2019 wird ein Schicksalsjahr – für Europa, für die Demokratie, für den Klima- und Naturschutz. Bei seiner Klausurtagung am vergangenen Wochenende hat der Vorstand der GRÜNEN NRW seine Marschroute für dieses Jahr festgelegt. Im Fokus werden dabei die Europawahl und die programmatische Neuaufstellung in wichtigen Bereichen stehen.
Das sind die wichtigsten Punkte aus dem Beschluss:
- Bei der Europawahl geht es um die Frage, ob es Nationalisten, Rechtsextremen und Populisten gelingt, Europa zu spalten, verächtlich zu machen und rückabzuwickeln. Wir kämpfen für ein gerechtes Europa, nicht ein rechtes. Ein soziales Europa, nicht ein kaltes. Ein ökologisch modernes Europa, nicht eines der Lobbyisten der fossilen und atomaren Union.
Unser Ziel: Wir wollen in NRW das beste Resultat unserer Geschichte (bislang: 12,6 Prozent / 2004) einfahren. Dabei unterstützen uns über 2100 Mitglieder mehr als noch bei der Europawahl 2014. - In einer neuen Bildungspolitik geht es um Zukunftsfragen unserer Gesellschaft. Wir wollen Menschen darauf vorbereiten, in einer sich verändernden Welt eine aktive, gestaltende Rolle einzunehmen. Gleichzeitig wollen wir einen neuen Anlauf für mehr Bildungsgerechtigkeit wagen.
- Mit unseren Mitgliedern diskutieren wir intensiv über Digitalisierung. Dabei entsteht eine grüne Leitidee zur digitalen Transformation, die die Menschen mitnimmt und das digital Offene mit dem gesellschaftlich Verantwortlichen verbindet.
- Die Herausforderungen im Klimaschutz sind riesig. Ein Ergebnis der Kohlekommission muss deshalb garantieren, dass die ältesten Kraftwerke in NRW vom Netz gehen und die genehmigten Abbaumengen drastisch verkleinert werden. Die Landesregierung muss jetzt eine neue Leitentscheidung anstoßen, durch die Hambacher Wald erhalten bleibt und in der alle Umsiedlungen neu bewertet werden – mit dem Ziel, die Heimat möglichst vieler Menschen zu erhalten. Die Beschäftigten dürfen dabei nicht ins Bergfreie fallen.
- Wir kämpfen für eine widerstandsfähige und selbstbestimmte Zivilgesellschaft. Angesichts von sich immer besser vernetzenden rechten Gruppen, von offen gewalttätigen Neonazis und Hooligans ist es umso wichtiger, für den Schutz der Freiheit, der Demokratie und von Minderheiten einzutreten. Denn auch in NRW stehen alle, die anders glauben, lieben, denken und aussehen zunehmend unter Druck von Rechts.
Der Beschluss des Landesvorstandes NRW:
„2019 wird ein Schicksalsjahr“ – darin sind sich viele einig. Und ja, das wird es auch: Für Europa, für die Demokratie, für den Klima- und Naturschutz. Wir GRÜNE in NRW gehen nach herausfordernden, arbeitsreichen Jahren mit Tatkraft und Zuversicht in dieses Jahr. Das ist nicht selbstverständlich, sondern Folge einer geschlossenen Kraftanstrengung nach der enttäuschenden Landtagswahl. Heute können wir zuversichtlich sagen: 2017 war das Jahr der Niederlage, 2018 das Jahr der Neubesinnung. Über den Einsatz für Klimaschutz, Kohleausstieg und den Hambacher Wald, für Zusammenhalt in einer sich spaltenden Gesellschaft und nicht zuletzt für das Fundament unseres Zusammenlebens – die freiheitliche Demokratie – haben wir im letzten Jahr als GRÜNE in NRW neue Kraft entwickelt. Dabei haben wir uns auf unseren Kern besonnen, die Fühler wieder in die Gesellschaft ausgestreckt und im Schulterschluss Veränderung erkämpft. Und nicht zuletzt haben wir Gewissheiten hinterfragt – und davon manche bekräftigt, manche verworfen.
2019 werden wir, gestärkt und gleichzeitig hochmotiviert, die noch offenen Baustellen anzugehen, zum Zukunftsjahr machen. Den Blick nach vorn gerichtet – so gehen wir das Jahr unseres 40. Geburtstags an.
