Beschluss der LDK am 14.-15.06.2019 in Neuss
In Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland entwickeln sich die Ansprüche der Menschen an Mobilität weiter. Mehr und mehr Menschen wollen Fahrrad fahren, wollen Busse, Bahnen und Sharing-Dienste nutzen. Ein eigenes Auto zu besitzen verliert damit vor allem in den Ballungsräumen zunehmend an Bedeutung.
Schlechte Luftqualität in den Städten, Lärm und verstopfte Straßen erzeugen zusätzlichen Druck, die Anzahl an Autos auf unseren Straßen zu reduzieren. Der bis heute nicht ausgestandene Abgasskandal, bei dem nahezu alle Hersteller mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung getrickst und betrogen haben, um seit Jahren gültige Grenzwerte einzuhalten, zeigt die Grenzen der bisherige Technologie. Das hat die größte und wichtigste Industriebranche mit mehreren hunderttausend Beschäftigten in unserem Land in eine schwere Krise geführt und ihr steht der größte Strukturwandel ihrer Geschichte bevor.
Auch um die Klimaziele von Paris einhalten zu können, muss sich die Art und Weise verändern, wie wir mobil sind. Neben der Reduzierung von motorisiertem Individualverkehr ist es notwendig, dass ab 2030 nur noch Autos neu zugelassen werden, die emissionsfrei angetrieben werden. Nachdem sich bereits etliche europäische Länder ähnliche Ziele gesetzt haben, setzt nun auch der größte Automobilkonzern der Welt, VW, auf Elektromobilität. Damit hinkt die Bundesregierung wie beim Klimaschutz generell nicht nur dem Ausland sondern auch der Autoindustrie selbst hinterher, deren Interessen zu schützen sie vorgibt.
Damit auch Deutschland endlich wieder seine Klimaschutzziele erreichen kann, müssen aber heute die Weichen gestellt werden, um durch den Ausbau von Infrastruktur eine emissionsfreie Mobilität auch zu ermöglichen. Dabei scheint im PKW Bereich, vor allem auch durch die Entwicklung in Ostasien, die Technologieentscheidung zugunsten der batterieelektrisch getriebenen Fahrzeuge gefallen. Im LKW-Bereich konkurrieren dagegen noch verschiedene, emissionsfreie Systeme.
Gleichzeitig ist es notwendig, die Auswirkungen eines veränderten Mobilitätsverhaltens, die Umstellung der Antriebstechnologien sowie der Digitalisierung und des autonomes Fahren auf die Konzerne, Zuliefererbetriebe und Beschäftigten in der Automobilindustrie zu begleiten und positiv zu gestalten und für Firmen, die sich in NRW bereits für eine zukunftsgerichtete Mobilität einsetzen positive Rahmenbedingungen zu schaffen.
Automobilbranche ist bedeutsam für NRW
Die Automobilbranche ist einer der größten Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen. Nicht nur in der Produktion, auch in Forschung und Entwicklung sowie bei den Zulieferern, arbeiten zehntausende Menschen. Um die Beschäftigungszahlen und das Know How der Arbeitnehmer*innen und Betriebe in NRW zu halten, braucht es klare Leitlinien und eine Politik, die langfristig agiert und Planungssicherheit gibt.
Zudem braucht es schon heute Antworten, die auf kurzfristige Risiken reagieren, denen die Automobilbranche etwa durch den anstehenden Brexit oder die von Donald Trump angekündigten Zölle auf in Deutschland produzierte Autos, ausgesetzt sind.
Wir Grünen in NRW kritisieren, dass weder NRW Ministerpräsident Armin Laschet und sein Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart, noch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bislang tätig geworden sind, um diesen Transformationsprozess der Automobilindustrie proaktiv zu gestalten.
In Nordrhein-Westfalen ist schon heute sichtbar, welche negativen Konsequenzen es hat, wenn dieser Strukturwandel nicht zukunftsgerichtet und innovativ gestaltet wird. Nach der Schließung des Opelwerkes in Bochum im Jahre 2014, bei der mehr 2.600 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren haben, hat nun der Autobauer Ford angekündigt, 5000 Stellen in Deutschland zu streichen. 3800 Stellen werden dabei in NRW, am Standort in Köln wegfallen.
Diese durch das Ford-Management in den USA getroffene Entscheidung ist eine bittere Nachricht für die Beschäftigten von Ford in NRW und auch eine schlechte Nachricht für den Wirtschaftsstandort NRW und die gesamte Kölner Region.
Gleichzeitig haben sich e.GO und StreetScooter mit Produktionsstandorten in Aachen und Düren als Hersteller von Elektrofahrzeugen neu etabliert und bezeichnen damit auch erste wichtige Schritte bei der Transformation der Branche. In der Automobilindustrie haben Gewerkschaften über die letzten Jahrzehnte gute Arbeitsbedingungen erkämpft. Entscheidend ist, dass auch in einer sich verändernden Automobilindustrie kein Roll-Back bei den Arbeitsbedingungen erfolgt. In der Produktion ausschließlich und dauerhaft auf Leiharbeiter*innen zu setzen um das Lohnniveau niedrig zu halten ist auch weiterhin keine akzeptable Unternehmenspolitik. Starke Gewerkschaften sind auch künftig Schlüssel für dauerhaft gute Arbeitsbedingungen.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt: Rat zur Zukunft der Automobilindustrie einrichten
Bisher haben sich weder die Bundesregierung, noch die Landesregierung, noch die großen Automobilkonzerne auf die anstehenden Veränderungen eingestellt. Das ist fahrlässig, denn es gefährdet sowohl den Industriestandort Deutschland als auch tausende Arbeitsplätze.
Wir Grünen in NRW fordern die Landesregierung und die Bundesregierung auf, einen „Rat zur Zukunft der Automobilindustrie“ zu schaffen. Dieser Rat soll den Dialog zwischen den Automobilherstellern, Zulieferern, Arbeitnehmervertrerer*innen, den betroffenen Regionen und Kommunen sowie relevanten Nichtregierungsorganisationen organisieren, mit dem Ziel Innovation und neue wirtschaftliche Perspektiven für die Regionen zu schaffen, mögliche Veränderungen für die Arbeitnehmer*innen sozialverträglich auszugestalten und den klimapolitisch notwendigen Umbau der Automobilindustrie zu erreichen. Gerade im Dialog und dem Austausch der verschiedenen Akteure liegt ein Schlüssel für die positive Gestaltung des Strukturwandels. Denn nur, wenn Regionen, Unternehmen, Beschäftigte und Zulieferer eine gemeinsame Vorstellung von Stärken, Potentialen und Perspektiven der Region haben, ist es möglich, notwendige Maßnahmen im Bereich der Forschungskooperation, bei Fragen der Ansiedlung neuer Unternehmen, beim Ausbau von Infrastruktur, bei Weiterbildung- und Qualifikation von Mitarbeiter*innen, bei der Gründungsförderung oder bei der Frage der gezielten Beantragung öffentlicher Fördermittel auch sinnvoll voranzubringen.
Politik will und kann unternehmerische Entscheidungen nicht ersetzen. Aber wir Grüne wollen Regionen und Unternehmen bei den Herausforderungen, die durch einen Strukturwandel entstehen, unterstützen. Für die unumgängliche und längst stattfindende Transformation der Automobilbranche muss sie Infrastrukturentscheidungen treffen und klimafreundliche Technologien unterstützen. Wir wollen die Menschen dabei unterstützen, Arbeitsplätze zukunftsfest zu gestalten und neue umwelt- und menschengerechte Innovationen und Technologien zu fördern.
Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
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