Handwerk

Faire Bedingungen für kleine Unternehmen und Selbständige

Beschluss der LDK in Dortmund am 21./22.08.2021

Beschluss als PDF

Faire Bedingungen für kleine Unternehmen und Selbständige

Ausgangssituation

Im „Kleinen“ – im Handwerk, Handel, Dienstleistungsbereich oder in der Landwirtschaft – liegt eine große Stärke der Wirtschaft in Deutschland. Rund 97% aller Unternehmen waren 2018 Kleinunter-nehmen (KU < 50 Beschäftigte und/oder < EUR 10 Mio. Umsatz), rund 88% sogar Kleinstunternehmen (<10 Beschäftigte und/oder < EUR 2 Mio. Umsatz). 97% aller Unternehmen in Deutschland sind kleiner Unternehmen (KU) und beschäftigen ca. 31% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Hier entsteht Innovation, Wettbewerb und Wandel. Das sichert uns Vielfalt, Flexibilität, Unabhängigkeit, Machtverteilung und demokratische Prozesse. Die Krisenfestigkeit der KU hat sich auch während der Finanzkrise in 2009 bewährt.

Doch kleine Unternehmen und Selbständige haben es in Deutschland oft schwer, denn die Rahmenbedingungen sind nicht immer fair. Eine große Rolle spielt dabei, dass ihre Interessen in politischen Entscheidungsprozessen häufig nicht ausreichend berücksichtigt werden. Zu oft vertreten die Kammern eher die Interessen von größeren Unternehmen und in Mittelstandsstrategien werden KU in einen „Topf“ mit Unternehmen bis 499 Beschäftigen und 50 Mio. Umsatz geworfen (KMU-Definition des IfM Bonn seit 01.01.2016). Dabei ist klar, dass die Strategien, die für einen großes mittelständisches Unternehmen passgenau sind, noch lange nicht für eine kleine Handwerks-Bäckerei oder eine*n Kioskbetreiber*in angemessen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass im Zuge der Corona-Pandemie viele Kleinstunternehmen nun in ihrer Existenz bedroht sind.

Die Corona-Krise zeigt uns wie durch ein Brennglas die Probleme der Kleinbetriebe und Selbständigen auf, die alle vorher schon existierten, von der Politik aber nicht gesehen und angepackt wurden: Wenig soziale Absicherung für die Unternehmer*innen, die Liquidität auf Kante genäht, eine überbordende Bürokratie, wenig Zugang zu Kapital, das Schwinden von privaten Rücklagen, die ins Unternehmen investiert wurden sowie eine übermächtige Konkurrenz durch die großen Konzerne bspw. im Online-Handel, die von der Corona-Krise sogar massiv profitieren konnten. Denn während manch großes Unternehmen wie Starbucks, IKEA oder Amazon das Steueraufkommen kreativ gestalten können, tragen kleine Unternehmen vor Ort die volle Steuerverantwortung. Dazu kommt ein hoher Mangel an Fachkräften und Nachfolger*innen.

Auch bei den Corona-Hilfsgeldern wurden Kleinunternehmen und Selbstständige abgehängt. Während sie verzweifelt versucht haben, dringend benötigte Unterstützung anzufordern und lange Wartezeiten überbrücken mussten, haben größere Unternehmen, die durchaus eine gute Auftragslage zu verzeichnen hatten, mittels einzelner Kurzarbeitstage Hilfsgelder für sich beansprucht. Natürlich sehen sich große Unternehmen in solch einer Ausnahmesituation auch ungewissen Zeiten gegenüber, dennoch wird eine Regelung von der Rückzahlung dieser Hilfsgelder benötigt, um zu vermeiden, dass Gewinnausschüttungen aus ebendiesem Zeitraum anschließend an Unternehmer und Aktionären ausgezahlt werden, statt sie zurück in die Corona-Hilfsfonds fließen zu lassen und so wiederum Kleinunternehmen und Selbstständige zur Verfügung stehen können.

Die Corona-Pandemie machte uns auch noch einmal deutlich, wie wichtig eine dezentrale Wirtschaftsstruktur mit regionalen Wertschöpfungsketten für den Erhalt einer krisensicheren Nahversorgung und im Kampf gegen die Klimakrise ist (short distance economy). So stieg die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln in 2020 stark an. Doch viele Betriebe hatten wir schon vor der Corona-Pandemie verloren. Seit 1989 haben in Deutschland (ähnl. NRW) rund die Hälfte aller kleineren Nahversorgungsbetriebe (kleine Bauernhöfe, „Tante-Emma Läden“, Handwerks-Bäckereien, Fleischereien, Mühlen, Gaststätten etc.) aufgegeben. Und auch die Preissteigerungen auf vielen Immobilienmärkten gerade in den Ballungsgebieten führt vermehrt bei Gewerbemieter*innen, etwa dem kleinen inhaber*ingeführten Einzelhandel, dem Handwerksbetrieb und bei sozialen oder kulturellen Einrichtungen, zu Verdrängungseffekten. War das Innenstadtsterben durch Baumärkte und Lebensmitteleinzelhandelsketten am Stadtrand schon vor der Corona-Krise ein großes Thema, so droht nun in vielen Kommunen eine weitere Verödung und der Verlust wichtiger Kommunikationsorte.

