Die Interessenlage: Atomkraft nutzt nur den großen Stromkonzernen
Atomkraftwerke sind strategisch genau das Gegenteil der benötigten Energiewende. Sie sind nur in sehr großen Einheiten möglich und nützen ausschließlich den großen Stromerzeugern RWE, EON, Vattenfall und EnBW. Kein mittelständisches Unternehmen, kein Stadtwerk käme auf den Gedanken einen Atomreaktor bauen zu wollen. Insofern ist die Strategie einer Neuauflage der Atomreaktoren ein Ablenkungsmanöver von der massiven, zu Recht und viel zu wenig entschlossen geführten Debatte über die Strom- und Gasmonopole.
Lästige Konkurrenz für die Stromkonzerne: Kraft-Wärme-Kopplung …
Auf der Tagesordnung steht eigentlich der massive Ausbau dezentraler Stromerzeugungsstrukturen. Allen voran die Stromerzeugung über Kraft-Wärme gekoppelte Anlagen, die bisher in Deutschland gemessen an ihren Potentialen nur ein Schattendasein führen.
Die Kraft-Wärme Kopplung ist eine dezentrale Technik. Hervorragend geeignet für mittlere und kleine Erzeugungsanlagen. Hervorragend geeignet für mittelständische Anbieter, für Stadtwerke, für Unternehmen, für Kommunen und für Private. Für die großen Strom- und Gasversorger ist sie eine lästige Konkurrenz.
Diese Konkurrenz versuchen die Großen jetzt mit der Debatte um Laufzeitverlängerung und Neubauten der nächsten Reaktorgeneration, wie auch mit der ebenfalls nur für die Großen Stromerzeuger geeigneten Debatte um die CO2-Abscheidung und unterirdische Verpressung klein zu halten.
… und Erneuerbare Energien
Auf der Tagesordnung steht weiterhin der verstärkte Ausbau der Erneuerbaren Energien. Nur sie bieten die Gewähr einer dauerhaft sicheren Energieversorgung angesichts knapper werdenden fossilen Ressourcen, ohne die Risiken eines unverantwortlichen Klimawandels und einer auf zehntausende von Jahren sicher zu gewährenden Endlagerung, sei es von atomarem Müll oder von abgeschiedenem und eingelagertem CO2.
Speicherung und Netzintegration der Erneuerbaren – Blockade durch Konzerne
Von interessierter Seite wird immer wieder die eingeschränkte zeitliche Verfügbarkeit der Erneuerbaren Energien als Argument für die Atomkraft genutzt. Natürlich ist auch uns Grünen bekannt, dass die Sonne nur tagsüber scheint und der Wind auch unterschiedlich stark bläst.
Die Frage der besseren Netzintegration der Erneuerbaren, die Frage einer intelligenteren Stromnutzung, die Frage einer besseren Speichertechnik sind aber nicht unlösbare Probleme, sondern praktische Herausforderungen für Ingenieurinnen und Ingenieure, die es anzunehmen und zu lösen gilt.
Aber auch die Lösung dieser Fragen liegt eben nicht im Interesse der großen Strom- und Gasmonopole. Deswegen gibt es bei ihnen und den sie stützenden politischen Kräften bisher keine Bereitschaft diese Fragen wirklich zu lösen.
Gas – Energieträger des Übergangs in KWK
Wir Grünen sind nicht so naiv zu glauben, es bräuchte für die nächsten Jahrzehnte keine Kraftwerke auf fossiler Basis mehr. Der Primärenergieträger für diese Übergangszeit bis zur Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien wird Gas sein.
Das vielfach, wiederum von interessierter Seite beschworene Risiko einer zunehmenden Versorgungsabhängigkeit von russischem Importgas ist eine gewollte, gerade den deutschen Gasmonopolen dienende Strategie. Statt rund um das Ruhrgebiet, den größten Ballungsraum Europas einen Kranz von Kohlekraftwerken zu bauen, die 60% ihrer Energie nutzlos an die Umgebung abgeben und gleichzeitig Millionen unzureichend gedämmter Wohnungen mit importierten russischen Erdgas zu beheizen, müssen wir unsere Gebäude energetisch sanieren und Strom- und Wärmeerzeugung mit dezentralen und hocheffizienten KWK-Anlagen in den Städten zusammenbringen.
