichen Eckpunkte für ein kommendes neues Gesetz zur frühkindlichen Bildung:
- Steigerung der Qualität durch Sicherung einer Mindestpersonalausstattung über einen rechtsverbindlichen Fachkraft-Kind-Schlüssel und eine Gruppengrößenbeschränkung
- Stärkung der Bildungsgerechtigkeit durch Anwendung von Sozialindikatoren bei der Kita-Finanzierung
- Gewährleistung eines bedarfsorientierten Angebotes an Betreuungszeiten vor allem im U3-Bereich
- Zur Unterstützung der Eltern bei ihren Erziehungsaufgaben wollen wir die Vernetzung von Familienhilfe und Kinderbetreuung in Familienzentren fortsetzen. Im neuen Modell Familienzentrum-Plus in Kitas mit besonderem Bedarf soll die bisherige Angebotspalette um die Bereich Gesundheitsförderung/Bewegung und Arbeit erweitert werden. Solche Familienzentren sind finanziell besser auszustatten.
- Ziel eines Personalmix aus Fachkräften mit Hochschulabschluss, Erzieherinnen und Erziehern und ergänzend Kinderpflegerinnen und Kinderpflegern
- Schaffung einer gesetzlichen Regelung für Hauswirtschaftskräfte, die das pädagogische Personal entlasten
- Weiterentwicklung der jetzigen Sprachstandserhebung mit dem Ziel verbindlicher Beobachtungsverfahren und Sprachbildung durch das Kita-Personal in einer Hand
- Unterstützung bei der landesweiten Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung im Elementarbereich
- Verbesserung des Übergangs Kita-Schule z.B. durch gemeinsame Fort- und Weiterbildungen der Fachkräfte sowie eine partnerschaftliche Gestaltung des Übergangs
- Qualifizierung der Kindertagespflege durch landeseinheitliche Mindeststandards. Die Kindertagespflege muss darüber hinaus stärker in die landesweiten Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung in der Elementarbildung eingebunden werden, z.B. bei der gegenwärtigen Entwicklung der Bildungsgrundsätze NRW. Darüber hinaus unterstützen wir die Forderungen nach fairer Entlohnung und mehr gesellschaftlicher Anerkennung der Kindertagespflege und aller Beschäftigten im Elementarbereich.
- Steigerung der Attraktivität der Erzieher*innen-Ausbildung durch Ausbau der Praxisorientierung mit Entgeltzahlung
- Steigerung der Zahl männlicher Fachkräfte und von Fachkräften mit Migrationshintergrund
Hochwertige Kitas unterstützen Kinder und Eltern
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen wir GRÜNE weiter verbessern, doch sind hierfür nicht allein Kommunen, Land und Bund verantwortlich. Gerade größere Arbeitgeber*innen sollten Angebote zur Kinderbetreuung bereitstellen und Eltern damit familiengerechte Arbeitszeiten ermöglichen. Notwendig sind gesetzliche Regelungen zur erleichterten Schaffung von Betriebskitas, die neben dem öffentlichen Zuschuss auch einen finanziellen Eigenanteil des Betriebs vorsehen.
Wir begrüßen die in diesem Jahr erreichte Zwischenetappe bei der Bereitstellung von U3-Plätzen. Da künftig mit weiterem Bedarfen zu rechnen ist, muss der U3-Ausbau bis zur Bedarfsdeckung fortgesetzt werden. Wir wollen flexible Betreuungsangebote und eine Stärkung der Wahlfreiheit der Eltern bei den Betreuungszeiten.
Wir GRÜNE stellen uns der Verantwortung, den Elementarbereich als Basis des gesamten Bildungssystems zu stärken. Um den Bedarf der Eltern zu decken und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung verwirklichen zu können brauchen Land und Kommunen endlich eine angemessene politische und finanzielle Unterstützung seitens des Bundes. Dafür werden wir bis zum 22. September und darüber hinaus kämpfen!
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