LPR-Beschluss

Grüne Halbzeitbilanz: Bündnispartei, Mitmachpartei, Unterwegspartei

Beschluss des Landesparteirats am 27.10.2019 in Essen

 

Es ist Halbzeit in NRW – Halbzeit für die schwarz-gelbe Landesregierung, aber Zeit für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW, nach zweieinhalb Jahren Opposition Bilanz zu ziehen. Auch wenn wir aktuell die kleinste demokratische Oppositionsfraktion im Landtag stellen, haben wir die Erfahrung gemacht: Wir können die politische Debatte entscheidend beeinflussen, wenn wir konsequent auf Inhalte setzen und in breiten Bündnissen Menschen für unsere Ideen begeistern können. Viele Zukunftsfragen – Klimakrise, Verkehrswende, Wohnungsmangel und gesellschaftlicher Zusammenhalt – sind für das Leben der Menschen in NRW in den letzten zweieinhalb Jahren drängender geworden. Unsere Stärke liegt darin, diese Zukunftsfragen beständig zu thematisieren. So drängen wir Landesregierung, sich mit ihnen auseinander zu setzen, anstatt nur den Status Quo zu verwalten.

Opposition ist kein Wartesaal für die nächste Regierungsübernahme. Dazu ist uns die Gelegenheit zu kostbar, jetzt Weichen für die kommenden Jahrzehnte zu stellen. Als Oppositionspartei wollen wir die Politik in NRW in den zweieinhalb Jahren ganz konkret beeinflussen – kämpferisch auf der Straße, konstruktiv-kritisch im Parlament, und immer in Zusammenarbeit mit bewährten und neuen Bündnispartnern. Über die Kommunalwahl 2020 wollen wir GRÜNE so viel Gestaltungschancen wie möglich in ganz NRW gewinnen. Und selbstverständlich bereiten wir uns darauf vor, nach der Landtagswahl wieder Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen.

Mitmach-Partei, Unterwegs-Partei, Bündnis-Partei

Unsere Partei hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Allen voran sind wir enorm gewachsen: Wir haben in nur zweieinhalb Jahren 40 % mehr Mitglieder gewonnen und sind mittlerweile weit über 18.000 Grüne in NRW. Das heißt auch: Mehr als jedes 3. Mitglied war bei der Landtagswahl 2017 noch nicht dabei. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir Strukturreformen nach der Wahl zügig angegangen und größtenteils abgeschlossen haben – der Grüne Landesvorstand ist jetzt ein schlagfertiges Arbeitsgremium. Die Landesarbeitsgemeinschaften wurden als Ort der inhaltlichen Erneuerung, der kritischen Debatte und der Anbindung an Zivilgesellschaft gestärkt. Wir haben neue Veranstaltungs- und Beteiligungsformate wie Online-Konferenzen, Townhall-Diskussionen sowie eine partizipative Veranstaltungsplanung etabliert. Das stärkt unsere positive Streitkultur und unterstreicht unseren Anspruch als Mitmach-Partei für ganz NRW.
Auch unseren Vorsatz, Politik mit Reality-Check zu betreiben, nehmen wir ernst: Im ganzen Land sind Grüne Politiker*innen von der Bundes- bis zur Ortsebene unterwegs in Vereinen, Initiativen und Orten des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Unser Verständnis als Unterwegs-Partei spiegelt sich nicht zuletzt in dem Format der Landestouren in Partei und Fraktion wider.

Der große gesellschaftliche Zuspruch, den GRÜNE im Moment erhalten, ermutigt uns, uns weiter als Bündnis-Partei aufzustellen. Auf allen Ebenen haben wir in den beiden vergangenen Jahren unsere Partnerschaften und den Austausch mit etablierten und neuen Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen verstärkt. Bewegungen wie die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“, Fridays for Future und die vielfältige Klimabewegung für einen schnellen Kohleausstieg haben in den letzten Jahren große politische Schlagkraft gewonnen. Sie geben unseren Themen mehr gesellschaftlichen Rückenwind – und uns den Auftrag, ihre Anliegen in die Parlamente zu tragen. In Bündnissen sind wir innerhalb weniger Tage in der Lage, landesweit zu mobilisieren. So konnten wir 2018 gemeinsam mit Verkehrs- und Sozialverbänden sowie engagierten Bürger*innen erreichen, dass das Sozialticket in NRW erhalten blieb. Auch dass der Hambacher Wald von einem Nischenthema zum bundesweit beachteten Teil des nationalen Kohlekompromisses geworden ist, wäre ohne Bündnisarbeit nicht möglich gewesen. Spätestens mit der größten Klimademo der Geschichte im Rheinischen Revier, zu der die Klimabewegung und auch wir mobilisierten, wurde deutlich: Eine gesellschaftliche Mehrheit fordert lautstark die sozial-ökologische Transformation unseres Industrielandes NRW. Kurzum: Als Bündnispartei ist unser politisches Gewicht aktuell weit größer als die Zahl unserer Parlamentssitze.

Inhaltliches Update

Die letzten zweieinhalb Jahre waren auch eine Zeit der Nachdenklichkeit. Wir haben uns einer ehrlichen inhaltlichen Aufarbeitung gestellt. Die Arbeit der Bildungskommission hat der Partei einiges abverlangt: Wir haben parteiintern, mit Verbänden und der Öffentlichkeit die Bildungspolitik der letzten rot-grünen Landesregierung kritisch reflektiert und für die Zukunft weiterentwickelt. Nur so können wir in diesem Feld neue Glaubwürdigkeit aufbauen und mit neuen Konzepten für mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit in einem zentralen Feld der Landespolitik um neues Vertrauen werben. Gleichzeitig haben wir mit der Arbeit des Soundingboards zur Digitalisierung ein thematisches Update erhalten. Wir bieten einen Kompass für Politik im digitalen Zeitalter jenseits von Floskeln wie „Digitalisierung first“. Und wir haben eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik entwickelt. Sie versöhnt zwei Ziele miteinander: Bezahlbaren Wohnraum für alle. Und Klima- und Umweltschutz bei Neubau, Sanierung und Stadtentwicklung. Über alle Themenfelder hinweg eint uns GRÜNE NRW unsere positives Zukunftsbild, mit denen wir die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen wollen. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist für uns keine Option.