Zielsetzung

Wir Grüne wollen die Vielfalt der Betriebe in der Wirtschaft sichern, demokratische Wirtschaftsstrukturen fördern, dezentrale Strukturen und regionale Wertschöpfungsketten stärken sowie lebendige Innenstädte erhalten. Für die kleinen Betriebe und Selbständigen wollen wir faire Rahmenbedingungen schaffen, fairen Wettbewerb und eine gute soziale Absicherung gewährleisten. Gründungen und Unternehmensnachfolgen wollen wir erleichtern. Ziel ist es, eine Entlastung von KU zu erreichen und Skalierungsnachteile stärker zu berücksichtigen. Hierfür wollen wir eine Mittelstandsstrategie für KU – eine KU-Strategie – implementieren:

KU-Strategie

  1. Krisen-Schutzkonzept für KU aufsetzen
  2. KU in politischen Prozessen angemessen beteiligen
  3. KU von übermäßiger Bürokratie befreien
  4. KU für regionale Nahversorgung fördern
  5. Faire Rahmenbedingungen international / national schaffen
  6. Liquidität erhalten / Kapitalausstattung verbessern
  7. Soziale Absicherung gewährleisten

1.Krisen-Schutzkonzept für KU aufsetzen

Von der Corona-Krise sind gerade kleine Unternehmen und Selbständige schwer getroffen. Einnahmen brachen durch die Lockdown–Maßnahmen ein, teils durch die direkten Vorgaben für Geschäftsschließungen oder auch indirekt, weil einfach die Kunden fehlten. Dennoch laufen Gewerbemieten weiter. Auch eine mögliche Stundung hilft den Betrieben nicht wirklich, sondern verschiebt das Problem nur. Während einzelne große Unternehmen immer wieder mit viel Steuergeld gerettet werden (z.B. Abwrackprämie, Rettungsgelder), setzen viele Kleinunternehmer*innen ihr privates Vermögen und angesparte Renten ein, um Betrieb und Arbeitsplätze zu erhalten.

  • Krisen-Schutzkonzept: In einem Konzept muss in Eckwerten festgelegt werden, unter welchen Bedingungen welches Unternehmen (Kategorie) vom Staat wieviel Unterstützung erhält, wenn durch staatliches Handeln Betriebe geschlossen werden müssen oder sie auf Grund von starken Einschränkungen nicht mehr genug Einnahmen erzielen können. Dabei ist sicherzustellen, dass Hilfsgelder unbürokratisch und zeitnah fließen. Ziel ist es, dass KU stärker unterstützt werden im Vergleich zu Großunternehmen, wie die Autoindustrie oder große Kaufhäuser. Im Falle der Gewährung von Hilfsgeldern ist, bis zu einer vollständigen Rückzahlung, eine Dividendensperre zu vereinbaren. Zudem müssen Rettungsgelder an sozial-ökologische Transformationsprozesse geknüpft werden. Darüber hinaus sind nicht benötigte Hilfsgelder zeitnah abzurechnen und zurückzuzahlen. Solange die Arbeitslosenversicherung für die Selbständigen nicht frei zugänglich ist, muss auch eine Art Kurzarbeitergeld als fiktiver Unternehmer*innenlohn für Selbständige gezahlt werden. Dazu brauchen wir eine klar definierte Risikoverteilung zwischen Vermieter *in und Mieter*in bei staatlichen Schließungsanordnungen oder erheblichen Beschränkungen z.B. in Form einer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufteilung von Mietverpflichtungen zwischen Mieter und Vermieter (vgl. Schweiz). Krisen-Gewinner müssen solidarisch zur Finanzierung der Krisenkosten beitragen.
  • Schnelle zweite Gründungschance schaffen: Je länger Wirtschaftskrisen andauern, desto mehr KU und Selbständige werden ihren Betrieb aufgeben müssen. Oft sind dann alle persönlichen finanziellen Reserven aufgebraucht. Diesen Unternehmer*innen wollen wir mit einem Gründungskapital von bis zu 25.000 Euro pro Kopf unter die Arme greifen und neuen Mut zur Selbständigkeit machen. Das Gründungskapital soll im Insolvenzverfahren genutzt werden können, um dem Unternehmen wieder auf die Beine zu helfen. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen nur durch die Krise in Schwierigkeiten geraten ist.

2. KU in politischen Prozessen angemessen beteiligen

Wesentliche Ursache für viele Schwierigkeiten von KUs und Selbständigen ist die mangelnde Sichtbarkeit und Relevanz in politischen Entscheidungsprozessen.

  • Runder Tisch KU / Beirat KU: Wir wollen, dass kleine Unternehmen und Selbständige in den relevanten Entscheidungsgremien besser beteiligt werden. Hierfür wollen wir einen Runden Tisch KU und einen Beirat der Bundesregierung speziell für die Themen der kleineren Unternehmen und Selbständigen einrichten. In Mittelstandsausschüssen (bspw. Staatssekretärsausschuss Mittelstand) sollen sie gleichrangig zu großen Unternehmen vertreten sein. In Gesetzgebungsprozessen sollen auch KU verstärkt die Gelegenheit erhalten, Stellung zu beziehen.
  • Kleine Unternehmen in den Kammern stärken: Wir brauchen eine Reform des Kammerwesens, insbesondere der Industrie- und Handelskammern, denn sie vertreten heutzutage vor allem finanzstarke große Betriebe. Wir wollen, dass diese Institutionen in Zukunft einen echten Mehrwert für die KUs bieten. Dazu sind intensive Gespräche über neue Konzepte notwendig. Wir wollen, dass es in den Kammern/Verbänden spezielle KU-Vertreter/Botschafter gibt. Die Repräsentation von KU in den Kammergremien wollen wir erhöhen. Auch wollen wir prüfen, ob die Organisation von Betriebshilfsdiensten ähnlich der Landwirtschaft möglich ist.
  • KU-Check: Verordnungen und Erlasse wollen wir mit Blick auf KU auf Verhältnismäßigkeit überprüfen. Bei Bedarf müssen pragmatische Lösungen oder Bagatellgrenzen definiert werden oder es werden entsprechende Förder- oder Unterstützungsprogramme aufgesetzt. Falls neue Anforderungen zwingend umgesetzt werden müssen, die aber für KU unverhältnismäßig hohe Ausgaben nach sich ziehen würden, muss es für sie auch entsprechende Fördermaßnahmen geben (Bspw. für ein neues Kassensystem. Eine Gegenfinanzierung könnte durch die Steuermehreinnahmen wegen Betrugswegfall erfolgen.).