Eine neue von Gazprom/E.ON unabhängige Gasversorgungsstrategie
Wir brauchen eine politisch gewollte, von den Interessen von Gazprom – E.ON unabhängige, an den Interessen der Gasverbraucher in Wirtschaft und Privathaushalten orientierte Gasversorgungsstrategie. Das heißt, mehr Gaslieferanten und mehr Gaslieferländer statt einseitiges Vertrauen auf E.ON und die russischen Gasreserven. Das heißt auch mehr Wettbewerb im Gasmarkt und keinen Missbrauch der Gaspipelines durch die Netzeigentümer.
Beispielhaft für das Versagen einer breiter gestreuten Gasversorgungsstruktur ist der deutsche Umgang mit dem weltweit stärksten Gaswachstumsmarkt, dem Flüssigerdgas – LNG (liquefied natural gas). Deutschland ist das einzige westliche Industrieland Europas, das über keinen eigenen Zugang zum weltweiten LNG-Markt verfügt.
Konzerne suggerieren weltweite Renaissance der Atomkraft
Doch stattdessen versuchen die Energiekonzerne und ihre politischen Unterstützer den Atomausstieg rückgängig zu machen und den Bau neuer Atomkraftwerke in Deutschland zu ermöglichen. Dazu erwecken sie den Eindruck, überall in der Welt würden unzählige neue Atomkraftwerke gebaut
Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt keinen Bau-Boom für neue Atomkraftwerke. Was es seit einigen Jahren gibt, ist eine Renaissance der Ankündigungen zum Bau neuer AKW. Doch diesen sind in Europa und Amerika bis auf zwei Projekte in Finnland und Frankreich keine Bauentscheidungen gefolgt.
USA: Seit 1979 kein neuer Reaktor mehr bestellt
In den USA (104 AKW in Betrieb) wurde seit 1979 kein neuer Reaktor mehr bestellt. Schon die Pläne von Ronald Reagan, der die Renaissance der Atomkraft bereits 1981 in Aussicht stellte, konnten nicht realisiert werden. In den USA ging 1996 lediglich der Reaktor Watts Bar-1, das teuerste Kernkraftwerk aller Zeiten, nach 23 Jahren Bauzeit ans Netz. Neuerdings wird der Reaktor Watts Bar-2, für den der Startschuss im Dezember 1972 fiel, wieder als im Bau befindlich gezählt. Das ist allerdings das einzige Bauprojekt in den USA. Auch aus den mehrfach angekündigten Atomplänen von Georg W. Bush ist damit praktisch nichts geworden.
Europa: Heute 31 AKW weniger als 1989
Im Mai 2008 sind in der EU-27 insgesamt 146 Kraftwerksblöcke in Betrieb, 31 Blöcke weniger als auf dem Höchststand 1989. 2005 erfolgte die Schließung von zwei Anlagen (Deutschland und Schweden), 2006 von acht weiteren (vier in Großbritannien, zwei in Bulgarien und je einer in der Slowakei und in Spanien).
Die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEO) nennt für Europa derzeit zwei Reaktorblöcke, die sich im Bau befinden. Olkiluoto-3 in Finnland gilt als das Vorzeigeprojekt, im August 2005 wurde mit dem Bau begonnen, 2009 sollte Olkiluoto-3 ans Netz gehen. Bereits jetzt hat es so viele Verzögerungen beim Bau gegeben, dass mit einer Inbetriebnahme frühestens 2012 gerechnet wird. Statt der ursprünglich kalkulierten 3 Mrd. Euro wird inzwischen mit Baukosten in Höhe von mindestens 4,5 Mrd. Euro gerechnet.
Seit Dezember 2007 wird offiziell ein weiterer Reaktor im französischen Flamanville gebaut. Auch dieser Reaktor soll angeblich 2012 ans Netz gehen.
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