Herausforderungen für die nächsten zweieinhalb Jahre

Wir GRÜNE NRW gehen gestärkt in die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Wir sind so viele wie nie. Wir sind mit bewährten und neuen Bündnisparter*innen vernetzt. Wir wenden uns den Menschen zu, nehmen ernst, was sie bewegt und erarbeiten gemeinsam mit ihnen Lösungen. Und unsere Themen erleben eine nie dagewesene Aufmerksamkeit.

Kommunalwahl: Chance, zu gestalten
Unser Ziel für die Kommunalwahl 2020 ist klar: Wir wollen den gesellschaftlichen Rückenwind in so viel grüne Gestaltungsmöglichkeiten wie möglich verwandeln. Wir GRÜNE sind bereit, in den Kommunen (noch) mehr Verantwortung zu übernehmen – auch an der Spitze der Verwaltungen. Unsere Städte und Gemeinden sind der Ort, wo der ökologische und soziale Wandel unserer Industriegesellschaft und die Verkehrswende gestaltet werden und wo gesellschaftlicher Zusammenhalt gelebt wird. Unser Wahlkampf wird einladend und zuversichtlich sein und dabei Gestaltungsfreude, Mut und Verlässlichkeit ausstrahlen. Wir wissen um die Erwartungen, die an uns gestellt werden. Als Landesverband unterstützen wir unsere Wahlkämpfer*innen im ganzen Land, qualifizieren Neumitglieder und stärken die lokalen Bündnisse mit einer engagierten Zivilgesellschaft, die ihre Städte und Gemeinden zukunftsfest aufstellen will.

Neue Talente fördern
Die Erwartungen an unsere Arbeit in den kommenden 2,5 Jahre sind hoch: Im Durchschnitt erwartet uns ein Wahlkampf pro Jahr. Dafür verfügen wir über viel zusätzliche Woman- und Manpower. Um unsere Mitglieder zu organisieren und qualifizieren, investieren wir jetzt verstärkt in Fortbildungen. Der Landesverband bietet Programme an, mit denen wir neue Mitglieder von Kommunalpolitik begeistern und ihnen gleichzeitig das Handwerkszeug vermitteln.

Dass wir für die Kommunalwahl – und auch für Bundes- und Landtagswahlen – offensichtlich weit mehr Kandidat*innen mehr suchen müssen als in den vergangenen Jahren, ist Herausforderung und Chance zugleich. Es zwingt uns, uns weiter zu öffnen um auch außerhalb des harten Kerns von bereits etablierten Parteimitgliedern nach neuen Talenten Ausschau zu halten. Der Landesverband und die Grüne Jugend NRW entwickeln Konzepte, wie wir mehr Frauen, mehr junge Menschen, mehr Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und Menschen ohne akademischen Hintergrund sowie mehr Engagierte aus der Zivilgesellschaft in die Räte bringen.

Konsequent auf Inhalte setzen
Die Bürger*innen in NRW erwarten von uns weiterhin, dass wir konsequent auf Inhalte setzen. Nordrhein-Westfalen lebt von seiner Vielfalt und steht gleichzeitig vor enormen Herausforderungen. Wir GRÜNE waren schon immer ein inhaltlicher Vollsortimenter mit dem Anspruch, politische Antworten für alle Lebenslagen und alle Teile des Landes zu bieten. Und zukünftig werden unsere Antworten auf soziale und wirtschaftliche Fragen noch an Bedeutung gewinnen. Wer ganz vorne mitspielen will, muss Lösungskompetenz in allen Themen aufbauen und vermitteln – und gleichzeitig verschiedenste Partner*innen in Wirtschaft und Gesellschaft gewinnen Wir haben in den letzten Monaten Programme zur Gestaltung der digitalen Transformation, zum Aufbau eines gerechten und zukunftsfesten Bildungssystems und für eine Wohnungsoffensive in NRW erarbeitet. Diesen Weg gehen wir weiter und setzen die Fragen, die die Menschen in NRW besonders umtreiben, ganz oben auf unsere Agenda: Wir gestalten den nachhaltigen und gerechten Wandel der Industriegesellschaft NRW und den Umbau hin zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise. Wir schaffen neue Zukunftsperspektiven und stärken den sozialen Zusammenhalt. Wir bringen unsere demokratische Gesellschaft zusammen. Wir verbinden NRW , so dass jede*r bequem, schnell und umweltfreundlich ans Ziel kommt. Wir verschaffen unseren Kommunen Luft zum Atmen und sorgen für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land.

Wir GRÜNE in NRW brechen auf. Wir wollen NRW nachhaltig, gerecht und demokratisch gestalten. In diesen stürmischen Zeiten wollen wir Verantwortung übernehmen, die Herausforderungen unserer Zeit mutig zu gestalten – vor Ort in den Kommunen und in der Landespolitik.

Neuste Artikel

Yazgülü Zeybek: „Herber Schlag für die Region und für die Beschäftigten“

Bauen Soundingboard Wohnen

Soundingboard zum Thema Bauen und Wohnen am 19. März 2024

Bundestgaswahl 2021, Wahlkampfhöhepunkt

Grüne NRW verzeichnen historischen Mitgliederzuwachs

Ähnliche Artikel