Auf Augenhöhe und aus der Praxis heraus: So erarbeiten wir unser grünes Programm für ein NRW der Zukunft
Dafür sind wir unterwegs, vom Bauernhof bis zur Wohnungsloseninitiative, und fragen nach: Was können wir von euch lernen, was für euch tun? Der sich vermeintlich immer weiter vertiefenden Kluft zwischen „der Politik“ und „den Menschen“ begegnen wir mit einem Angebot: Wir laden alle ein, mitzudiskutieren und gemeinsam mit uns an einem NRW der Zukunft zu bauen. Wir freuen uns, dass sich immer mehr Menschen dazu entscheiden, dies auch als Mitglied zu tun.
Fast 15.000 Grüne engagieren sich mittlerweile überall in Nordrhein-Westfalen. Sie alle sind Überzeugungstäter*innen, die die Gestaltung unseres politischen Gemeinwesens weder anderen noch dem Zufall überlassen wollen. Sie sind aktiv, packen an, hören zu, denken mit und verwirklichen grüne Ideen. Viele sind in den letzten Monaten zu uns gekommen, weil sie sehen, dass unsere Demokratie in Gefahr ist, dass unsere natürlichen Lebensgrundlagen bedroht sind wie nie, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt ins Bröckeln gerät. Weil sie finden, dass es nicht mehr reicht, an der Seitenlinie zu stehen und zu kommentieren, was getan werden sollte oder müsste. Weil sie wissen, dass es nun auch auf sie ankommt.
Es sind unruhige, aufgeregte Zeiten, die von fundamentalen Umwälzungen geprägt sind. Wir sehen, wie die Bindungskräfte der ehemaligen „Volksparteien“ schwinden, während der Wunsch nach Orientierung in der Bevölkerung wächst. Die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft nehmen viele Menschen mit wachsender Sorge wahr – spätestens, wenn sie in Hass und Gewalt umschlägt. Freiheits- und Grundrechte schienen selbstverständlich – plötzlich stehen sie zur Disposition. Die Debatte um Flucht und Migration füllt Talkshow um Talkshow, während sich die realen Sorgen vieler Menschen viel eher darum drehen, ob sie sich ihre Wohnung noch leisten können, ihre Kinder eine gute Zukunft haben, ob sie auch ohne eigenes Auto mobil werden oder ob sie im Alter noch selbstbestimmt leben können. Die ökologischen Krisen–Klimawandel, Artensterben, die Vermüllung unserer Erde – spitzen sich erkennbar zu, doch das politische Handeln in Land und Bund verbleibt im kleinen Karo. Die Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nicht im Reparaturmodus lösen. Die Zeit des Auf-Sicht-Fahrens ist vorbei. Wir sind zuversichtlich, dass wir die Herausforderungen gemeinsam bewältigen können, wenn wir uns an sie herantrauen.
Wir streiten um Antworten auf die Herausforderungen von morgen
Digitalisierung ist als Schlagwort in aller Munde. Aber was bedeutet sie für uns, für die Menschen in Deutschland und NRW? Die Frage ist nicht mehr, ob Digitalisierung stattfinden soll, sondern wie wir sie gesellschaftlich lenken. Wir GRÜNEN NRW wollen den digitalen Wandel als gesellschaftliches Querschnittsthema in den Fokus nehmen, jenseits von Hype oder Angst. Die Digitalisierung wirkt sich auf alle Lebens- und damit auch Politikbereiche aus. Wir wollen die Digitalisierung beleuchten und sie mit Mut und Zuversicht gestalten. Als Grüne liegt unser Fokus dabei auch auf der Verbindung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Für uns ist die Digitalisierung ein wichtiges Werkzeug, um ökologische und soziale Nachhaltigkeit zu erreichen. Wir verengen unseren Blick nicht auf Effizienzgewinne durch den technologischen Wandel, sondern diskutieren und gestalten auch seine sozialen Folgen wie z.B. die Veränderungen der Arbeitswelt. Unser Diskurs soll dabei offen und beteiligend sein, raus aus alten Denkschemata, um Neues auch unkonventionell vorzudenken. Wir werden dies tun, mit einem expliziten Blick auf unser Land, Nordrhein-Westfalen, eingebettet in den gesamtdeutschen und globalen Kontext.
Wir wollen Debattenort sein, um in wichtigen gesellschaftlichen, ökologischen und technologischen Zukunftsfragen Orientierung zu geben. Wir wollen, dass digitale Transformationsprozesse den Menschen und dem Planeten zugute kommen und sie für die Lösung der Menschheitsherausforderungen genutzt werden kann. Ziel- und werteorientierte digitale Innovation kann das Leben jeder und jedes Einzelnen verbessern. Wir wollen, dass digitale Lösungen allen Menschen in Nordrhein-Westfalen zugute kommen – egal ob sie in der Großstadt oder auf dem Land leben. Nur so kann die Digitalisierung einen Beitrag für gute und gleichwertige Lebensverhältnisse überall im Land leisten.