3. KU von übermäßiger Bürokratie befreien

  • Bürokratieentlastungskonzept / Task Force Bürokratie: Wir wollen den Bürokratieaufwand für KU deutlich reduzieren, denn es kann nicht sein, dass gut ausgebildete Fachkräfte gerade in KU ihre eigentliche Arbeit kaum nachgehen können, weil tägliche Bürokratie sie an der produktiven Arbeit hindert. Hierfür wollen wir eine Studie in Auftrag geben, die den Bürokratiedschungel durchforstet. Es muss untersucht werden, für welche Vorgaben Bagatellgrenzen eingeführt werden können, für welche Vereinfachungen möglich sind, wann die Digitalisierung Erleichterung schaffen kann und für welche Anforderungen Unterstützung notwendig sind. Hierbei wollen wir die bestehenden Initiativen im Handwerk (z.B. Initiative „Wirtschaftsmacht Handwerk – Werkbank statt Schreibtisch“, „Rettet das Handwerk“) und in anderen Organisationen einbinden. Zu prüfen ist, inwieweit das Ausmaß der Regulierung noch stärker an der Unternehmensgröße orientiert werden kann, so dass insbesondere kleinere Betriebe entlastet werden können.
  • Regionale Runde Tische zum Bürokratieabbau: Wir wollen einen runden Tisch mit Vertreter*innen aus der Praxis initiieren, um Möglichkeiten für Bürokratieabbau mit den Praktikern vor Ort zu ermitteln. Aufzeichnungspflichten aus dem Arbeitsschutz, Brandschutz und der Lebensmittelinformationsverordnung stellen KU vor große Herausforderungen. Unnötige Vorschriften gilt es zu vermeiden.
  • Aufzeichnungspflichten minimieren: Wir wollen uns bei Vorschriften, Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten an Betriebsgrößen angepassten Maßstäben orientieren. Hierfür bieten auch EU-Verordnungen oft Spielraum. So macht es zum Beispiel vor allem für KU einen großen Unterschied, ob bestimmte Aufzeichnungspflichten immer durchgeführt werden müssen oder nur bei Abweichungen von der Norm. Auf Supermärkte gemünzte Vorschriften, wie z.B. unterschiedliche Kennzeichnungspflichten, je nachdem, ob eine Ware vorverpackt wurde oder nicht, sollten bei kleinen handwerklichen Betrieben abgeschafft oder angepasst werden. Auch eine abgeschlossene, gut verständliche und praxisnahe Zusammenstellung aller einzuhaltenden Vorschriften würde KU helfen. Aufzeichnungspflichten müssen regelmäßig überprüft werden. Zukünftig könnten vermehrt über Technikeinsatz/Fotodokumentation etc. die bisherigen Verfahrensdokumentationen entfallen (z.B. nach Inkrafttreten der Kassensicherungsverordnung). Wir wollen, dass bei Betriebsprüfungen verstärkt ein Fokus auf Sauberkeit und Hygiene anstatt auf die Einhaltung von Dokumentationspflichten gelegt wird.
  • Meldewesen vereinfachen: Statt vieler einzelner Gänge, z.B. bei der Personalanstellung, wollen wir die Möglichkeit einführen, dass Nachweise und Unterlagen, über welche die Behörden bereits verfügen, nicht erneut verlangt werden können. Dafür soll eine freiwillige Möglichkeit der automatischen Weitergabe von Daten zur Vermeidung von Doppelmeldungen angeboten werden. Zudem wollen wir Statistikmeldepflichten terminlich an andere Meldepflichten anpassen.
  • Bundesweit einheitliche Bauvorschriften: Wir wollen den Dschungel an Bauvorschriften lichten, der insbesondere KU häufig überfordert. Dafür braucht es einen gemeinsamen Einsatz der Bundesregierung und der Länder für bundesweit einheitliche Bauvorschriften, damit z. B. bei Brandschutz und der Höhe von Treppengeländern überall die gleichen Vorschriften gelten.
  • Servicestellen Bürokratie: Wir fordern mehr Unterstützung für KU insbesondere für Fragen der Förderung, Finanzierung und bei bürokratischen Vorgängen. Über One-Stop-Shops / Dienstleistungszentren mit einer Servicestelle Bürokratie wollen wir für alle kleinen Unternehmen und nicht nur für Gründer eine Unterstützung sicherstellen sowie einen Ansprechpartner für den Kontakt zur Verwaltung anbieten.

