Jung, männlich und deutsch(stämmig): So sieht für viele Unternehmen der ideale Arbeitnehmer aus – so zumindest das Vorurteil. Viele Arbeitgeber*innen in NRW haben aber längst die Vorteile einer vielfältigen Belegschaft erkannt.
Eines der größten Probleme für viele Teile der deutschen Wirtschaft ist der Fachkräftemangel. Die Folge: Alle gesellschaftlichen Gruppen werden als Arbeitskräfte immer attraktiver. Die Integration dieser Gruppen ins Arbeitsleben ist nach Meinung der Kölner Unternehmerin Dr. Sandra von Möller eine zentrale Herausforderung für Unternehmen: „Das Thema Vielfalt wird zu einem Schlüsselthema für die Fachkräftesicherung der Unternehmen“. Aber wie weit ist unsere Wirtschaft bei dem Thema eigentlich schon gekommen?
Fachwissen und interkulturelle Kompetenz
Dr. von Möller hat sich diese Frage vermutlich bereits öfter gestellt. Sie ist Vizedirektorin der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) und leitet den Arbeitskreis „Gender & Diversity“, der eine Umfrage zu diesem Thema durchgeführt hat. 580 Unternehmen haben geantwortet und das mit zum Teil überraschenden Ergebnissen:
Rund 60 Prozent der Befragten stellen etwa bewusst Arbeitnehmer*innen über 50 ein – häufig als Berater oder Mentoren jüngerer Kolleg*innen. Dabei spielt besonders das Fachwissen eine Rolle. Ähnlich sieht es mit Migrant*innen aus: Etwa zwei Drittel der befragten Unternehmen schätzen die sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen und werben daher gezielt Arbeitnehmer*innen mit Migrationshintergrund an. „Das zeigt: Unterschiedliche Talente ergänzen sich wunderbar“, bilanziert der Grüne Landesvorsitzende Sven Lehmann. „Kluge Unternehmerinnen und Unternehmer nutzen das aus“.
Die Umfrage ergab jedoch auch: Der Anteil Frauen – insbesondere in Führungspositionen – ist stark verbesserungswürdig. Über drei Viertel der Führungsgremien sind nach wie vor rein männlich besetzt. „Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf“, analysiert Sven Lehmann. „Denn so gehen den Unternehmen hochqualifizierte und motivierte Arbeitnehmerinnen verloren“.
Dasselbe gilt für die Beschäftigung Schwerbehinderter: Trotz gesetzlicher Abgabeverpflichtungen stellen nur ein Drittel der befragten Unternehmen Schwerbehinderte ein. Positiv dagegen ist, dass fast die Hälfte der Unternehmen ihre Mitarbeiter*innen beim Umgang mit Vielfalt unterstützt – etwa durch interne Kommunikation, Mentoring oder spezielle Netzwerke.
Charta der Vielfalt
Eine entsprechende Initiative, die die IHK unterstützt, ist die Charta der Vielfalt. 2006 ist sie von vier Unternehmen gegründet worden, mittlerweile sind ihr 2.000 Unternehmen in Deutschland beigetreten, Tendenz steigend. Mit der Charta verpflichten sich die Arbeitgeber*innen dazu,
ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen Wertschätzung erfahren – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung und Identität.
Diesen März erst haben zwölf Unternehmen aus dem Kölner Raum die Charta unterzeichnet. Damit kommen nun mehr als ein Viertel aller Unterzeichner aus NRW. Das lohnt sich, denn „damit identifizieren sie sich als fortschrittliche Arbeitgeber“, meint Sven Lehman. Und das machte sie wiederum attraktiver für qualifizierte Arbeitnehmer*innen.
Außerdem zeigen Unternehmen so ihre Wertschätzung gegenüber ihren Mitarbeiter*innen. Oder, wie eine der Charta-Unterzeichnerinnen *innen es formuliert: „Die Vielfalt in der Belegschaft ist ein Teil unseres Erfolgs. Wir lassen jedem viel Raum sich zu entwickeln. Damit steigt auch die Loyalität zum Unternehmen“.
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