Ziel der Debatte ist es, eine grüne Leitidee zur digitalen Transformation zu formulieren, die die Menschen mitnimmt und das digital Offene mit dem gesellschaftlich Verantwortlichen verbindet. Besonderen Wert legen wir dabei auf konkrete Beispiele aus der vielfältigen Schul- und Hochschullandschaft, aktiven Zivilgesellschaft und vielfältigen Wirtschaftslandschaft, und von den Menschen und Akteur*innen aus NRW, die unsere Zukunft gestalten.
Mit der Neuaufstellung unserer Bildungspolitik wollen wir einen Beitrag zur Adressierung der Zukunftsfragen unserer Gesellschaft leisten und Menschen darauf vorbereiten, in einer sich verändernden Welt eine aktive, gestaltende Rolle einzunehmen. Gleichzeitig wollen wir einen neuen Anlauf für mehr Bildungsgerechtigkeit wagen. Deshalb arbeiten wir an einer Bildungspolitik, die mit neuen Wegen die soziale Spaltung in unserem Bildungssystem angeht und verringert. Wir entwickeln unsere Bildungspolitik vom Menschen aus und fragen uns, was er oder sie braucht, um in der Welt von Morgen und Übermorgen ein glückliches Leben zu führen – und leiten daraus die strukturellen Maßnahmen ab. Wir widmen uns den Gelingensbedingungen einer zukunftsfähigen, inklusiven und sozialraumorientierten Bildungslandschaft, die die jeweiligen Bedarfe sehr unterschiedlicher Kinder und Erwachsener erkennt. Es geht um eine Bildungspolitik, die neben der Wissensvermittlung Techniken, Fähigkeiten und Lern- und Gestaltungskompetenzen in den Fokus nimmt, um Wissen anzuwenden, einzuordnen und weiterzuentwickeln. Eine Bildungspolitik, die Menschen befähigt, mit schnellen und vor allem mit disruptiven Veränderungen umzugehen, die Menschen auf globales Handeln vorbereitet, Fähigkeiten zum nachhaltigen Handeln vermittelt und das Leben, Lernen und Arbeiten in Grup- pen sehr unterschiedlicher Menschen fördert. Eine Bildungspolitik, die die Vermittlung demokratischer Werte stärkt, indem sie ihre Institutionen selbst demokratisch organisiert und Menschen Erfahrungen von Selbstwirksamkeit ermöglicht. Zu all diesen Fragen wird die im vergangenen Sommer eingesetzte Kommission „Zukunft der Bildung“ im April ihren Abschlussbericht vorlegen, auf deren Basis im Juni ein Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz die Grundsätze unserer grünen Bildungspolitik in NRW klären soll.
Wir nehmen unser Schicksal in die Hand
Es ist ein Schicksalsjahr für die Europäische Union und das dahinterstehende Friedensprojekt Europa, das mit dem nahenden Brexit und den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai vor immensen Herausforderungen steht, entscheidet doch das Ergebnis dieser Wahlen über den künftigen Kurs: Gelingt es den Nationalisten, Rechtsextremen und Populisten, Europa zu spalten, verächtlich zu machen und rückabzuwickeln – oder bringen die Wahlen Rückenwind für eine ökologische, soziale und freiheitliche Weiterentwicklung? Wir haben den Mut, Europa nicht nur im Status Quo zu verteidigen, sondern klar zu benennen an welchen Stellen Europa besser werden kann. Ein gerechtes Europa, nicht ein rechtes. Ein soziales Europa, nicht ein kaltes. Ein ökologisch modernes Europa, nicht eines der Lobbyisten der fossilen und atomaren Union.
Im Kern heißt das für uns für 2019: Wir betonen unsere lange und glaubwürdige Geschichte und Haltung zu Europa und werden diese im Wahlkampf auch und besonders in NRW nach außen tragen und untermauern. Bei dieser Europawahl wird es mit all den populistischen Kräften um das politische Erbe Europas gehen.
Auch 30 Jahre nach dem Mauerfall muss noch viel dafür getan werden, die gesamtdeutsche Gesellschaft besser zusammenwachsen zu lassen. Um der Ungleichheit verschiedener Regionen wirksam entgegen zu treten, spielt die Stärkung der Kommunen eine immense Rolle. Auch viele ländliche Gebiete oder von strukturellen Umbrüchen betroffene Regionen, wie das Ruhrgebiet, stehen vor großen Herausforderungen den Anschluss an die boomenden Regionen zu erreichen.
