Beschluss des Landesvorstands vom 9. Juli 2025.
Dir war NRW in den letzten Wochen oftmals viel zu heiß? Uns auch. Damit NRW nicht noch heißer wird, braucht es konkreten Klimaschutz. Um mit der heutigen Hitze umzugehen, braucht es Klimaanpassung. Klingt zu theoretisch?
Stell dir vor: Kinder spielen in der Pause nicht mehr auf glühendem Asphalt, sondern unter großen, farbigen Sonnensegeln, die Schulhöfe zu kühleren Orten machen. Auf nahezu jedem Platz gibt es einen öffentlichen Trinkbrunnen – mit sauberem, kühlem Wasser, jederzeit erreichbar und kostenlos. Vor nahezu jeder Haustür steht ein Baum, der Schatten spendet. Und an Rhein und Ruhr: ein Badeschiff, das mitten in der Stadt für Abkühlung sorgt. Das ist Klimaanpassung.
Das sind konkrete Ideen für ein Land, das auf die Klimakrise vorbereitet ist – sozial, gerecht und gemeinsam. Denn die Hitze ist längst da. Immer mehr Menschen spüren sie im Alltag. Nicht irgendwo in der Ferne, sondern in der eigenen Wohnung, im eigenen Körper. Und sie trifft nicht alle gleich.
Leon, 23, lebt in einer kleinen Dachgeschosswohnung in Köln. Wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, hat es drinnen oft 34 Grad. Kein Schatten, keine Bäume vor dem Fenster, kein Balkon. Zum Lernen für die Uni fehlt ihm die Konzentration – und die Energie. Frau M., 78, wohnt in Duisburg, im sechsten Stock ohne Aufzug. Sie hat bei diesen Temperaturen Schwierigkeiten mit dem Kreislauf. In ihrer Umgebung gibt es wenig Grün. Die Bank unter dem einzigen Baum ist schnell besetzt. Solche Geschichten gibt es in ganz NRW. Der Schutz vor Hitze ist daher auch eine tief soziale Frage. Was wir brauchen, sind Lösungen, die das Leben im Sommer erträglicher machen – besonders für die, die keine Klimaanlage in der Wohnung und keinen Baum vor der Tür haben.
Viele Schulhöfe in NRW bestehen aus grauem Asphalt, kaum ein Baum, kein Sonnenschutz. Dabei sind Kinder besonders hitzeempfindlich. Die Folge: Erschöpfung, Konzentrationsprobleme, Lernrückstand. Wir wollen Schulhöfe entsiegeln und mit fest installierten, großflächigen Sonnensegeln ausstatten. Sie schaffen sichere Zonen, in denen Kinder durchatmen, spielen und sogar draußen lernen können. In Verbindung mit mehr Bäumen, Wasserstellen und begrünten Flächen werden Schulhöfe zu Orten, an denen man auch bei 30 Grad gut durch den Tag kommt. Hitzeschutz wird Teil der Bildungsgerechtigkeit.
Städte heizen sich besonders schnell auf – überall dort, wo es viel Beton, aber kaum Grün gibt. Bäume kühlen ihre Umgebung um bis zu vier Grad. Sie spenden Schatten, binden Feinstaub, halten Regen zurück und kühlen durch Verdunstung. Trotzdem fehlen in vielen Vierteln gerade dort Bäume, wo Menschen mit wenig Geld leben. Deshalb sagen wir: ein Baum vor jeder Tür. Wir wollen Straßenbaumprogramme massiv ausweiten, Baumschutz verbessern und Pflanzung und Pflege einfacher finanzierbar machen – nicht nur in Innenstadtlagen, sondern überall dort, wo Menschen wohnen. Auch Innenhöfe, Dächer und Fassaden sollen stärker begrünt werden – für mehr Lebensqualität, bessere Luft und kühlere Städte. Dafür brauchen unsere Kommunen Unterstützung vom Bund.
