Im März 2018 hat die Europäische Kommission die Übernahme des amerikanischen Gentechnik-Konzern Monsanto durch das Leverkusener Unternehmen Bayer unter Auflagen genehmigt. Damit übernimmt Bayer einen Konzern, der weltweit vor allem dafür bekannt ist, das Breitbandherbizid Glyphosat herzustellen, auf gentechnisch-veränderte Pflanzen zu setzen und Kleinbäuer*innen mit falschen Versprechungen in die Armut zu treiben.
Die Fusion von Bayer und Monsanto ist der vorerst letzte Teil einer beispiellosen Fusionsspirale im globalen Markt für Saatgut und Pestizide. Aus den sieben weltweit größten Konzernen, die es in der Agrarchemie bis vor kurzem gab, wurden in kurzer Zeit vier Giganten. Eine Handvoll Konzerne dominieren künftig den Markt. Diese Marktdominanz bedeutet noch mehr Abhängigkeit für landwirtschaftliche Betriebe z.B. beim Saatgutbezug. Genehmigt wurde diese Fusionsspirale von Kartellbehörden auf der ganzen Welt.
Durch die Fusionsspirale sind bäuerliche Agrarstrukturen bei uns und global bedroht. Wir GRÜNEN in NRW sehen diese Entwicklung deshalb äußerst kritisch. Wir fordern eine Novellierung des Wettbewerbsrechts, die in der Lage ist, solche Fusionen künftig effektiv zu prüfen und zu verhindern. Denn den Preis für die gigantische Marktmacht im Agrochemiesektor werden die Umwelt, die Landwirt*innen und die Verbraucher*innen in Europa und weltweit zahlen.
Durch die Marktmacht der Agrarriesen ist die Artenvielfalt unserer natürlichen Umgebung aber auch landwirtschaftlicher Nutzpflanzen bedroht. Insbesondere die Fusion von Bayer und Monsanto leistet einer Technologie Vorschub, die auf Monotonie in der Agrarlandschaft durch wenige genmanipulierte Hochertragssorten und die Ausrottung jeder natürlichen Begleitvegetation setzt. So werden Böden zerstört, die Artenvielfalt vernichtet und die menschliche Gesundheit gefährdet. Das aggressive Verhalten von Monsanto und Bayer bei Patenten auf Saatgut, Obst und Gemüse bedroht dabei die Diversität der Natur sowie die Nahrungsmittelversorgung der Menschen auf dem gesamten Globus.
Insbesondere im globalen Süden werden Landarbeiter*innen sowie die mehrheitlich oft arme Landbevölkerung durch die massive und falsche Anwendung von Glyphosat gesundheitlich belastet. Kleinbäuer*innen in Entwicklungsländern werden durch eine für die Megakonzerne maßgeschneiderte Saatgut-Regulierung von Märkten ausgeschlossen und in ihrer Existenz bedroht. Oft ist die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt, sich hoch zu verschulden, um das teure Saatgut zu kaufen. Dieses wird häufig mit ebenfalls teuren und vor allem schädlichen Pestiziden verkauft. Das ist nicht nur ein Umweltskandal, es treibt die Kleinbäuer*innen in die Armut, denn bei Ausfall der Ernte, können sie ihre Schulden nicht mehr begleichen.
Auch in Europa bedroht Glyphosat die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft und fördert die Abhängigkeit von einer industriellen Wirtschaftsweise. Denn auch unser, über Jahrhundert gezüchtetes vielfältiges Saatgut schrumpft dramatisch und wir verlieren so Grundlagen unserer Ernährung – für uns und nachfolgender Generationen.
Doch nicht nur die ökonomische, auch die politische Macht der Großkonzerne wächst. Das zeigte sich zum Beispiel an der Entscheidungen der EU, trotz starker wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Kritik die Zulassung für Glyphosat zu verlängern. Gerade mit Blick auf das aktuelle Insektensterben – für das die intensive Landwirtschaft und der hohe Verbrauch an Pestiziden mitverantwortlich sind – eine nicht nachzuvollziehende Entscheidung.