4. KU für regionale Nahversorgung erhalten

  • Nahversorgungs-KU fördern: Seit Jahrzehnten ist der Lebensmitteleinzelhandel von einem Strukturwandel hin zu weniger und größeren Geschäften gekennzeichnet. Gerade in kleineren Orten bestehen daher Probleme, die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in fußläufiger Entfernung, das heißt die Nahversorgung, sicherzustellen. Wir Grüne wollen ein Nahversorgungsförderprogramm für kleine Nahversorgungsunternehmen auflegen, mit dem die Ansiedlung, die Entwicklung und die Erhaltung von Kleinstunternehmen (Lebensmitteleinzelhandel mit Grundsortiment / Bäcker / Fleischer) gefördert werden kann. Dazu wollen wir die Einführung einer Nahversorgungsprämie wie in Tirol prüfen. Wir wollen Neuansiedlungen von KU der Grundversorgung in Dörfern und Mittelzentren über bspw. multifunktionale auch genossenschaftliche „Dorfladenprogramme“ fördern und dabei über erfolgreiche Modelle (z.B. Markttreffs in Schleswig-Holstein) Kriterien für Folgeförderungen definieren. Auch ist zu prüfen, ob nicht auch Bäckereien über weitere Funktionen der Nahversorgung (letzte Meile Station, Post, Bank, o.ä.) wieder angesiedelt werden können. Dazu wollen wir auch steuerliche Anreize prüfen, z.B. für eine Kategorie: Tante Emma Läden/Dorfläden (bspw. bis qm Ladenfläche, etc.) oder für mobile Nahversorgung. Dazu fordern wir einen rechtlichen Schutz von Begriffen wie „Bäckerei“ und eine Art Handwerkssiegel. Wir wollen einen ordnungsrechtlichen Rahmen schaffen, damit der Wildwuchs von Lebensmitteleinzel-/Handelsunternehmen auf der grünen Wiese gestoppt wird.
  • Digitale Transformation im stationären Handel sinnvoll unterstützen: Gerade der inhaber*ingeführte Einzelhandel wurde von der Corona-Krise mit am stärksten getroffen. Ein Sterben vieler kleiner Geschäfte deutet sich an, dabei sind sie für lebendige Innenstädte existenziell, denn sie leisten durch ihre individuelle Kundenbindung einen Beitrag zum guten Leben in der Stadt. Digitalisierungsförderprogramme sind daher ein wichtiger Baustein. Dabei wollen wir „Hilfe zur Selbsthilfe“ fördern und auch die Verantwortung für die notwendige digitale Infrastruktur übernehmen. Marktregeln werden wir so setzen, dass es für digitale und analoge Geschäftsmodelle Chancengleichheit gibt. Wo es gute Erfahrungen mit neuen Geschäftsmodellen gibt, können andere davon profitieren. So wollen wir Grüne den inhaber*ingeführten stationären Einzelhandel unterstützen.
  • Programm regionale Wertschöpfung: Zur Stärkung der kleineren regional agierenden Unternehmen wollen wir ein Programm „regionale Wertschöpfung“ aufsetzen. Neben sofort wirksamen Direktvermarktungs-Förderprogrammen müssen regionale Versorgungsstrategien entwickelt werden, die regionale Wertschöpfungsketten und Versorgungssysteme (regionale Verarbeitungsstrukturen wie Mühlen, Molkereien, Küchen für die Gemeinschaftsverpflegung aber auch mobile Schlachtungen, mobile Käsereien, etc.) wieder in Funktion setzen. Eine gesunde regionale Ernährungsstrategie insbesondere für Gemeinschaftskantinen (Schulen, Kitas, etc.) ist dazu der erste Schritt. Zentral dabei ist der Aufbau einer Organisationstruktur (Wertschöpfungszentren bspw. auf Bezirksebene; Servicestellen Regionalität auf kommunaler Ebene). Regionalsiegel mit Nachhaltigkeitskriterien und regionale Vermarktungskonzepte wie bspw. Marktschwärmer*in wollen wir fördern. Dazu brauchen wir eine landesweite und app-basierte Regio-Plattform. Auf EU-Ebene wollen wir uns für Regeln einsetzen, die regionale Wertschöpfungsketten unterstützen. Lokale Handwerker geraten heute unter Druck, da Kommunen gezwungen werden, Handwerksleistungen ab einer bestimmten Auftragssumme EU-weit auszuschreiben. Deshalb sollten Kommunen dazu angehalten werden, kleinere Lose auszuschreiben. Vergabe von Aufträgen muss an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft werden.
  • Bestehende Förderinstrumente ausbauen: Eine übersichtliche, zugängliche und effektive Förderlandschaft ist notwendig, um regionale Wirtschaftskreisläufe zu unterstützen. Hierfür sollten die bestehenden Fördermöglichkeiten innerhalb der GRW (Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur”) und der GAK (Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz) in einem Bundesprogramm „Regionale Wertschöpfung“ gebündelt und erweitert werden. Um gerade kleinen und Kleinstunternehmen den Zugang zu erleichtern, müssen Unterstützungs- und Beratungsstrukturen ausgebaut und durch Förderscouts ergänzt werden.
  • Handwerk / berufliche Bildung aufwerten: Das Handwerk ist überwiegend in Kleinst- und Kleinbetrieben organisiert. Doch handwerkliche Kompetenzen und Fähigkeiten gehen zunehmend verloren, die nur schwer wieder aufgebaut werden können. Dabei macht uns die Klimakrise deutlich, dass nicht Masse und Billig sondern Klasse, Nachhaltigkeit und Reparierbarkeit die wichtigsten Produkteigenschaften für die Zukunft sind. Hier wird das Handwerk für unsere regionalen Kreisläufe wieder an Bedeutung gewinnen. Doch dem Handwerk fehlen zunehmend Auszubildende, auch weil eine universitäre Ausbildung in der Gesellschaft eine höhere Anerkennung erfährt. Deshalb wollen wir mehr Themen von Handwerk, Ausbildungsberufen und Unternehmertum in die Bildungsarbeit der Schulen insbesondere der Gymnasien integrieren. Durch Gleichstellung von betrieblicher und akademischer Bildung sowie durch Angleichung der Rahmenbedingungen für Azubis und Studenten (z.B. Sozialabgaben für Azubis angleichen zu studentischen Praktika, Azubi-Bafög, Azubi-Ticket, Azubi-Wohnungen, Erasmus für Azubis, etc.) wollen wir Ausbildung attraktiver machen. Das duale Berufsausbildungssystem ist ein deutsches Erfolgsmodell mit internationaler Anerkennung. Wir wollen dieses Ausbildungssystem deutlich stärken. Kern ist hier die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Beim “Lernen im Arbeitsprozess” spielen die Praktiker aus den Unternehmen die Hauptrolle und übernehmen damit eine große soziale und gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb wollen wir uns dafür einsetzen, dass die Ausbildungsleistung des Betriebes durch eine Art staatliche Ausbildervergütung entsprechend dem gesellschaftlichen Wert dargestellt wird. Möglich wäre das bspw. über einen staatlichen Ausbildungsfond, in den alle Unternehmen einzahlen. Denn heute werden gut ausgebildete Fachkräfte von der Industrie häufig abgeworben und profitieren so von der quasi „kostenlosen“ Ausbildungsleistung des Betriebs. Die Selbstverwaltung der betrieblichen Ausbildung ist wesentlich für die Qualität und wird garantiert. Die Finanzierung überbetrieblicher Lehrgänge für Auszubildende sollte staatlich gesichert sein. Wir wollen die Meisterausbildung dem Bachelor gleichstellen und fordern, dass sie zukünftig analog nahezu kostenlos ist. Damit Handwerksberufe wieder attraktiver werden, setzen wir auf eine stärkere Tarifbindung und branchenspezifische Mindestvergütungen. Die Handwerksbetriebe wollen wir bei der Gewinnung und Ausbildung von Auszubildenden stärker unterstützen.
  • Unternehmensgründung und -nachfolge erleichtern: Die Unternehmensnachfolge ist neben der Digitalisierung und der Fachkräftesicherung derzeit wohl die größte Herausforderung für KU. Viele Förderprogramme sind auf Gründungen aber nicht auf Übernahmen ausgelegt. Hier braucht es neue Programme oder eine breitere Auslegung der bestehenden Förderkriterien. Wir Grüne wollen für Mitarbeitende frühe Beteiligungsmöglichkeiten sowie für eine eventuelle spätere Unternehmensübernahmen spezielle Förderprogramme entwickeln, die potenzielle Nachfolger*innen ähnlich wie Gründer*innen bei der Unternehmensübernahme unterstützen. Neugründungen wollen wir erleichtern, denn die Hürden sind mittlerweile so hoch, dass junge Menschen immer mehr die zeitlichen und finanziellen Belastungen und Risiken scheuen. Bei den flächendeckenden Anlaufstellen („One-Stop-Shops“) für Gründungsberatung und -förderung soll auch immer die Nachfolge durch Förderscouts kompetent beraten sowie die Vernetzung zwischen Nachfolgesuchenden und Nachfolgewilligen gefördert werden.