Wir denken bei der Stadtplanung die Klimafolgenanpassung und den Schutz vor Hitze mit. Frischluftschneisen dürfen nicht bebaut werden, damit kühle Luft in unsere Innenstädte fließen kann und die Luftqualität besser wird. Urbane Bebauung muss durch kluge Planung aufgelockert werden. Mit Flächenentsiegelung reduzieren wir Beton und verbessern damit das Mikroklima vor Ort. In dicht besiedelten Quartieren machen wir mehr Grünflächen zu lebenswichtigen Oasen. Überdachte ÖPNV-Haltestellen spenden notwendigen Schatten.
Trinkwasser im öffentlichen Raum darf nicht länger Glücks- oder eine Geldfrage sein. Ob unterwegs zum Job, beim Warten auf den Bus oder auf dem Weg zur Schule: Wasser ist ein Grundbedürfnis – besonders im Sommer. In vielen Städten NRWs fehlen öffentliche Trinkbrunnen, obwohl sie Leben retten können. Wir setzen uns dafür ein, dass jede*r in NRW Zugang zu kostenlosem Trinkwasser im öffentlichen Raum hat – an Haltestellen, auf Spielplätzen, vor Rathäusern, in Innenstädten. Gerade ältere Menschen, Kinder und Menschen ohne festen Wohnsitz profitieren davon, aber letztlich alle.
Öffentliche Gebäude sollten an Hitzetagen für vulnerable Gruppen geöffnet werden, damit Menschen, die sonst keinen kühlen Ort finden, sich dort zeitweise erholen können. Wir brauchen gezielte Aufklärungskampagnen zum Verhalten bei Hitze und die Anpassung von Arbeitszeiten im Freien während der Hitzewelle, wie z.B. auf dem Bau oder in der Landwirtschaft.
Extremwetterereignisse lassen es nicht nur heißer werden. Auch Überflutungsgefahren steigen, wie die letzten Jahre eindrücklich gezeigt haben. Auch hierfür brauchen wir Dörfer und Städte, die bei Starkregen wie Schwämme Wasser aufnehmen und bei Trockenheit langsam wieder abgeben können. Grünoasen, Stadtauen und Rückhaltebecken schützen uns vor Starkregen und bereichern die Natur in Dörfern und Städten.
Nicht nur in den Städten brauchen wir Lösungen zur Schwammstadt. An Flüssen und Seen brauchen wir mehr natürliche Ablaufmöglichkeiten, am besten durch die Reaktivierung oder Schaffung von Auenlandschaften und die Rettung und Wiedervernässung von Mooren. Das hilft nicht nur gegen Überflutungen, es bilden sich auch ganz neue Ökosysteme, die unserer Umwelt und damit auch uns zu Gute kommen.
Wenn es besonders heiß wird, zieht es uns Menschen ans Wasser. Doch in vielen Städten fehlen öffentliche Badestellen, und immer mehr Freibäder sind in Gefahr. Wer sich keinen privaten Pool oder teuren Eintritt leisten kann oder dort wohnt, wo das Schwimmbad schließen musste, bleibt oft zurück. Wir wollen, dass Baden in unseren Städten wieder möglich wird – niedrigschwellig, sicher und attraktiv. Daher brauchen Kommunen ausreichende Finanzmittel, um Schwimm- und Freibäder erhalten und betreiben zu können. Badeschiffe auf dem Rhein sind ein weiteres Beispiel: schwimmende Badestellen mit Wasserfiltern und Infrastruktur mitten in der Stadt. Gemeinsam mit Kommunen entwickeln wir Konzepte für solche Angebote. Aber klar ist: Damit das Wirklichkeit wird, muss auch der Bund mitziehen, etwa beim Wasserstraßenrecht.
