Positionspapier BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW
Am 3. Dezember wird die Innenministerkonferenz (IMK) über neue Maßnahmen zur Sicherheit in Fußballstadien beraten und voraussichtlich entscheiden. Diese Maßnahmen – darunter verpflichtend personalisierte Tickets, weitergehende Überwachungsinstrumente, oder Einschränkungen für Gästefans – schwächen die Fankultur oder greifen in die Freiheitsrechte ein.
Viele dieser Vorschläge wurden bislang ohne transparente Beteiligung derjenigen erarbeitet, die unmittelbar betroffen sind: Fans, Vereine, Fanprojekte, oder jenen, die sich mit dem Thema seit Jahren beschäftigen: Zivilgesellschaft und Wissenschaft. Eingriffe dieser Tragweite in die persönliche Freiheit von hunderttausenden Fußballfans erfordern Transparenz, Beteiligung und eine empirisch belastbare sicherheitspolitische Begründung – bevor politische Fakten geschaffen werden, die kaum revidierbar sind.
Die Lage in den Stadien: differenziert statt dramatisiert
Deutschland verfügt im europäischen Vergleich über ein hohes Sicherheitsniveau in den Stadien. Der jüngste Jahresbericht der der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) zeigt erfreulicherweise, dass sowohl die Zahlen der eingeleiteten Verfahren als auch die der Verletzten rückläufig sind – bei immer mehr Stadionbesucher*innen.
Eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik setzt an konkreten Sicherheitsrisiken an und stellt präventive Maßnahmen wie professionelle Fanarbeit in den Vordergrund. Pauschale Instrumente, die auch friedliche Stadionbesucher*innen gängeln und unter Generalverdacht stellen, lösen die Probleme nicht, sondern beschädigen das Vertrauen in die Sicherheitspolitik.
Wir Grüne stehen für ein sicheres Stadionerlebnis, für alt und jung. Dabei kommt unseren Fanclubs eine ganz besondere Aufgabe zu. Sie leistet bei jedem einzelnen Spiel einen wertvollen Beitrag – insbesondere in den unteren Ligen – und zum internationalen Ansehen der Bundesliga. Sicherheitspolitik darf genau diese Fankultur nicht unverhältnismäßig einschränken, sondern muss darauf ausgerichtet sein, diese zu ermöglichen und zu bewahren. Viele Akteuren setzen aktuell Fanclubs und organisierte Fans mit gewaltbereiten Ultras gleich. Dies entbehrt jedoch jeder Grundlage. Organisierte Fans sind ein Gewinn für die Vereine und die Stadionkultur – sie gehören daher gestärkt und nicht mit Akteuren vermengt, denen es nicht um den Sport geht.. Daher schließen wir uns in diesen Punkten den Forderungen der Fanproteste an:
- Keine verpflichtende Personalisierung von Eintrittskarten
Eine Dauerkarte ist für viele Teil der Heimat. Zur Wahrheit gehört: Diese Karte gibt man mal in der Nachbarschaft rum, mal in der Familie. Es ist ein Teil des Fankults. Wir wollen, dass das auch weiterhin möglich ist. Eine generelle Ticket-Personalisierung würde außerdem zu einem hohen administrativen Aufwand bei den Vereinen und persönliche Einschränkungen bei Millionen von Stadionbesucher*innen führen. - Kein Einsatz biometrischer oder KI-gestützter Massenüberwachung
Stadien sind keine Testfelder für Überwachungstechnologie. Automatisierte Gesichtserkennung, KI-Analytik oder umfassende Datenspeicherung widersprechen demokratischen Standards und sind im Kontext der Gefährdungslage nicht erforderlich. - Stadionverbote nur als letztes Mittel
Gewalt und Menschenhass haben in einem Stadion nichts zu suchen. Es ist gut, wenn Vereine dann ihr Hausrecht ausüben und auch ein Stadionverbot aussprechen. Es ist aber das letzte Mittel und sollte nicht zum Standard bei anderen Verhalten werden. Die Erteilung von Stadionverboten muss in der dezentralen Hoheit der Vereine bleiben. - Prävention und Fanprojekte stärken
Fanprojekte sind wissenschaftlich belegte Erfolgsinstrumente. Sie reduzieren Konflikte, stärken die demokratische Kultur und wirken dort, wo Repression versagt. Eine moderne Sicherheitspolitik setzt auf deren Ausbau, nicht auf Marginalisierung. Zu diesem Zweck muss ein Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter*innen von Fanprojekten eingeführt werden, um das Vertrauen aufrechtzuerhalten und weiter zu stärken. - Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie bekämpfen
Fankurven sind ein Querschnitt der Gesellschaft und so finden sich dort leider auch menschenfeindliche und anti-demokratische Einstellungen. Auch dank vieler organisierter und politisch stabiler Fanszenen wurden solche Einstellungen in den vergangenen Jahrzehnten aus den Kurven zurückgedrängt. Verschwunden sind sie leider nie. Deswegen müssen gerade jetzt Maßnahmen gegen extrem rechte Einstellungen weiter gestärkt und finanziell abgesichert werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen aber: Das geht nicht gegen, sondern nur mit den Fans.
Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW ist klar: Sicherheitspolitik im Stadion braucht klare demokratische Leitplanken. Denn Sicherheit in Stadien braucht auch Vertrauen und Zusammenarbeit. Dafür ist die Beteiligung von Fans, Vereinen, Verbänden, Fanprojekten und Wissenschaft unabdingbar. Ob die aktuell diskutierten Vorschläge der Innenministerkonferenz diese Anforderungen erfüllen, ist zumindest zweifelhaft. Wir fordern daher die Innenministerkonferenz auf, den Dialog mit den Vereinen, Verbänden und Fanclubs zu suchen und von kurzfristigen Entscheidungen abzusehen.
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