Das marode AKW Tihange: Belgiens tickende Zeitbombe

Das belgische Kernkraftwerk Tihange sollte am besten schon heute vom Netz genommen werden, denn es kommt dort immer wieder zu massiven Störfällen. Belgien hat den Ausstieg aus der Kernkraft aber erst ab 2025 beschlossen. Zu spät! Die Auswirkungen eines Reaktorunfalls wären auch für Deutschland katastrophal, denn Tihange liegt nur knapp 60 km Luftlinie vom nordrhein-westfälischen Aachen entfernt.

Das vom belgischen Stromkonzern Electrabel betriebene Kernkraftwerk Tihange besteht aus drei Blöcken, die 1975, 1982 und 1985 ans Netz gegangen sind. Die Geschichte dieser Blöcke ist seither von einer nahezu endlos scheinenden Pannenserie gekennzeichnet. Allein in diesem Jahr musste im Februar Block 1 heruntergefahren werden, nachdem Unregelmäßigkeiten an einer Pumpe festgestellt wurden und im Mai wurde bekannt, dass das französische Unternehmen Creusot Forge wiederholt Großbauteile aus Stahl geliefert hat, die womöglich gegen Sicherheitsbestimmungen verstoßen.

Zahlreiche kleine Risse im Mantel von Tihange

Das Bild zeigt ein Warnschild mit dem Schriftzug "Tihange abschalten".

Warnschild: Tihange Abschalten!

Besonders problematisch ist die Situation rund um Tihange 2. Im Jahr 2012 musste der zweite Block des Kernkraftwerks heruntergefahren werden, weil tausende kleine Risse im Mantel gefunden wurden. Im Jahr 2013 wurde er dann wieder hochgefahren, um aus Sicherheitsgründen im darauffolgenden Jahr aufgrund von neuen Ungereimtheiten direkt wieder heruntergefahren zu werden. Mitte November 2015 gab die belgische Atomaufsichtsbehörde dann unglaublicherweise die Erlaubnis, Block 2 wieder in Betrieb zu nehmen, weil die gefundenen Risse angeblich kein Sicherheitsrisiko darstellen. Das häufige Herunter- und wieder Hochfahren spricht allerdings eine komplett andere Sprache: Es stellt als Vorgang an sich bereits ein Risiko dar und weist zudem auf die enormen vorhandenen Sicherheitsmängel hin.

Radioaktive Wolke würde in drei Stunden Aachen von Tihange erreichen

Viele Menschen befürchten, dass vor allem der rissige Block 2 eines Tages komplett spröde werden, bersten könnte und somit ein durch Tschernobyl und Fukushima bereits Realität gewordener Albtraum eintreten könnte: Der Super-GAU. Dies würde nicht nur eine kilometerweite Zone rund um das Kraftwerk radioaktiv verseuchen und unbewohnbar machen, sondern auch schwere Folgen für NRW haben. Innerhalb des dann hoch gefährdeten 100-Kilometer-Radius von Tihange liegen die Städteregion Aachen, die Kreise Euskirchen, Düren, Heinsberg und ein kleiner Teil des Kreises Viersen. Vertreter der Organisation “Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs” warnen, dass bei dem in der Regel im Grenzland herrschenden Westwind, eine radioaktive Wolke bereits in drei Stunden Aachen erreichen könnte. Den Anwohnern im Dreiländereck würde in einer solchen Extremsituation also nicht viel Zeit bleiben.

Karte: Tihange und Umgebung

In Aachen hat die Stadtverwaltung deshalb im Dezember 2015 den Einsatz eines Krisenstabs im Fall eines atomaren Unfalls geprobt und Jodtabletten für die Bevölkerung angeschafft. Außerdem hat die Städteregion Aachen am 09.11.16 beim belgischen Staatsrat Klage gegen den Weiterbetrieb von Tihange 2 eingereicht. Die NRW-Landesregierung schloss sich im April 2016 dieser Klage an.

Erneuerbare Energien statt Tihange

Seit unserer Gründung treten wir für ein schnellstmögliches Ende der Atomkraft ein und fordern deshalb die sofortige und vor allem endgültige Abschaltung des belgischen Schrottreaktors. Wir teilen die berechtigten Sorgen im Dreiländereck vor einer atomaren Katastrophe und unterstützen die vielfältigen atomkritischen Aktivitäten. Unser Ziel ist der vollständige europäische Ausstieg aus der atomaren Stromerzeugung und aus der gesamten nuklearen Brennstoffkette. Anstelle der Risikotechnologie Kernkraft müssen wir auf alternative und erneuerbare Formen der Energiegewinnung setzen.

Belgien hat trotz des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomkraft eine Neuausrichtung der Energiepolitik bisher verschlafen. Anstatt auf Wind und Wasser zu setzen, deckt das Land Schätzungen zufolge, immer noch etwa die Hälfte des Energiebedarfs mit Atomstrom. Bereits geplante Abschaltungen werden deshalb sogar wieder rückgängig gemacht, so sollte Tihange 1 eigentlich im Oktober 2015 abgeschaltet werden, dem Betreiber wurde aber von der belgischen Regierung eine Laufzeitverlängerung bis 2025 gewährt.

Mit Tihange wird ein komplett marodes Kernkraftwerk am Netz gehalten, das ein riesiges Störfallrisiko mit sich bringt. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – Tihange gehört deshalb abgeschaltet und zwar sofort.