5. Faire Rahmenbedingungen international/national schaffen

  • Faire Handelsabkommen: Wir wollen faire Handelsabkommen mit durchsetzbaren Schutzstandards für die Umwelt, Klima und Arbeitnehmer*innen. KU sollten nicht durch unfairen Handel im Wettbewerb verdrängt werden. Wir fordern deshalb eine standardmäßige Risikofolgenabschätzung für den Mittelstand insbesondere KU. Wir setzen uns für die Einführung eines deutschen und perspektivisch eines europäischen Lieferkettengesetzes ein. Dabei müssen praktikable Ausnahmen für KU geschaffen werden.
  • Faire Rahmenbedingungen für die ökologische Transformation: Wir brauchen eine tiefgreifende ökologische Transformation, mit fairen Rahmenbedingungen, die KU nicht überproportional belasten. Anstatt die Kosten der Energiewende fair zu verteilen, verteuert die Bundesregierung seit Jahren, mit Ausnahmen für große, energieintensive Unternehmen, die EEG-Umlage für die kleinen Unternehmen. Wir hingegen wollen, dass nachweislich nur Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, Vergünstigungen erhalten. Gleichzeitig planen wir die Absenkung der Stromsteuer im Rahmen einer fairen CO2-Bepreisung. Dies würde vor allem KU helfen, die bisher nicht von Stromsteuer-Gutschriften profitieren. Wer sich für die Energiewende engagiert und eigenen Strom erneuerbar erzeugt – zum Beispiel über die Photovoltaikanlage auf dem Dach –, soll dafür keine EEG-Umlage mehr zahlen müssen. Die kleinen Betriebe der Nahversorgung wollen wir mit Fördermaßnahmen für energieeffiziente Anlagen unterstützen.
  • Faire Bedingungen bei der digitalen Transformation: Die Digitalisierung kann eine Chance für KU sein und Arbeitserleichterung sowie mehr Einkommen schaffen. Doch nach Studien zählen zu den Digitalisierungsgewinnern vor allem Großunternehmen. Wir wollen die kleineren Betriebe darin unterstützen, sich mit innovativen digitalen / semidigitalen Geschäftsmodellen eine Zukunft zu sichern. Wir wollen einen Rechtsrahmen für digitale Plattformen schaffen, der einen fairen Zugang für alle gewährleistet. Dafür muss die Marktmacht von Unternehmen wie Amazon, Google und Co durch wirksame Regeln klar begrenzt werden. So dürfen beispielsweise die Angebote kleiner Händler von Amazon nicht länger gegenüber den eigenen Angeboten benachteiligt werden. Damit Geräte verschiedener Anbieter miteinander funktionieren, setzen wir uns in allen Sektoren für offene Standards ein. So können die Wechselkosten für KU zwischen verschiedenen Anbieter*innen gesenkt und neues Innovationspotential geschaffen werden.
  • Faire Bedingungen im Bereich Kontrollen, Gebühren: Wir Grüne setzen uns ein für faire Gebühren für kleine Betriebe. Das Prinzip der Kostendeckung wollen wir aufheben und eine soziale Abfederung ermöglichen. Bei den Schlachtgebühren bspw. zahlen kleine Betriebe mit wenig Schlachtungen i.d.R. erheblich mehr je Tier als Große. Konkret fordern wir hier mindestens einheitliche Schlachtgebühren für alle Betriebe. Genauso fordern wir eine Reform bei den Kontrollgebühren in der Lebens- und die Futtermittelwirtschaft gestaffelt nach Betriebsgröße und nicht nach Dauer der Kontrolle. Kontrollgebühren sollten (z.B. analog Fahrzeugkontrollen) nur bei Verstößen und nicht vollumfänglich pauschal fällig werden. Dazu sollten sämtliche Kontrollen mehr Beratungsfunktion als eine bloße Überwachungsfunktion übernehmen. Kontrollintervalle sollten risikoorientiert angepasst werden. Problembetriebe könnten so häufiger kontrolliert werden. Denn es ergibt wenig Sinn, einen unauffälligen Betrieb, der vorbildliche Eigenkontrollen und Qualitätsmechanismen besitzt, ständig wiederkehrend in kurzen Intervallen zu kontrollieren. Eine einheitliche Auslegung von Richtlinien in Kreisen und Ländern ist zu gewährleisten.
