Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz am 25. Mai 2025.
Die Freiheit der Wissenschaft gerät in verschiedenen Regionen der Welt zunehmend unter Druck. So blicken wir mit großer Sorge auf die aktuellen Entwicklungen in den USA: Die Trump-Administration greift die Wissenschaft zum Zwecke eines rechten Kulturkampfes in den USA, bisher eine der forschungsstärksten Staaten der Welt, gerade frontal an. Gezielte Budgetkürzungen und massenhafte Entlassungen haben viele Forschungsbereiche bereits jetzt erheblich geschwächt. Die Nationale Wissenschaftsstiftung (National Science Foundation, NSF) muss nun alle Förderanträge nach verbotenen Wörtern durchsuchen. Dazu gehören Begriffe wie Woman, Black, LGBT, Climate, Bias und Equality, während Begriffe wie White und Man nicht auf der Liste stehen. Wird ein Begriff aus der Liste verbotener Worte gefunden, muss manuell geprüft werden, ob ein Verstoß gegen Trumps Anti-DEI-Richtlinie vorliegt. Die Förderung kann dann abgelehnt oder der Antrag so geändert werden, dass der Begriff nicht mehr vorkommt. Die Forschung an Themen, die vorrangig People of Color, Frauen oder marginalisierte Gruppen betreffen, wird dadurch systematisch erschwert.
Der Angriff auf Wissenschaftsfreiheit ist dabei nicht zufällig: Wissenschaft ist ein Wesenskern demokratischer und liberaler Gesellschaften. Unabhängige Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind eine Voraussetzung für Freiheit. Forschung und Wissenschaft ebnen den Weg zum Überwinden von Krisen, verbessern Lebensbedingungen und steigern Innovation und Wirtschaftlichkeit. Wissenschaftsfreiheit umfasst dabei die Freiheit von Forschung und Lehre sowie des Lernens. Forschung und Lehre sollen ohne Abhängigkeit von Staat und Kirche sowie Wirtschaft, aber auch ohne Bevormundung innerhalb der Wissenschaft vonstattengehen. Sie ist das gemeinsame Wertefundament für Forschungszusammenarbeit und internationale Kooperationen.
Auch in Deutschland ist in den letzten Jahren die Wissenschaftsfreiheit vermehrt unter Druck geraten, wenn gleich nicht durch staatliche Verbote. Anfeindungen durch Hassrede im Internet bis hin zu Morddrohungen, Genderverbote an Hochschulen sowie die die Diskreditierung von Forschungsbereichen wie u.a. die Gender- oder Klimaforschung sind Angriffe auf die Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Dahinter stecken auch in Deutschland antiliberale Netzwerke, die einen Kampf gegen freie Meinungsäußerungen und freie Forschung führen. Die Vorgänge rund um die Fördermittel-Affäre des damals FDP-geführten BMBF haben hierzulande zusätzlich das Vertrauen der Wissenschafts-Community in die Politik strapaziert.
Es ist mehr als ein Grund zur Sorge, dass in den letzten Jahren die Wissenschaftsfreiheit nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland laut dem Academic Freedom Index (AFI) messbar abgenommen hat. In den vergangenen Jahren rangierte Deutschland auf einem der vordersten Plätze. Jetzt ist es aus der Spitzengruppe herausgefallen und landet auf Platz 27, hinter Ländern wie Slowenien, Panama, Italien, Spanien und Österreich. Ganz vorn liegen Tschechien und Estland.
Für uns ist klar: Wir setzen uns auf allen politischen Ebenen dafür ein, Wissenschaftsfreiheit gegen die Einflussnahme antiliberaler Gruppierungen zu schützen. Wissenschaftler*innen müssen auch in Zukunft frei von staatlicher Repression, von Diskriminierung und Machtmissbrauch forschen und lehren können. In diesem Zuge braucht es auch eine langfristig gesicherte und auskömmliche Finanzierung von Forschung und Lehre. Wir nehmen den Bund zur Sicherung der Finanzierung mit Nachdruck in die Verantwortung. Wir setzen uns entschieden dafür ein, nötige Kürzungen bei Universitäten, Hochschulen und anderen Forschungs- und Bildungseinrichtungen weitgehend zu vermeiden.
