Sicherheitslage in Afghanistan neu bewerten – Schutzbedarf Asylsuchender anerkennen – Landesrechtliche Spielräume für eine humanitäre Flüchtlingspolitik nutzen
Die Anmerkungen des UNHCR, die am 22. Dezember 2016 an den Bundesinnenminister und am 3. Januar 2017 an die Innenminister der Länder übersandt wurden, beinhalten grundsätzliche Aussagen zum Schutzbedarf afghanischer Asylsuchender und es werden die Veränderungen zum letzten Bericht vom April 2016 dargestellt. Es wird festgestellt, „dass sich die Sicherheitslage (…) insgesamt nochmals deutlich verschlechtert hat.“
Weitere Auszüge aus den Anmerkungen:
S.1 „Bei einem bereits länger zurückliegenden negativen Abschluss eines Asylverfahrens wird somit häufig Anlass bestehen, aufgrund der Veränderung der Faktenlage eine neue Ermittlung des Schutzbedarfs vorzunehmen“.
S. 2: „Unter Bezugnahme auf die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts durch den Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Diakité ist UNHCR der Auffassung, dass das gesamte Staatsgebiet Afghanistans von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne des Art. 15c der EU-Qualifikationsrichtlinie betroffen ist“. (= Gewährung von subsidiärem Schutz!)
S. 2: „Hinsichtlich einer internen Schutzalternative ist in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung erforderlich. UNHCR betont, dass eine interne Schutzalternative für den einzelnen Antragsteller relevant und zumutbar sein muss. Die ‚Relevanzprüfung‘ erfordert eine grundlegende Bewertung der Urheberschaft des Schadens und sollte umfassende Feststellungen zu der Frage beinhalten, ob im Neuansiedlungsgebiet das Risiko – beispielsweise einer Rekrutierung durch die Taliban – fortbesteht.“
Diese Aussagen des UNHCR machen aus Sicht BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN und Menschenrechtsorganisationen eine Neubewertung der Sicherheitslage durch die Bundesregierung notwendig. Auf Grundlage der veränderten Anmerkungen können bereits abgelehnte Asylsuchende durch Asylfolgeanträge eine erneute Prüfung ihres Schutzbedarfs beantragen und die Schutzquote neu gestellter Asylanträge würde sich erhöhen.
Wir fordern daher den Bundesinnenminister auf, diese Realitäten und damit den Schutzbedarfs Asylsuchender aus Afghanistan anzuerkennen und Abschiebungen auszusetzen.
Wir fordern die Bundesregierung einschließlich des Bundesaußenministers auf, eine erneute Lagebewertung zu Afghanistan vorzunehmen.
Auf Landesebene gibt es nur eingeschränkte Möglichkeiten, Abschiebungen von vollziehbar ausreisepflichtigen Flüchtlingen zu verhindern. Neben einem auf drei Monate befristeten Abschiebestopp, können die Länder nur in Auslegung der geltenden Rechtslage ermessensleitende Hinweise an die zuständigen Ausländerbehörden geben. Dies haben auch die Grünen in zehn Landesregierungen
in einer gemeinsamem Erklärung dargestellt.
Im rot-grünen Koalitionsvertrag für NRW haben wir unter der Überschrift „NRW schützt Menschen vor Verfolgung und in Not“ festgehalten:
„…Wir wollen darüber hinaus – unter besonderer Berücksichtigung integrationspolitischer und humanitärer Gesichtspunkte – die landesrechtlichen Spielräume nutzen, damit die Betroffenen von der bestehenden Rechtslage profitieren können.“
In diesem Sinne hat das NRW-Innenministerium unter anderem im letzten Jahr mit Erlassen Hinweise an die Ausländerbehörden gegeben, mit denen auf die Möglichkeit eines Bleiberechts (§ 25b Aufenthaltsgesetz) für langjährige Geduldete aufmerksam gemacht wurde. Vor Rückführungen sollen auch die Möglichkeiten einer Aussetzung der Abschiebung in den Blick genommen werden. Der Anspruch auf eine Duldung zum Zwecke der Ausbildung (§ 60a Abs. 2 Satz 4 ff Aufenthaltsgesetz) wurde durch einen eigenen Erlass mit dem Ziel ermessensleitend erläutert, den landesrechtlichen Ermessenspielraum im Sinne der Betroffenen weitestgehend zu nutzen.
Wir fordern den Innenminister des Landes NRW auf – solange der Bundesinnenminister nicht bereit ist, seine Einschätzungen zum Schutzbedarf Asylsuchender aus Afghanistan den Realitäten anzupassen – vor Vollzug von Rückführungen im Rahmen sorgfältiger Einzelfallprüfungen die aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten für eine Bleibemöglichkeit der Betroffen auszuschöpfen. Wir erwarten, dass im Sinne des Koalitionsvertrags Integrationsleistungen der Geduldeten und humanitäre Aspekte bei der Bewertung gewürdigt werden, damit Abschiebungen nach Afghanistan weitestgehend vermieden werden.
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