  • Faire Bedingungen für Kleingewerbemieter*innen: Kleingewerbemieter*innen müssen vor explosionsartigen Mietenanstieg und der Verdrängung aus den Innenstädten geschützt werden. Nach aktueller Rechtslage wird angenommen, dass Gewerbemieter*innen, anders als Mietende von Wohnraum, als Marktteilnehmer*innen mit den Vermieter*innen „auf Augenhöhe“ agieren und verhandeln können. Diese Annahme ist jedenfalls in angespannten Gewerbemietmärkten, etwa in gentrifizierten Stadtgebieten, nicht mehr zeitgemäß. Um dies zu ändern, wollen wir die Landesregierungen ermächtigen, „Gebiete mit angespannten Gewerbemietmärkten“ nach festgelegten Kriterien zu bestimmen. Für diese Gebiete erhalten Kleingewerbemieter*innen Sonderrechte: Kündigungsschutz, Verlängerungsansprüche, Mietpreisbremse. Daneben wollen wir Instrumente schaffen, die dazu beitragen, die ortsübliche Vergleichsmiete auch mit Blick auf Gewerbemieteinheiten bestimmen zu können. Den Neubau wollen wir von der Anwendbarkeit der „Mietpreisbremse“ auch im Gewerbebereich ausnehmen, sodass Investitionen in Neubau insoweit nicht behindert werden.
  • Faire Bedingungen im Rechtstreit: Wir wollen, dass sich die Aufteilung der Kosten des Verfahrens stärker an der Leistungsfähigkeit der Streitparteien orientiert. Es darf nicht möglich sein, kleine Unternehmen durch die Forderung unangemessen hoher Streitwerte oder immerwährenden Verlängerungen des Verfahrens “auszuhungern”.
  • Ein faires Steuer- und Abgabensystem: Gemäß unseres Grundsatzprogrammes muss ein Steuersystem, das wirtschaftliche Dynamik schaffen will, neue Aktivitäten und Investitionen begünstigen sowie Vermögen und leistungslose Einkommen gleichermaßen besteuern. Darüber hinaus soll die Besteuerung progressiver werden. Unser heutiges Steuer- und Abgabensystem benachteiligt KUs in unfairer Weise. Die Basis beruht zum Großteil auf dem für KUs entscheidendem Faktor Arbeit, während “arbeitsfreie” Einkommen, insbesondere Kapitaleinkommen, privilegiert werden. Darüber hinaus können multinationale Konzerne ihre Gewinne steueroptimiert international verlagern, jedoch müssen kleine Unternehmen ihren Steuerbeitrag vor Ort entrichten. So zeigen Studien, dass Großkonzerne in Deutschland durch Steuervermeidungsmodelle effektiv nur 20% statt der üblichen ca. 30% in Deutschland versteuern. Außerdem ist unser Steuersystem außerordentlich komplex und während sich Konzerne Steuerexperten zur Optimierung leisten können, haben KUs hier einen erheblichen Skalierungsnachteil. Wir Grüne setzen uns für eine nationale und globale Steuergerechtigkeit ein und fordern, dass Digitalkonzerne entsprechend ihres Umsatzes im Land ihre Steuern abführen müssen. Um dem Unterbietungswettbewerb einzelner Staaten Einhalt zu gebieten, setzen wir uns für einen europäischen Mindeststeuersatz ein. Steuerschlupflöcher müssen schnellstmöglich geschlossen werden. Auch das Thema der Umsatzsteuergerechtigkeit im Online-Handel muss endlich angegangen werden. Wir brauchen dringend eine grundlegendere Reform im Steuer- und Abgabensystem in Deutschland, konsequent progressivund mit einer deutlichen Verlagerung der Steuern und Abgaben vom Faktor Arbeit auf “arbeitsfreie” Einkommen (z.B. Kapital und Ressourcen).
  • Vereinheitlichung und Vereinfachung von Regeln und Begriffen: Wir fordern die Schaffung einheitlicher vereinfachter Bilanzierungsregeln unter Beachtung des Konzepts der Wesentlichkeit analog zu den „IFRS for SME“ sowie eine Absenkung des Mindestgebührensatzes der Bilanz in der StBGebV auf das Niveau des Satzes für die EÜR (Einnahme-Überschuss-Rechnung) um den zeitlichen und monetären Aufwand für kleine Bilanzen auf den Aufwand einer EÜR zu begrenzen. Durch die Schaffung einer Option hinsichtlich der Anwendung eines einheitlichen vereinfachten Bilanzierungsrahmens inklusive Berichtspflichten können größenklassenbedingte Wechsel von der EÜR zur Bilanzierung weitgehend vermieden werden. Ebenfalls brauchen wir eine gesetzesübergreifende Vereinheitlichung von Rechtsbegriffen und Grenzwerten, z. B. Berechnung der Anzahl der Beschäftigten nach Handelsrecht und Sozialversicherungsrecht, Festlegung der Größenklassen von Unternehmen nach Handelsrecht und Umsatzsteuerrecht oder Grenzwerte und Regeln für Geschenke, Sachbezüge für Arbeitnehmer, Bewirtungen und Betriebsveranstaltungen. Gesetze sollen klar und verständlich formuliert sein und nicht die häufig notwendige Einschaltung eines Rechtsanwaltes oder Steuerberaters voraussetzen.