Science Diplomacy: Wissenschaft als Brückenbauerin in einer Welt im Umbruch
In einer Zeit zunehmender geopolitischer Spannungen und wachsender globaler Herausforderungen wie Klimakrise, Pandemien oder Rohstoffsicherung ist Science Diplomacy ein zentrales Instrument der deutschen Außen- und Wissenschaftspolitik. Wissenschaft kennt keine Grenzen – und genau darin liegt ihre besondere diplomatische Kraft. Sie ermöglicht Dialog, selbst dort, wo klassische außenpolitische Kanäle versagen.
Gerade in Krisenzeiten zeigt sich die Bedeutung auswärtiger Kultur- und Bildungspolitik. So leisten Mittlerorganisationen wie bspw. die Goethe-Institute, der DAAD und die Alexander von Humboldt-Stiftung u.a. mit ihren Programmen einen erheblichen Beitrag für den Schutz internationaler Wissenschaftler*innen. Sie sichern Kommunikationskanäle auch in Länder, in denen die Demokratie gefährdet ist. Deshalb braucht es auf Bundesebene eine verlässliche Finanzierung und eine Dynamisierung der Mittel auch über die nächsten Jahre hinaus.
Wissenschaftsfreiheit ist ein Standortvorteil. Es bietet sich die Chance, internationale Wissenschaftler*innen für unseren Forschungs- und Innovationsstandort zu gewinnen. Dafür müssen entsprechende Programme und Kooperationen ausgebaut, unsere Wissenschaftsorganisationen gestärkt und bürokratische Hürden – wie bei der Visa-Vergabe – abgebaut werden. Darüber hinaus ist auch die Sicherung von Forschungsdaten und der wissenschaftliche Zugang zu Datenbanken essentiell. Der Gefahr einer weiteren Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland muss entschieden entgegengetreten werden, um den Vorsprung in Sachen Wissenschaftsfreiheit gegenüber anderen Ländern zu sichern und auszubauen.
Eine breit angelegte Abwerbekampagne von Wissenschaftler*innen aus den USA ist derzeit nicht zielführend. Vielmehr sollten bestehende Kontakte und Kooperationen erhalten und gestärkt werden, um Wissenschaftler*innen bei ihren demokratischen Initiativen zu unterstützen. Wir müssen anerkennen, dass die USA nach wie vor führend in der Spitzenforschung sind und attraktive Forschungsbedingungen bieten. Dies umfasst moderne Forschungsinfrastrukturen, mehr Wagniskapital für Gründungen, verlässliche Karriereperspektiven, eine höhere Bezahlung und eine große Akzeptanz von Dual-Career-Services, die es Paaren ermöglichen, ihre Karrieren parallel zu verfolgen.
Spitzenforscher*innen aus den USA für unseren Forschungs- und Innovationsstandort zu gewinnen, bietet eine enorme Chance. Dies darf aber nicht zulasten heimischer Wissenschaftler*innen gehen und den ohnehin hochkompetetiven Zugang zu Forschungsmitteln und -stellen sowie Karrierewege zusätzlich verschärfen.
Für uns ist klar: Wissenschaft ist eine Brückenbauerin – dafür braucht sie stabile Fundamente. Wir setzen uns ein für eine Stärkung internationaler Wissenschaftskooperationen, den entschlossenen Abbau bürokratischer Hürden und eine klare Absage an kurzfristige Abwerbekampagnen. Stattdessen setzen wir auf starke Partnerschaften, gerechte Zugänge und echte Perspektiven – für heimische wie internationale Forscher*innen gleichermaßen.
Wissenschaftsfreiheit braucht gute Beschäftigungsbedingungen
Wissenschaft lebt von Neugier, Kreativität und dem Mut, neue Wege zu gehen. Doch echte Wissenschaftsfreiheit braucht mehr als nur Abwesenheit von Restriktion – sie braucht verlässliche Strukturen, die Forscher*innen ermöglichen, unabhängig, sicher und mit Perspektive arbeiten zu können. Deshalb ist die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft eine zentrale Gerechtigkeitsfrage und eine Voraussetzung für exzellente Forschung.