Wer kein Freibad in der Nähe hat, weicht an heißen Tagen oft auf Gewässer aus. Für sicheres Schwimmen in Flüssen, Seen oder Stauseen müssen wir ein stärkeres Bewusstsein für Badesicherheit und ausreichende Schwimmkenntnisse schon früh vermitteln. Daher setzen wir uns für geprüfte und nicht kommerzielle Schwimmflächen an Seen und Flüssen ein, um Gefahren durch Strömung und Wasserqualität zu minimieren sowie das Schwimmen für alle Menschen möglich zu machen. Am Rand von (öffentlichen) Gewässern ist die Luft kühler; auch deshalb wollen wir dort Naherholungsgebiete neu schaffen bzw. bestehende schützen.
Auch in ländlichen Räumen machen sich die Hitze und steigende Temperaturen bemerkbar, wenn auch anders als in urbanen Räumen. Hier wird eine erreichbare medizinische Versorgung in der Umgebung umso lebenswichtiger. Dass wir zukünftig mit immer mehr Hitzetagen rechnen müssen, hat starke Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Tierhaltung: Durch den Hitzestress sinken Erträge, werden Schädlinge begünstigt und das Wasser wird immer knapper. Auch Tiere leiden stark unter der Hitze und brauchen Abkühlung und vor allem endlich flächendeckend tiergerechte Haltung. Wir brauchen die gezielte Förderung von Agroforst in der Landwirtschaft und die Anpassung unserer Wälder zu klimaresilienteren Mischwäldern der Zukunft.
Unser Ziel für NRW ist ein kühles Zuhause für 18 Millionen.
Jedes Jahr sterben rund 3.000 Menschen in Deutschland an den Folgen extremer Hitze. Deshalb braucht es konkrete politische Antworten – nicht erst im nächsten Sommer, sondern jetzt. Die schwarz-grüne Landesregierung hat mit einer umfassenden Klimaanpassungsstrategie 2024 die Grundlage gelegt. Wir helfen Kommunen, sich zu wappnen – mit Beratung, Förderung, Planungssicherheit. NRW entwickelt sich zur Kompetenzregion für Klimaresilienz und baut eine neue Leitindustrie auf: die Klimaanpassungswirtschaft. Davon profitieren Gesundheit, Menschen, Umwelt und Wirtschaft zugleich.
Aber vieles hängt am Bund – und da sehen wir aktuell zu wenig Bewegung, ja sogar Rückschritt. Statt vor sich hin zu prüfen, appellieren wir an die Bundesregierung, mit Klimaanpassungskonzepten vorwärts zu kommen und zeitnah Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe einzuführen. Die Bundesregierung lässt Milliarden für sozialen Klimaschutz verfallen, subventioniert weiterhin fossile Energie und versäumt es, kommunale Hitzeschutzmaßnahmen flächendeckend zu unterstützen. Das ist fahrlässig. Während Pflegekräfte ohne Ventilator arbeiten und Krankenhäuser ihre Patient*innen nicht mehr vor Überhitzung schützen können, fehlt es an klarer Verantwortung aus Berlin. Wir fordern deshalb die Ausweitung des Förderprogramms „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“, 200 Euro pro pflegebedürftiger Person für Hitzeschutzmaßnahmen sowie bessere Arbeitsschutzregeln ab 26 Grad – mit mehr Pausen, Ventilatoren, Verschattung und kostenlosen Getränken.
Verbände und Gewerkschaften haben sich klar für Klimaanpassung positioniert: für Wohnungslose, für Kinder, für ältere Menschen, für Menschen mit wenig Einkommen. Wir brauchen diese Stimmen nicht nur bei 38 Grad, sondern auch dann, wenn der Himmel wieder grau wird. Der Druck auf SPD und CDU im Bund in Sachen Klimaschutz muss wachsen – gerade in Richtung der SPD sagen wir: Wer über soziale Gerechtigkeit redet, darf beim Hitzeschutz nicht schweigen.
GRÜN ist deine politische Klimaanlage. Wir schaffen Schatten, wo andere Beton gießen. Wir pflanzen Bäume, wo andere kürzen. Und wir denken an die, die sonst übersehen werden – bei 30, 35 oder 40 Grad. Wir machen NRW hitzefest.
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