6. Liquidität erhalten / Kapitalausstattung verbessern

Wir Grüne wollen eine spürbare Entlastung und Verbesserung der Liquidität von kleinen Betrieben und Selbständigen erreichen. Dazu wollen wir steuerliche Regelungen und Verwaltungsprozesse so ausgestalten, dass sie einfacher befolgt werden können. Wir wollen wirksame Unterstützungsmaßnahmen aufsetzen, um Kapitalaufzehrungen und Umsatzverluste aus Corona-Zeiten in den Betrieben jetzt auffangen zu können und einen guten Neustart zu ermöglichen.

  • Erhöhung Grundfreibetrag bei der Einkommenssteuer: Wir wollen kleine und mittlere Einkommen durch eine Erhöhung des Grundfreibetrags bis auf die Pfändungsfreigrenze entlasten sowie eine Verlängerung der Progression zur Gegenfinanzierung.
  • Erhöhung der Ist-Versteuerungsgrenze (Umsatzsteuer): Wir wollen eine Vervierfachung der Ist-Versteuerungsgrenze auf 2 Mio. Euro umsetzen, so dass Unternehmen mit weniger als 2 Mio. Euro Jahresumsatz die Umsatzsteuer erst entrichten müssen, wenn ihr Kunde bezahlt hat. Wir wollen eine Überprüfung des Konzeptes der Sollversteuerung insb. im Hinblick auf übermäßige Liquiditätsbelastungen beim Wechsel von der Ist- zur Sollversteuerung.
  • Abschreibungen erleichtern: Wir wollen die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf mindestens 1.000 Euro erhöhen und uns für eine Sofortabschreibung für die Ausstattung von Büroarbeitsplätzen sowie andere kurzlebige Wirtschaftsgüter auch nach der Corona-Krise einsetzen.
  • Betriebskostenpauschale: Bei Selbständigen von KU sind Betriebskosten oft zu großen Teilen identisch mit ihren Lebenskosten, da sie ihren Beruf „leben“. Dies gilt vor allem für Selbständige, die von zuhause arbeiten. Eine Trennung von privaten und beruflich veranlassten Ausgaben ist oft schwierig, was zu Problemen bei der steuerlichen Abgrenzung und zu einem hohen Bürokratieaufwand führt. Wir plädieren daher für die Einführung eines angemessenen Pauschbetrages für Selbständige für Betriebskosten analog zur Werbungskostenpauschale für Arbeitnehmer. Doppelnutzen müssen vermieden werden.
  • Freibeträgen für KSt und GewSt: Eine deutliche Entlastung der KU kann erzielt werden, indem steuerliche Freibeträge bei der Berechnung der KSt und/oder GewSt eingeführt bzw. erhöht werden. Zur Vermeidung von Gestaltungsmissbräuchen sind entsprechende Regelungen aufzunehmen, die eine lediglich steuergetriebene Betriebsaufspaltung verhindern. Die Regeln zur Organschaft sollen hier Anwendung finden.
  • Ansparabschreibungen nach Unternehmensgrößen: Wir wollen die Regelungen des § 7g EStG gestaffelt nach Unternehmensgrößen anpassen. Demnach würde man kleinen Unternehmen mit einem Gewinn von bis zu 60.000 Euro einen 75 – 100 %igen Investitionsabzug ermöglichen, mit dem diese Unternehmen die zukünftigen Anschaffungskosten bereits vor der eigentlichen Investition gelten machen und die daraus freigewordene Liquidität zur Finanzierung der Anschaffungen nutzen könnten.
  • Abschaffung der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge: Wir wollen die besonders stark von der Corona-Krise getroffenen kleinen Unternehmen jetzt unterstützen, indem die Sozialbeiträge erst im Folgemonat und nicht schon im laufenden Monat abgeführt werden müssen. So bekämen die KUs gerade dann nochmal eine Liquiditätshilfe, wenn andere Rettungsmaßnahmen auslaufen. Seit 2005 müssen Unternehmen ihre Sozialabgaben für die Mitarbeitenden nicht mehr im Folgemonat, sondern im laufenden Monat zahlen. Dies war als vorübergehende Liquiditätshilfe für die Sozialkassen zulasten der Unternehmen gedacht. Die Maßnahme wurde nie zurückgenommen, belastet die Liquidität der KU aber sehr. Darüber hinaus reduzieren wir den organisatorischen Aufwand bei vielen Unternehmen, da für Mitarbeiter, die kein festes Entgelt, sondern Überstunden, Zuschläge etc. ausgezahlt bekommen, ein doppelter Aufwand vermieden wird. Aktuell müssen Unternehmer zunächst die Sozialversicherungsbeiträge schätzen um dann im folgenden Monat die Fehler der Schätzung zu korrigieren und mit der Schätzung des aktuellen Monats zu verrechnen.
  • Gründungs-/Nachfolgedarlehen: Zu oft scheitern Gründung und Übernahme bestehender kleinerer Betriebe an fehlendem Eigenkapital. Wir Grüne wollen Gründungen und Übernahmen erleichtern und fordern, dass der Bund / Land einen wesentlichen Teil der nicht durch Sicherheiten abgedeckten Kreditsumme verbürgt (Haftungsfreistellung). Ein entsprechendes Wirtschaftlichkeitskonzept ist durch die lokale Hausbank zu prüfen. Um Missbrauch vorzubeugen, dürfen Personen diese Kredite nur einmal beantragen.
  • Wir wollen alle Kosten für Forschung und Entwicklung in KMU mit einem mindestens 15%igen steuerlichen Forschungsbonus unbürokratisch zu fördern;
  • Zur Verbesserung der Kapitalausstattung von KUs wollen wir die Gewinnthesaurierungsoptionen weiterentwickeln: Wir wollen das Eigenkapital von Unternehmen allgemein und insbesondere für KU stärken. Eine gute Eigenkapitalbasis macht Unternehmen krisenfester und ist eine wichtige Basis zur Stärkung von Innovationen und Investitionen. Die Thesaurierungsmöglichkeiten für Einzelunternehmen und Personengesellschaften, d.h. die Steuerbegünstigung für nicht entnommene Gewinne, wird aktuell von kleinen und mittleren Unternehmen kaum genutzt. Dies liegt vor allem an der sogenannten Verwendungsreihenfolge „last in, first out“, das heißt bereits vollversteuerte Gewinne können erst entnommen werden, wenn alle thesaurierten Gewinne, die noch nachversteuert werden müssen, aufgebraucht sind. Der Anreiz die Thesaurierungsbegünstigung zu nutzen ist durch diesen „lock-in“ Effekt jedoch gering. Wir wollen deshalb für KUs die Verwendungsreihenfolge mit einer Begrenzung auf 100.000 Euro pro Jahr aussetzen. Dabei müssen Regelungen vorgesehen werden, die eine missbräuchliche Nutzung dieser Regelung verhindern und eine Mindestnachversteuerung gewährleisten. So könnte bspw. die Pflicht zur unmittelbaren Nachversteuerung thesaurierter Gewinne nach Paragraph 34a Absatz 4 EStG auf die Höhe der thesaurierten Gewinne zuzüglich einer angemessenen Steuerrückstellung beschränkt werden. So dass die Entnahmemöglichkeit für bereits vollversteuerte Gewinne nur um die Steuerrückstellung für die thesaurierten Gewinne gemindert ist. Mit diesen Maßnahmen machen wir das Instrument der Gewinnthesaurierung für KUs nutzbar und fördern damit Innovationen und Investitionen für kleinere Unternehmen.