Der Alltag vieler Wissenschaftler*innen in Deutschland ist geprägt von befristeten Verträgen, unsicheren Perspektiven und dem Druck, sich ständig neu zu beweisen – oft zulasten von Kreativität, Diversität und Chancengleichheit. Besonders junge Wissenschaftlerinnen, Menschen mit Care-Verantwortung oder aus nicht-akademischen Familien trifft das aktuelle System hart. Wir setzen uns dafür ein, dass wissenschaftliche Karrieren planbarer, sozial gerechter und transparenter werden. Es braucht umfassende und strukturelle Reformen, die zu einem echten Kulturwandel führen: Befristungen dürfen nicht mehr die Regel sein, sondern müssen begründet und auf das wirklich Notwendige beschränkt werden. Dauerstellen für Daueraufgaben sind ein Muss – gerade auch im Mittelbau. Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen müssen durch auskömmliche, verlässliche Finanzierung in die Lage versetzt werden, faire und planbare Karrierewege zu bieten. Faire Bedingungen umfassen dabei sämtliche Statusgruppen – auch Studierende.
Gelebte Wissenschaftsfreiheit bedeutet im weiteren Sinne auch, sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen, sich nicht durch Kettenbefristungen zermürben zu lassen und sich Forschungsthemen frei wählen zu können – unabhängig von kurzfristigen Drittmittelvorgaben. Nur so entsteht Raum für kritisches Denken, mutige Ideen und echte Innovation.
Ein Gradmesser für Wissenschaftsfreiheit ist auch, wie sicher sich Frauen und marginalisierte Personen an unseren Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Forschung, Lehre und Lernen fühlen. Die geplanten Änderungen der schwarzgrünen Landesregierung am Hochschulgesetz sind eine wesentliche Maßnahme, um strukturelle Barrieren für Frauen und marginalisierte Personen abzubauen und den Schutz vor Diskriminierung, Machtmissbrauch und sexueller Gewalt an Hochschulen zu stärken. Indem Hochschulen zu sicheren Orten des freien und Lernens, Lehrens und Forschens gemacht werden, wird sichergestellt, dass alle Menschen, unabhängig von Geschlecht, Religion, Herkunft oder Behinderung, sich sicherer fühlen, ihre wissenschaftlichen Interessen zu verfolgen. Es braucht gezielte Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene, die zur Förderung von Vielfalt, Inklusion und Familienfreundlichkeit beitragen, und Diversität an Hochschulen aktiv berücksichtigen und einbeziehen. Beispielsweise durch die geplante Anpassung von Semesterzeiten und Urlaubsregeln, oder die weitergehende Unterstützung von Studierenden mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen. So wird ein Umfeld geschaffen, in dem sich alle Personen wissenschaftlich frei entfalten können.
Für uns ist klar: Wir wollen eine Wissenschaft, die Menschen nicht ausbrennt, sondern inspiriert. Eine Wissenschaft, die Vielfalt fördert, statt auszusortieren. Und eine Wissenschaftspolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt – als Basis für ein demokratisches, zukunftsfähiges und gerechtes Wissenschaftssystem. Wir setzen uns auf allen politischen Ebenen für den Schutz vor Machtmissbrauch und Diskriminierung an unseren Hochschulen ein.
Eine vielfältige Gesellschaft als Grundlage unseres Wissenschaftsstandorts
Dass gerade von Union und SPD die Forderung hochgehalten wird, im großen Stile US-Forscher*innen anzuwerben, ist paradox. Denn auch auf Deutschland schauen internationale Studierende und Wissenschaftler*innen mit zunehmender Sorge: Ein Diskurs, wie ihn Union und SPD betreiben, der Abschiebungen im großen Stil fordert, Menschen an der Grenze zurückzuweisen und den dauerhaften Aufenthalt erschweren will, dabei gleichzeitig Errungenschaften einer offenen und toleranten Gesellschaft wie das Selbstbestimmungsgesetz, Demokratieförderung oder den Schutz vor Diskriminierung zurückdrehen will, macht Deutschland unattraktiv für hochausgebildete Personen aus dem Ausland. Wo offener Rassismus zum Alltag gehört, können sich auch internationale Studierende und Wissenschaftler*innen nicht sicher fühlen. Der Umgang mit denjenigen, die am meisten von Diskriminierung betroffen sind, ist ein Gradmesser für die Offenheit einer Gesellschaft wie auch für die Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit.
Für uns ist klar: Wir gestalten eine demokratische und offene Gesellschaft – auch in der Wissenschaft. Wir bieten Teilhabe und Selbstbestimmung und damit einen attraktiven Standort für Forscher*innen aus aller Welt.
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