Mit einem „Soli für gleichwertige Lebensverhältnisse“ schlagen wir auf Bundesebene ein wirksames Instrument vor. Die Zeiten, in denen das Geld nach Himmelsrichtungen verteilt wurde, muss von der Zeit, in der das Geld dorthin fließt wo es gebraucht wird, abgelöst werden. Wir verstärken unsere Forderung nach einem Altschuldenfonds für überschuldete Kommunen, damit endlich mehr Handlungsspielraum entsteht und die Kommunen wieder Luft zum Atmen haben. Der grundgesetzlich geregelte Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse muss sich für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort durch eine intakte Infrastruktur, gute Bildungsinstitutionen, ein breites kulturelles Angebot, und ein ansprechendes, bezahlbares Wohnumfeld ausdrücken. Hierfür brauchen die Kommunen die entsprechende finanzielle Ausstattung.
2019 stehen in Ostdeutschland drei Landtagswahlen bevor, die zwei wesentliche Merkmale in sich tragen: Erstens die Frage nach der Stärke der AfD und zweitens die nach unserer eigenen Stärke. Wir sind der klare Gegenspieler der AfD. Andere Parteien sind nicht in der Lage oder nicht gewillt, eine klare politische und kulturelle Grenze zur AfD zu schaffen, weil sie in sich gespalten sind. Diese Rolle werden wir übernehmen. Dies tun wir mit einem optimistischen Blick in die Zukunft. Dabei werden die GRÜNEN NRW als größter Landesverband solidarisch an der Seite der ostdeutschen GRÜNEN kämpfen und unsere Mitglieder einladen, bei den Landtagswahlen zu unterstützen.
Doch nicht nur im Osten Deutschlands streiten wir für eine offene, solidarische, friedliche Ge- sellschaft. In ganz Deutschland steht Grün für eine widerstandsfähige und selbstbestimmte Zivilgesellschaft. Angesichts von sich immer besser vernetzenden rechten Gruppen, von offen gewalttätigen Neonazis und Hooligans ist es umso wichtiger, für den Schutz der Freiheit, der Demokratie und von Minderheiten einzutreten. Denn auch in NRW stehen alle, die anders glauben, lieben, denken und aussehen zunehmend unter Druck von Rechts.
Wir wollen raus aus der Kohle – und übernehmen Verantwortung für das Danach
Schon in wenigen Wochen werden für Deutschland und besonders NRW entscheidende Wei- chen beim Klimaschutz gestellt. Das Ergebnis der Kohlekommission wird darüber entscheiden, ob es in Deutschland im Konsens gelingt, die Menschheitsaufgabe „Klimarettung“ ernsthaft anzugehen. Die Zeit der Lippenbekenntnisse muss zu Ende sein, jetzt geht es ums Handeln. Unsere Anforderungen an ein Ergebnis der Kommission sind klar:
- Die ältesten und dreckigsten Kohlekraftwerke stehen in NRW – sie müssen schnellstmöglich vom Netz.
- Es ist Zeit für eine neue Leitentscheidung im rheinischen Revier. Die aktuell genehmigten Abbaumengen an Braunkohle im Rheinischen Revier passen bei weitem nicht mehr zusammen mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Leitend muss dabei sein, die Klimaschutzziele 2030 definitiv zu erreichen. Dazu muss die Menge der noch zu fördernden Braunkohle deutlich reduziert werden. Das bedeutet den Erhalt des Hambacher Waldes und eine komplette Neubewertung der Umsiedlungen, mit dem Ziel, die Heimat möglichst vieler Menschen zu erhalten.
- Niemand darf ins Bergfreie fallen – auch nicht im rheinischen Revier. Das Ergebnis der Kommission muss den Menschen gute Alternativen für ihren weiteren Berufsweg bieten, indem im Rheinischen Braunkohlerevier, aber auch an den westfälischen Kraftwerksstandorten, insbesondere im Ruhrgebiet, nachhaltige Zukunftsinvestitionen angestoßen werden.
Landes- und Bundesregierung müssen den Weg endlich wieder frei machen für saubere Energien aus Sonne und Wind. Denn genau hier sind zukunftsfähige Arbeitsplätze bedroht. Gleich- zeitig müssen 2019 auch endlich entscheidende Schritte in der Wärme- und Verkehrswende gemacht werden. Hier liegen größte Chancen für die Menschen in NRW – für die Industrie, das Handwerk, für Pendler*innen. Für alle, die saubere Luft atmen und in lebenswerten Städten wohnen wollen.
Beschlossen vom Landesvorstand BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW am 12.01.2019.
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