7. Soziale Absicherung gewährleisten

Vergleicht man die Steuer- und Abgabenanteile der drei Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Umwelt wird deutlich, dass der Anteil der Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit in den letzten Jahrzehnten am stärksten gestiegen ist. Der Anteil von Steuern und Abgaben auf Einkünfte aus Kapital lag 2017 bei 13,2 %, demgegenüber lag der Anteil auf Einkünfte aus Arbeit bei 63,3%.

Aktuell liegen die gesetzlichen Sozialabgaben bei rund 39 Prozent. Die hohen Sozialausgaben stellen eine große finanzielle Last für Selbständige mit geringem Einkommen sowie für kleine personalintensive Unternehmen dar. Viele Selbständige/Solo-Selbständige treffen keine oder eine nur unzureichende Altersvorsorge. Die Gefahr der Altersarmut ist sehr groß. Frauen sind davon überproportional betroffen. Und je größer der Anteil Arbeit an der Wertschöpfung im Unternehmen ist, desto höher sind prozentual die Kosten zur SV (Sozialversicherung) an den Stückkosten. Dies ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil im Vergleich zur kapitalintensiv produzierenden Industrie.

Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung: Wir Grüne wollen die soziale Absicherung über die Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung in der Kranken- und der Rentenversicherung für alle Selbständige gewährleisten. Indem alle Bevölkerungsgruppen über alle Einkunftsarten in die Finanzierung einbezogen werden, können wir die Belastungen fair und für alle tragfähig ausgestalten. Weil wir den Faktor Kapital in die solidarische Finanzierung mit einbeziehen, kann der Faktor Arbeit entlastet werden. Davon würden vor allem Selbständige mit geringem Einkommen und kleinere personalintensive Unternehmen profitieren. Ebenso würden die geringer verdienenden Mitarbeitenden entlastet. Die Mindestbeitragsbemessungsgrenze für Selbständige wollen wir weiter absenken, damit kleinere Einkommen nicht überproportional belastet werden.

Weiterentwicklung der Arbeitslosenversicherung: Die Arbeitslosenversicherung (AV) soll allen Selbständigen offenstehen sowie bezahlbar und flexibel ausgestaltet werden. Heute können sich Selbständige in der AV nur freiwillig versichern, wenn sie innerhalb der letzten 24 Monate 12 Monate pflichtversichert waren. Im ersten Schritt fordern wir eine Arbeitslosenversicherung für Selbständige unabhängig davon, ob sie vorher pflichtversichert waren oder nicht. Wahltarife sollen dabei mehr Flexibilität für Selbständige ermöglichen. Künftig sollte es Selbständigen deshalb möglich sein, Beiträge anhand der halben Bezugsgröße zu zahlen. Im Falle der Arbeitslosigkeit haben sie Anspruch auf Arbeitslosengeld entsprechend ihrer gezahlten Beiträge. Entscheiden sie sich, die vollen Beiträge zu zahlen, haben sie Anspruch auf ein entsprechend höheres Arbeitslosengeld. Dabei sollen die besonderen Bedingungen des jeweiligen Berufsbildes und der gestaffelten Beiträge Auswirkungen sowohl auf den Anspruch wie auch auf die Auszahlung der Ersatzleistungen haben. Ebenso bringt ein Zugang zu anderen Leistungen der Arbeitsförderung insbesondere für Solo-Selbständige eine höhere soziale Gleichheit. Langfristig sollte auch die Arbeitslosenversicherung in das Konzept der solidarischen Bürgerversicherung integriert werden.

Perspektivisch müssen im Rahmen einer steuerlichen Umschichtung die Faktoren Energie- und Rohstoffverbrauch sowie Umweltbelastungen stärker in die Finanzierung der gesamten Sozialversicherung einbezogen werden.

Neuste Artikel

Zeybek: „Wahlkampftaktik von Jens Spahn ist beschämend“

Bundestagswahl: GRÜNE NRW wählen Spitzenkandidatinnen

GRÜNE NRW verzeichnen neues Mitgliederhoch

Ähnliche Artikel