Schließlich werden Landwirt*innen zu gläsernen Kunden. Die immer intensivere Datenerfassung und -verarbeitung – von Daten über Bodenqualität und Kulturpflanzen, von Ernteerträge bis hin zum Kauf von Saatgut und Dünger – schafft neue Informationsasymmetrien. Die neuen Großkonzerne erlangen eine riesige Datenmacht, die es so bisher noch nie gab. Landwirt*innen geraten immer stärker in die Abhängigkeit der Agrarkonzerne.
Am Ende dieses falschen Pfades steht unsere Ernährungssouveränität auf dem Spiel. Denn Ernährungssouveränität ist das Gegenteil des Geschäftsmodells der Agrochemiekonzerne.
All diese Aspekte spielten in den Fusionskontrollverfahren der Kartellbehörden offenbar keine Rolle. Dabei sind die Gefahren für Umwelt und Ernährungssicherheit keine Nebenschauplätze. Der Schutz unserer natürlichen Ressourcen ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit und als zentrales Prinzip im Primärrecht der EU verankert. Wenn die Nahrungsmittelversorgung ganzer Staaten von wenigen Konzernen abhängt, dann bedroht das unmittelbar unsere Lebensgrundlagen.
Gemeinsam mit zahlreichen Nichtregierungsorganisationen und vielen Bürger*innen in NRW haben wir GRÜNEN gegen diese Entwicklung protestiert.
Wir GRÜNEN in NRW stehen zudem an der Seite der viele tausend Arbeitnehmer*innen in Nordrhein-Westfalen die von den Fusionsentscheidungen im Agrarmarkt betroffen sind. Bayer wird versuchen, den irrwitzigen Kaufpreis von 66 Milliarden US-Dollar wieder reinzuholen. „Synergien“ lautet das Zauberwort, mit dem Bayer die Fusion bewirbt. Ein Stellenabbau ist zu erwarten.
Von CDU und FDP in der NRW-Landesregierung hört man trotz all dieser gravierenden Auswirkungen wenig. Von den Koalitionären gab es keinen Widerspruch gegen die Fusion von Bayer und Monsanto. So lässt schwarz-gelb die Landwirt*innen in NRW allein gegen die Übermacht der Agrargiganten. Und auch die Bundesregierung hat bislang die Hände in den Schoß gelegt.
- Wir GRÜNEN in NRW fordern die Landesregierung auf, sich gegenüber Kanzlerin Merkel und Bundeswirtschaftsminister Altmaier dafür einzusetzen, dass das Wettbewerbsrecht novelliert wird. Umweltschutzaspekte, Biodiversität, Ernährungssouveränität, Gesundheitsschutz und Versorgungssicherheit müssen im Rahmen von Fusionskontrollverfahren künftig berücksichtigt werden.
- Zudem muss die Bundesregierung Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Fusionsentscheidungen einreichen.
- Ebenso wichtig wird es sein, die öffentliche Forschung und Entwicklung für die Weiterentwicklung von Pflanzen und Tieren zur Anpassung an den Klimawandel zu stärken.
- Auf europäischer Ebene fordern wir zudem eine vollständige Durchsetzung des bestehenden Verbots von Patenten auf Pflanzen und Tiere, die aus im Wesentlichen aus biologischen Verfahren einschließlich von Züchtungen aus Zufallsmutationen resultieren.
Die aktuelle Situation der Natur auch in Nordrhein-Westfalen zeigt, dass wir grundsätzlich einen anderen Weg einschlagen müssen. Insbesondere dem Glyphosateinsatz erteilen wir eine Absage, denn wir wollen eine Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel in einer intakten, artenreichen Landschaft für die Menschen in Nordrhein-Westfalen erzeugt.
All diese Maßnahmen sind essentiell für eine nachhaltige, regionale und auch bäuerliche Landwirtschaft in NRW. Wir sprechen uns für ein gesellschaftliches Bündnis von Verbraucher*innen und Bäuer*innen aus. Wir wollen – unter anderem durch ausreichende Preise für hochwertige landwirtschaftliche Produkte – den Ausstieg der Landwirtschaft aus der intensiven, chemisierten Produktion schaffen und eine intakte Natur erhalten.
Beschlossen auf der LDK vom 15./16.06.18
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